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Cannabis Drogenpolitik

Drogenpolitik in Arizona

Bekiffte Kuhjungen im Sattel

In Arizona darf gekifft und gedealt werden – wenn man Steuern zahlt

Langsam steuert Jeff seinen Van durch den Vorort von Tucson. Aus dem Radio klingt die blecherne Stimme Willi Nelsons, der Aschenbecher ist randvoll und das geöffnete Seitenfenster bringt nur wenig Kühlung. Zu heiß ist die Luft, als daß die Haut von Jeff ihre Bewegung als erfrischend empfindet.

Das kurze Aufheulen einer Sirene reißt den jungen Mann jäh aus seinen Träumen, im Rückspiegel erkennt er die blinkenden Warnleuchten eines Polizeiautos – anhalten! Betont lässig schlurft einer der beiden Cops zu Jeffs Vehikel. „Kann ich mal Führerschein und Fahrzeugpapiere sehen?“ Die Papiere sind in Ordnung, aber ein Blick auf die Ladefläche des Vans zeigt dem Cop, daß Jeff mit vier ausgewachsenen Marihuanapflanzen an Bord durch seinen Diskrikt fährt. „Und was ist das?“ fragt der Sheriff. „Vier Cannabispflanzen. Hier ist die nötige Lizenz, die dazugehörigen Steuermarken und eine Kopie vom Präzedenzfall des Amtsgerichts“, antwortet Jeff und überreicht die Dokumente. Nach kurzer Überprüfung wünscht der Cop „weiterhin eine gute Fahrt“.

Eine Fiktion? Eine nette gute-Nacht-Geschichte? Ein Kiffermythos? Nein, unlängst so geschehen in Arizona. Nach einer Entscheidung eines Gerichts in Phoenix, ist der Besitz und Verkauf von Marihuana legal, wenn die Bürgerin die staatliche Konzession sowie gültige Steuermarken ihr Eigen nennt. Und die erhält jedefrau beim Finanzamt. „Wir sind sicher, daß die Entscheidung des Gerichts wieder umgeworfen wird“, hofft Barnet Lotstein, Assistent des Staatsanwalts, welcher Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Das Gesetz sei nicht entworfen worden, um die Produkte der Cannabispflanze zu legalisieren, sondern um Drogenhändler zu bestrafen. Den Rechtshändel angezettelt hatte Peter Wilson, Vorsitzender des Ablegers der „National Organization for the Reform of the Marijuana Laws“ (NORML) in Arizona. Wilson war des Besitzes von Haschisch angeklagt, trotzdem er die staatlichen Lizenz besaß. Der Vorsitzende Richter, John Barclay, wollte nicht einsehen, warum Wilson auf der einen Seite Steuern für Rauschmittel zahlt, auf der anderen Seite für ihren Besitz bestraft werden soll.

Seit dem Urteilsspruch pilgern Scharen von Liebhabern der Hanfpflanze in den 48. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika. Legalisierungsbefürworter verkaufen Cannabis direkt vor dem Regierungssitz und Rich Davis, Inhaber des mobilen Hanfmuseums, welches mit ihm seit Jahren durch die USA zieht, brachte Ein-Gramm Beutel unter den Augen von Polizeioffizieren an Frau und Mann. Verhaftet wurde niemand. Ron Kiczensky kündigt die Eröffnung einer Firma an, welche ausschließlich Cannabis vertreibt. „Das wird die erste legale Marihuana-Zigaretten-Company“, freut sich der bekannter Marihuana-Aktivist.

Wilson triumphiert: „Holt Euch eure Lizenz, die Marken und eine Kopie des Gerichtsentscheids“, fordert er seine Hänflinge auf. Die einzige Einschränkung bevor man als legaler Dealer aktiv wird: Die Steuern sind im voraus zu entrichten. 100 amerikanische Taler für die Lizenz und 500 für die Marken berechtigen somit beispielsweise zur Rücklage von annähernd 1,4 Kilo Cannabis. Der Staat verpflichtet den Interessenten, mindestens 50 Ein-Gramm-Marken zu erstehen; schon eine Investition von 117.50 Dollar dürfte damit den Eigenbedarf decken.

„Dieses Gesetz gibt den Anschein, daß wir Marihuana-Konsum in diesem Bundesstaat legalisiert hätten“, wütet Scott Bungaard. Mit einem jetzt in das lokale Parlament eingebrachten Änderungsantrag will der republikanische Abgeordnete das muntere Treiben im Wilden Westen beenden. Zur Verwunderung aller Cannabisfreunde unterließ der Gouverneur des Staates, Fife Symington, es bislang, den zuständigen Behörden per Exekutivorder die weitere Ausgabe von Lizenzen zu untersagen. Nicht ohne Grund, vermutet man bei NORML, denn offiziellen Statistiken zufolge beschlagnahmte die Grenzpolizei Arizonas im Jahre 1994 fast 57 Tonnen Marihuana. Wären die Steuern hierfür ins Staatssäckel geflossen, könnte Symington für seinen nächsten Wahlkampf 18 Millionen Dollar mehr ausgeben. Dazu kommt, daß der aufgegriffene Hanf nur einen verschwindend kleinen Teil der Menge ausmacht, die jedes Jahr über die Staatsgrenze geschmuggelt wird…- eine unversiegbare Quelle steht dem Wüstenstaat in Aussicht.

Inzwischen erfährt dem Richterspruch Unterstützung durch juristischen Kollegen. Die obersten Gerichte von Illinois und Indiana sprachen ebenfalls Personen frei, die -wie Wilson- trotz einer staatlichen Legitimiation des Besitzes von Marihuana angeklagt waren. „Um die Marihuanasteuer zu bezahlen, muß man ein Verbrechen begehen“, begründete Richter Harrison aus Illinois seine Entscheidung.

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Reisen

„Happy, Happy, Same, Same“

„Happy, Happy, Same, Same“

Thailand, Dezember 1998 – Januar 1999

„One Night in Bangkok“, reicht dann wohl tatsächlich aus. Wo unser Geld im Laufe der Nacht gelandet ist, bleibt im Nebel. Drei Flaschen Whiskey am Flughafen gekauft, Marc begrüßt und ab ins Taxi. Der Fahrer rast mit 120 km/h in die Stadt, Fußgänger am Rand. Eine Dunstglocke schwebt über dem Moloch. Lärm, Verkehrschaos, aber alle gut drauf. 33 Stock im Sheraton, Eiswürfel für den Whiskey bestellen, Chivas Regal, gern auch mit Cola. Die Stadt glitzert an allen Ecken. Bunte Lampen, natürliche Entwicklung der Mosaikkunst in den Tempelanlagen.

Wir treiben durch die Menschenmenge. Ein kleiner Stand nach dem anderen: Uhren, Textilien, Leder, CDs, Schmuck. Alles Kopien. Der Thai kennt kein Nein, er will Dich zufriedenstellen. Selbst wenn er oder sie keine Ahnung hat, wird sich bemüht, Dir zu helfen. Fickfänger am Rand: „Massage?“ ist die Frage der Fragen. Die Tuk-Tuks sind unglaublich, wildes Geknatter, luftige Fahrt ins Sea-Food Market. Welch ein Essen! Wir drehen allmählich durch. Hoppsi am Boden, Reis fliegt. Weiter geht’s. Der Tuk-Tuk-Fahrer hat tatsächlich gewartet. Nun von Nachtclub zu Nachtclub. Die Frauen lächeln. Käuflich oder freundlich? Hose runter im Tuk-Tuk. Das erste und letzte Mal sehe ich einen Thai entsetzt. Aber Hoppsi muß halt kacken. Halt vorm nächsten Nachtclub. „Nein, Hoppsi, unter Dir liegt nichts, Du kannst aussteigen.“ Höflicher Rauswurf. Nana-Hotel. Die Dinger wirken jetzt. Müdes geschiebe auf der Tanzfläche. Ich spiele Theater. Frauen umschwirren uns an der Bar. Ich fliehe auf die Straße und lasse mich vom Gewimmel aufsaugen. Warme Luft, alles bunt, ich treibe durch die Nacht, unterhalte mich mit einem freundlichen Thai, entdecke spielende Kinder (ca. zwei Uhr Nachts). Kirmes. Und immer wieder 50-jährige Langnasen mit jungen Thai-Mädchen. Gekauft für eine Woche oder länger. Beide sind froh, echtes Gefühl entsteht. Wirklich? Die Frauen lockt wohl eher der reiche Westen. Die AIDS-Rate ist hoch (40 Prozent bei den registrierten Prostituierten), das verdiente Geld kommt der Familie im Norden zu, es gibt kaum ein zurück in das normale gesellschaftliche Leben Thailands. Marc will acht Damen besorgen. „Fürs Hotel“, wie er sagt. Chiang Mai. Nur etwas ruhiger als Bangkok. Aber auch hier öffnet ein Lächeln alle Türen. Trotz der griesgrämigen Touristenscharen übe ich mich in Faszination. Garküchen am Straßenrand: Lecker. Überall in der Stadt Tempelanlagen (Wat). Mönche wässern Sträucher und Bäume. Mildes Lächeln. Das Wetter ideal zum Wandern, neudeutsch: Trekking. Die Besitzerin des „Chiang Mai Garden“ ist mir ein Stück zu geschäftstüchtig. So oder so landet man wahrscheinlich in dem Schlauch, der sich da Trekking-Tour nennt. 12 Leute auf dreitägiger Tour, bis auf einen Belgier alles verkniffene Deutsche. Wir sorgen für Amüsement. Ausgetretene Pfade durch den leicht steppigen Wald. Originärer Regenwald existiert hier (und in fast ganz Thailand) nicht mehr. Die Vegetation ist trotzdem interessant. Weite Felder mit rosa Blumen: Jah Koh Lah, wie mir Chang, unser Guide, versichert. Wenn er bloß nicht so rennen würde. Die Thais haben sich angewöhnt, englische Wörter immer doppelt auszusprechen: „Joking, joking.“ Chang erzählt deutsche Witze. Wir sitzen am Feuer, dunkel wie im Bärenarsch ist die Nacht. Ich jongliere vor ein paar Dorfkindern. Die Karen-Frau trennt mit eine großen Hammereinrichtung die Hülsen vom Reis und siebt danach aus. Spärlicher Ertrag. Elefanten sind beeindruckende Tiere. So riesig, so ruhig, so gemächlich. Kleine Augen, Riesen Körper. Ich sitze auf dem Kopf des Tieres, welches steile Abgänge zum Fluß sicher nimmt. Die Haut fühlt sich seltsam an, so dick und fest, aber atmend. Die Borsten kitzeln. Meine Knie hinter seinen Ohren, später baumeln meine Füße über seinem Rüssel. Die vor uns wackelnde Kuh entläßt riesige Fladen aus ihrem After. Besuch eines weiteren sogenannte Bergstamms an der Grenze zu Burma. 20 Hütten im Dorf, davon drei für Touristen. Geldquelle Nr.1. „Yes, Yes, you can try Opium, try, try“. Die Atmosphäre in der Hütte des Bauern macht mächtig Eindruck, wir liegen vor ihm und er stopft Pfeifen. Fünf Stück jeder, nix passiert. Wieder nur Fake, aber das Essen war gut. Übernachtungen auf harter Unterlage im Gemeinschaftsraum. Fahrt auf Bambus-Floß, uns kommt dabei ein Idee, die später noch für viel Spaß sorgen wird. Nette Stromschnellen. Steile Hänge am Rand. Wenig Vögel, wilde Tomaten. Wir kaspern weiter rum, um das Gemoser der Gruppe zu ertragen. Erst erwischt es Hoppsi, später mich: Fieber. Die Aktion in Bangkok war wohl etwas viel für uns. Nach zwei Tagen ist es überstanden. Die (traditionellen!) Thai-Massagen sind eingehend. Besonders empfehlenswert sind die Fußreflexzonenmassagen. Danach gehen wir wie auf Wolken. Ich träume von hölzernen Elefanten. Ko Phi Phi. Insel in der Südsee. Sonne, Sand, kesse Krabben. Der Tauschein lockt. Tatsächlich das Ein-Tauchen in eine andere Welt. Mein Lehrer ist relaxed, im Gegensatz zu meinem Tauchpartner, einem dänischen Erstligafußballer. Süße Freundin hat der. Unterwasser rückwärts. Drei Dimensionen, ich schlage Purzelbäume mit Schrauben. Und alles so schön langsam. Das Atmen bekommt was meditatives. Ganz langsam ein, ganz langsam aus. Man muß viel weniger atmen unter Wasser. Unsere Flaschen sind schon fast leer, die unseres Lehrers noch fast halb voll. Relax. Fische, so dünn wie ein Blatt Papier (!), aber DIN A4 Blatt groß. Ein Moräne schaut aus ihrem Bau. Der Lions-Fisch tentakelt vor sich hin. Da, ein Schwarm von schwarzen Fischen, etwa 50 Stück, in Begleitung einige Regenbogenfische, die ihre Farbe je nach Lichteinfall ändern. Ich folge ihnen, kann sie fast greifen. Ach ja, das Buddy-System, immer beim Partner bleiben. (Eine Woche später erlebt Ruthi einen Tiefenrausch (Stickstoffanreicherung im Blut) in nur 30 Meter Tiefe. „Leichte Euphorie, mehr Farben, alles Gut“, beschreibt er die lebensgefährliche Abfahrt. Er wäre immer tiefer gegangen, wenn ihn der Diving-Instructor nicht eingeholt hätte.) Korallen, wunderschön. Gefächert, wie Tuben, grazile Kelche, Kobaltblau, knallrot. Ein gelbes Riesengebilde erscheint, geformt und strukturiert wie ein menschliches Gehirn, nur halt vier Meter groß. Neben mir eine Korallenwand, 15 Meter hoch, überall wächst und gedeiht es. Ich schaue nach oben, 20 Meter Wasser über mir. Wow. Anemonefische, rot mit weißen Streifen, nur 5 Zentimeter groß, bewachen ihre Mutterpflanze. Ein riesiger Hummer in einer Felsspalte. Und immer wieder Druckausgleich, die Ohren schmerzen sonst. Kontrolle der Instrumente. 22 Meter Tiefe, noch genug Luft, alles klar. Eine Unterwasserurwald, alles scheint unberührt. Unbeschreiblich schön. Ein Stück weiter aber ein totes Riff. Eine weiße Schicht überzieht die ehemals leuchtenden Lebewesen. Kaum noch Fische hier. Die Erwärmung der Ozeane, der Tourismus, der Dreck. Eine Flaniermeile für die Touris, Kneipen, Geschenkartikel. Alle bieten nebenbei das Gleiche an: Pringels, Snickers, Cola. Die kleinen Läden, besetzt nur mit einer runzeligen Oma, gehen nach und nach im grellen Glanz ihrer Neon-Nachbarn unter. Und langsam läßt auch das Lächeln nach, das immer währende Lächeln der Thais, die liebevolle Hilfsbereitschaft, die kindliche Neugier, die offene Art, die ehrliche Unbekümmertheit. In diesen Tropen fehlt der südamerikanische Machismos. Das gefällt. All das droht von der mächtigen Walze der internationalen Reisewut plattgemacht zu werden. Hier brauchen die Menschen zwei Sätze mehr, um aus ihrem Touristen-Abfertigungs-Modus herauszukommen. Aber dann ist es wieder da, das aus Frauenmündern so zärtlich klingende kop kun kap. Und sonst? Vati aus Gelsenkirchen stürzt gewohnheitsmäßig seine drei Bier am Abend und wundert sich über den Schädel am nächsten Tag. Versicherungskaufmann Andreas (35) schlüpft in Batic und Shorts. Für drei Wochen Freak sein. Es ist aber auch an alles gedacht, Bundesliga zeitversetzt, Marihuana, E-Mail, Aspirin für den Morgen danach. Und trotzdem ist es die Südsee, lieblicher Duft, braune Haut, leichtes Dasein. Und nicht weit vom Budenzauber herrscht die Kraft der Natur: Hölzer, Gräser, alleiniger Sand, Vögel, Geckos. Das Essen weiterhin eine Abfahrt im Mundraum, falscher Biß – Elefantenschiß, unbekanntes Gaumenterrain will erschlossen werden. Ich sitze bis zum Hals in Seafood, esse ohne satt zu werden, scheißen ohne Schmerz oder schlechten Geruch. Hui, drei Bodybuilder schieben sich in knackigen Shorts und freiem Oberkörper durch die niedrige Menge. Die Frauen aus dem Massage-Salon quieken vor Vergnügen. Alles lacht fröhlich über den Auftritt, selbst die mundwinkelgeschädigten Körperkranken bewegen den untrainierten Lachmuskel kurz. Ok, ok, nur halt nicht mein Stil. Wohin mit dem Müll? Nein, nicht dem Seelenmüll der tausend Frustrierten, sondern dem Konsummüll der tausend Touristen, die Tonnen von Plastik und Papier hinterlassen? Ein Teil liegt einfach in den Büschen und zwischen Palmen. Auch die Thais scheinen wenige Gefühl für dieses Problem zu haben: Neben ihren Häusern türmen sich Berge. Opiumgag im Regenwald. Ha! Chang wird gewußt haben, daß das Zeug nicht wirkt. Zurück im Cafe auf der Flaniermeile. Schicksal der Pärchen auf Reisen: Schweigen im Walde? Miesepetrige Gewohnheitsopfer oder lautlose Verbundenheit? However. Auf der Terrasse unserer Behausung, sinnierend im Stuhl, Zirp, Zirp. Abschalten, die ewige Denk-Maschine ganz langsam laufen lassen, eventuell sogar abschalten. Innerer Friede und die diversen mich schüttelnden und wärmenden Gefühle zu vereinbaren ist nicht einfach. Die Mönche haben es da einfacher, he, he. Ich schalte das TV ein. Thai-Frauen in traditionellen Gewändern tanzen zu Techno. Welch´ Anpassungsfähigkeit. So wie die Thai-Wirtschaft: Adaptieren und dann eine preiswerte Kopie herstellen. Eine Insel weiter, Ko Lanta. Endlich am Ziel: Die Hängematte. An den Tod von Niklas Luhmann gedacht. Die von den Hanseaten schon immer praktizierte zirkuläre Logik: „Wat mut, dat mut“. John, ein 50jähriger Ami, trägt ein Teleskop mit sich rum. Wir sehen die Ringe des Jupiters. Diskussionen über das Weltall. Was ist Gravitation? „Nur ein weiteres Erklärungsprinzip“, äffe ich G. Bateson nach. Schlimm, wenn ich rede ohne wirklich zu verstehen, aber ich bin halt in Urlaubsstimmung und ein kleiner Dämpfer tat dem Hobby-Astrologen gut. Wir spielen am nächsten Tag Fußball am Strand. Plötzlich 15 Thais dabei, wildes Gebolze. Am nächsten Tag gehen wir mit dem Typen fischen und fangen von ihrem Long-Tail-Boot aus einige Fische. Ab in die Küche damit. Lecker. Die Fischer sehen nicht mehr so thailändisch aus. Es sind Nachfahren von „Seezigeunern“, die hier früher die Gewässer spannender gemacht haben. Stolz, etwas ruhiger, die Menschen. Wir treffen ein großes, dschunkenartiges Fischerboot mir zweistöckigem Aufbau. Es gibt Reis für die Familie an Bord. Es wird vor allem Nachts gefischt. Zurück in der Hängematte. „Hey, Jungs, laß uns das Bambus-Floß bauen.“ Mr. Chang, der Besitzer des Bungalow-Ressort, leiht uns seinen Pick-Up. Unvorstellbare Straßenverhältnisse, nur Schrittempo ist möglich. Na, wir haben ja Zeit. Inmitten der Insel ein kleines Bambuswäldchen, wir zahlen den Besitzer, der zunächst die Genehmigung bei der „Behörde“ im Ort einholen mußte. Mit den Fischerjungs schlagen wir sechs dicke Bambusbäume aus dem Wald. Schnittwunde. Der Saft einer Pflanze hilft. Mordsschwer, die Stämme, 500 Meter bis zum Auto. Transport zum Ressort. Tage der Arbeit folgen. Blödsinnig wie wir sind, stehen wir immer erst um 11h auf und werkeln dann in der Mittagshitze an dem Bambus rum. Löcher in alle Stämme, oben und unten, dann zwei Querstangen an beiden Enden, dann erst Vertäuung. Vollmond. Um den Mond eine riesige Corona. Wow. 31.12.1998. Während des Stapellaufs wird Hoppsi von einem Stingray (Rochen) gestochen. Der Unhold fühlt sich belästigt und sticht mit seinem Schwanz zu. Der Fuß schwillt an, unglaubliche Schmerzen, wenn ich Hoppsis Gesichtsausdruck so sehe. Halbstündige, ruckelnde Fahrt ins Krankenhaus. Der Arzt kommt aus dem Norden und hat keine Ahnung. Schmerzmittel, Whiskey, Joint, nichts hilft. Erst David, ein immer leicht angetrunkener 55jähriger Schotte weiß Rat: „Fuß in heißes Wasser.“ Und tatsächlich, der Schmerz ist wie weggeblasen. Die Schotten feiern Silvester, wir tanzen ohne Kilt nach Folklore aus dem Casettenrecorder. Immer im Kreis. Die Thais staunen. Bücherwurm: (1) Matt Ruff: GAS. Super Buch, unbedingt zu empfehlen. Leichte Schreibe (Ami halt), witzige Ideen, nie zäh. Im Gegensatz zu (2) Umberto Eco: Die Insel des vorigen Tages. Inhaltsschwanger, lateinisch, der Herr Professor mußte ich mal wieder austoben. (3) Theodor Fontane: Schach von Wuthenow. Deutsche Literatur vom Feinsten. Der Mann hats raus gehabt. Ein Mann zerbricht am Standesdünkel, obwohl er die Frau liebt. Seufz. (4) Philipp Roth: Sabbaths Theater. Wow, so was ordinäres und schonungsloses habe ich lange nicht mehr gelesen. Der Held, Sabbath, fickt sich durchs Leben (und will nicht alt werden.) Herrliche Psychogramme von Ehen, Beziehungen und sexuellem Verlangen. Macht Lesesüchtig. Ah, hier ein Zitat aus dem Eco: „Ich habe in meinem Leben ein kluges Maß gehalten. Immer ernsthaft zu sprechen verursacht Überdruß. Immer zu spotten Verachtung. Immer zu philosophieren Trübsinn. Immer zu scherzen Unbehagen. Ich habe alle Rollen gespielt, je nach Zeit und Gelegenheit, und manchmal bin ich auch der Hofnarr gewesen. (…) Eine Stunde nach dem Tod ist unsere dahingegangene Seele das, was sie eine Stunde vor dem Leben war.“ Wir leihen uns Mopeds. Mit 80 km/h über die Schotterpiste. Wir sitzen im Sonnenuntergang und der Thai-Kiffer schenkt uns sein Bong. Wir kochen in der Küche des Ressort. Besitzer genervt, das Personal jubiliert. Alle probieren artig, ,an lächelt, aber ich kann mir nicht vorstellen, das die Bratkartoffeln wirklich schmecken. Erholung. Leerer Blick in den Wald, ein Schluck Wasser, und weiterschauen. Es gibt nichts zu sehen, es gibt nichts zu leisten. Spaziergänge, Essen, wieder in die Hängematte. Irgendwann dann plötzlich Rückflug.

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Tiefe

Tiefe – oberflächlich betrachtet

TIEFE –
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