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Urlaub und Cannabispolitik in Australien

HanfBlatt 12/98

 Down under geht es aufwärts

Aktivisten diskutieren, Bürger protestieren, Politiker lamentieren: Australien erwägt die Legalisierung von Cannabis.

Das sollte doch mal in Deutschland passieren: Hanfaktivisten demonstrieren vor einem Polizeirevier, dringen schließlich sogar in das Gebäude ein und lassen dort die Joints wandern. Nach kurzer Zeit lassen sie die Beamten im Nebel stehen und ziehen friedlich und unbehelligt weiter. Undenkbar? In einer obrigkeitsgläubigen Republik vielleicht, nicht aber auf dem kleinsten Erdteil des Globus´, in Australien. Hier geschah genau dies während einer Demonstration in Adelaide, Hauptstadt des Distrikts „South Australia“, an der mehrere Tausend Menschen teilnahmen. Mit ihrem Ruf „It´s not wrong to bong“, erschütterten sie das Glaubenssysteme der Bevölkerung, welche Marihuana oft noch für ein Kraut aus des Teufels Küche hält. Die Kundgebung war Ausdruck eines neuen Selbstbewußtseins der Hanfaktivisten, denn der Kontinent diskutiert seit einiger Zeit intensiv die Dekriminalisierung von Cannabis. Neben den Legalisierungs-Organisationen treten mittlerweile gewichtige Personen für ein Ende der Prohibition ein. Der oberste Staatsanwalt in Süd-Australien, Paul Rofe, schlug unlängst vor, den Anbau und Vertrieb von Marihuana in staatliche Hände zu legen. „Wir haben sowieso keine Chance den Drogenkonsum zu stoppen“, erzählte der Chefankläger, „wir müssen etwas drastisches versuchen.“ Wie es beim Verkauf von Alkohol und Tabak bereits praktiziert wird, müsse ein Regulierungssystem gefunden werden, welches es den Bürgern möglich macht, Marihuana über den Ladentisch gereicht zu bekommen.

Diese Ideen stehen nicht isoliert. Mehrere vom Parlament eingesetzte Kommissionen unterstrichen über die Jahre die Forderungen nach einer Änderung der bestehenden Gesetze, die den Konsum von Marihuana und seinen Produkten unter Strafe stellen. Schon 1979 setzte die damalige an der Regierung befindliche Arbeiterpartei in Süd-Australien ein Gremium zusammen, welches die Leitlinie für die zukünftige Gesetzgebung in Sachen Cannabis festlegen sollte. Die klugen Köpfen schälten fünf Alternativen heraus, wie der Staat mit dem pflanzlichen Rauschmittel umgehen kann:

  • Totale Prohibition. Der Staat führt den aus den USA bekannten „War on Drugs“.
  • Prohibition mit gemäßigten Geldstrafen.
  • Teilweise Prohibition, die aber Konsum und Besitz nicht mehr unter Strafe stellt.
  • Regulierte Zugangsmöglichkeit, wie im holländischen Coffee-Shop-Modell und in Alaska von 1975-1986.
  • Legalisierung ohne Qualitätskontrolle, Altersbeschränkung und Steuern.

Das Komitee empfahl die partielle Prohibition oder das Coffee-Shop-Modell. Dies wurde vom Lokalparlament abgelehnt. Als Reaktion auf die starre Haltung der Volksvertreter gründeten sich etliche Pro-Cannabis-Clubs, wie „Help End Marihuana Prohibition“ (HEMP) 1982, die „Cannabis Reform Foundation“ und ein Ableger der amerikanischen „National Organization for the Reform of the Marihuana Law“ (NORML). Der Arbeit dieser Gruppen ist es zuzuschreiben, daß 1986 dem Parlament die sogenannte „Cannabis-Buße-Note“ vorgelegt wurde. Marihuana blieb zwar weiterhin verboten, unter besonderen Umständen können die Behörden aber seither von einer Strafverfolgung absehen und ein Bußgeld ausstellen. Bei einem Anbau von bis zu zehn Pflanzen entgeht der Bauer ebenfalls den schwedischen Gardinen. Von einigen als Dekriminalisierung gefeiert, sieht die Realität düster aus: Während die Gesetzeshüter 1987 „nur“ vier Tausend Fälle von Cannabis-Konsum oder Anbau entdeckten, hat sich diese Zahl derweil vervierfacht. 1994 griffen die australischen Beamten 50 mal am Tag auf Kiffer zu, 17.700 Menschen mit Vorliebe für ein Genußmittel wurden so im gesamten Jahr behelligt. Über neun Tausend Beschuldigte weigerten sich, daß fällige Bußgeld zu zahlen und gingen vor Gericht. Mit einem Eintrag ins Strafregister oder einer Verurteilung aufgrund eines Rauschgiftdelikts ist es im Land der hüpfenden Beuteltiere nicht möglich in den Staatsdienst einzutreten, weder als Lehrer, Doktorin oder Krankenbruder. Auslandsreisen nach Japan oder die USA sind dann ebenfalls nicht mehr realisierbar. Die von so manchen Bürger als quasi-Freigabe eingeordnete Novelle stellte sich in der Praxis als restriktive Verschärfung heraus.

Der Landtag des Bundesstaates Victoria setzte Anfang diesen Jahres eine Kreis von Experten zusammen, die erneut über eine Reform der Drogengesetze beraten sollte. Deren Vorsitzender, Professor David Pennington, empfahl den Politikern Marihuana so schnell als möglich zu legalisieren. Dies wäre der effektivste Weg um Individuen davon abzuhalten harte Drogen zu konsumieren. „Der Anbau und Konsum muß freigestellt werden“, faßten die Wissenschaftler ihre Vorschläge zusammen. Solch ein Schritt zerstöre, so auch Staatsanwalt Rofe, nicht nur die illegalen Profite aus dem Schwarzmarktverkauf, sondern würde zudem bei jüngeren Menschen die „Attraktivität des Verbotenen“ reduzieren.

Wohl die Angst vor der eigenen Courage führte Regierungschef Jeff Kennett wieder ins Dunkle: „Bevor wir die Dekriminalisierung von Cannabis näher erwägen, wollen wir eine besser koordinierte, besser ausgestattete, mehr innovative und vorsichtig konzentrierte Erziehung und Aufklärung betreiben“, klang es in einer Pressemitteilung aus dem Kabinett. Die Reaktionen auf diesen Beschluß waren vernichtend: „Wie viele Menschen müssen noch unter der Prohibition beschuldigt und verurteilt werden, bevor das richtige Signal gesendet wird“, fragte Jamnes Dannenberg von HEMP, Sprecher der mittlerweile größten Initiative für die Reform der Cannabisgesetze. Zu einer wesentlichen Änderung der Drogengesetze kam es jetzt aber doch. In Zukunft werden Benutzer von Drogen nicht in erster Linie als Kriminelle, sondern als Kranke gesehen. „Wir überprüfen die bisherigen Strafmittel um sicherzustellen, daß Behandlung sowie Heilung und nicht Bestrafung an erster Stelle steht“, heißt es aus dem Ministerrat.

Die Querelen um die umfassende Umgestaltung der Richtlinien über die sogenannten Betäubungsmittel bestärken die Aktivisten nur in ihrem Bemühen. Schon 1994 feierten sie an der Flinders Universität in Adelaide die „Hemp Week“, ein Fest über eine Woche mit Ausstellungen, Vorträgen, Filmen, Debatten und „Smoke-ins“. Die „Hempster“ verbuchen es als ihren Erfolg, daß 1995 das Abgeordnetenhaus die ausgedehnte Erforschung von Hanf als Nutzpflanze beschloß – in Süd-Australien und Queensland wächst heute THC-armer Hanf.

Aber nicht erst die jüngere Zeit bringt der ehemaligen Strafkolonie des Commonwealth eine rege Legalisierungsbewegung. Den Ruf des „Hippie-Mekka“ erwarb ein kleiner Ort im Nordosten des Landes schon in den 70er Jahren. 1973 fand in inmitten des Regenwalds das „Aquarius-Festival“ statt, ein Woodstock ähnliches Happening mit viel Liebe und Dope. Seit damals pilgern zivilisationsmüde Bürger in den Ort und proben das alternative Leben. Es geht die Sage, daß Marihuana hier zu den Grundnahrungsmitteln zählt… Alljährlich am ersten Mai feiert die Kommune das „Mardi Grass“-Fest, welches immer dann besonders ausgelassen ausfällt, wenn die Ernte gut war und die Schober prall gefüllt sind (der urbane Markt fordert zunehmend gutes Gras). In den letzten zwei Jahren stieg allerdings auch in Queensland die Rate der Polizeieinsätze um ein vielfaches. Die konservativen Kräfte im Staat versuchen durch die neue Aggressivität den Befürwortern der Legalisierung die Lust am Anbau und am Protest zu nehmen. In Nimbin wie in den anderen Bundesstaaten verliert man gleichwohl das Ziel nicht aus den Augen. „Noch in diesem Jahrhundert wird die Prohibition fallen“, hofft man in Nimbin.