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Gefahr im Paradies – Das Reiseziel Thailand im Wandel

HanfBlatt, Nr.103, September 2006

Gefahr im Paradies

Thailand gilt trotz Kommerz und Prostitution als kommodes Reiseland. Aber der Traum vom Travelerparadies zerbröselt langsam, denn undenkbares geschieht: Thailändische und europäische Geschäftsleute bekriegen sich, auf den Urlaubsinseln kommt es zu Vergewaltigungen, die Polizei jagt Kiffer.

Zwei Opas hocken auf dem Boden und sortieren ihr Gepäck. Nach der Reinraum-Atmosphäre des Flughafen München wirkt der Bangkok Airport wie ein vernachlässigter Busbahnhof. Eine Halle weiter gießt eine US-Althippiefrau mit dem Wasser aus ihrer Trinkflaschen die Plastik-Blumen, vor der Tür singen junge Soldaten leise Thai-Lieder und kichern, dazu taktet ein Verkehrs-Polizist mit seiner Trillerpfeife. Über der Szenerie hängt eine ultraschwüle Dunstglocke, wir sind glücklich, wir sind durch den Zoll, wir sind angekommen. Mal wieder Thailand gebucht.

Wir rasen mit einem Taxi in die Stadt, über uns, in einer zweiten Etage, die Gebühren-Autobahn. Drogen sind verboten, aber auf dem Nachtmarkt am Patpong stieren viele Thais aus Speed-Augen fröhlich-angepannt in der Gegend rum. Touris wie wir sind Beute, man versucht uns in eine Ping-Pong-Show zu zerren, aber meine Freundin hat wenig Lust darauf, Tischtennisbälle mit dem Druck südlich gelegener Organe durch den Raum schießen zu sehen. Wir lassen uns lieber weiter durch die Nacht treiben.

Am nächsten Tag: Weiterfahrt nach Ko Chang, einer Insel vor der Küste von Kambodscha, die noch zu Thailand gehört. Touristisch voll erschlossen ist das Leben gleichwohl angenehm, wer ruhige Ecken sucht, der findet sie im Süden der Insel. Entspannung, Lesen, Schwimmen im klaren Wasser, frischer Fisch. Alles gut und schön, aber ich träume des Nachts heftig und habe meine Medikamente vergessen.


Strand auf Ko Chang

Die Bar am Lonely Beach muffelt, aber hier Essen wir den besten „Fried Rice“ der Reise. Ein gekonnt in den Sitzpolstern hängender Australier hört sich mein Leiden an. Der Mann lebt seit drei Jahren in Thailand und stimmt mir zu, dass Inhalations-Kräuter gegen meine vielen Träume helfen sollten. Zufällig hat er eine Probe dabei. Australisches Killer-Weed, meine Freundin schläft gleich ein, ich versinke in Gesprächsfaulheit. Tropische Hitze und Jetlag. Der Mann murmelt von den Problemen, die in Thailand mittlerweile herrschen, wenn man Gras erwerben möchte.

Ein Barkeeper, der aussieht als hätte er Bob Marley das kiffen beigebracht, schüttelt entgeistert den Kopf. „No Weed, no“, sagt er und umgeht weitere Nachfragen. Weitere Bemühungen um ein Pfeifchen sind erfolglos. Was ist los in Thailand, dem Ballermann für Traveller? Wo ist der Treibstoff allen lässigen Daseins? Die Antwort liegt im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umbruch, den das Land seit einigen Jahren erlebt.

Bis 1994 qualmen auf den legendären Full-Moon Parties auf der Insel Ko Phangan die Chillums, Rave-, Naturliebhaber und Drogenfreaks aller Länder versammeln sich bei Vollmond am damals noch wunderschönen Hadrin-Beach und feiern das Leben und die Liebe. Aber es kommt wie so oft: Die Vermassung der Veranstaltung führt zu Problemen. Schon 1999 empfinde ich Hadrin als dreckiges Nest, indem sich brunstige Halbstarke aneinander schubbern. Polizeikontrollen sind obligat, aber den Herren geht es nicht um Ordnung, sondern um Geld. Hunderte von Party-Kleinkiffern sitzen seither immer wieder in den Gefängnissen Thailands.

Im Jahre 2003 kommt es dann zu einer politischen Aktion, die bis heute vor allem in den Köpfen der Thais nachwirkt, die sonst eine eher lässige Einstellung gegenüber Genussmitteln pflegen. Premierminister Thaksin Shinawatra ruft seine „Antidrogenkampagne“ aus. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit tötet die Polizei und das Militär daraufhin zwischen 2003 und 2004 mehr als 2500 Menschen. Die junge Demokratie Thailands kommt in solchen Momenten ohne rechtsstaatliche Verfahren aus. Aus Sicht der Regierung sind dies alles „Drogenhändler“, Menschenrechtsorganisationen bezweifeln das.

Denn: Die Säuberungsaktionen wütet vor allem im Süden der Republik. In diesen hautpsächlich muslimischen Povinzen des Landes herrschen seit Jahren bürgerkriegsähnlichge Zustände. Mindestens 1500 Menschen sind hier bei Bombenanschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen umgekommen. Oft ist unklar, wer hier wann gegen wen kämpft. Die Regierung in Bangkok hat die Kontrolle verloren und flüchtet sich in Gewaltakte und Ausreden. Fakt ist: 1902 annektiert Siam das südliche Königreich Pattani, eine umfangreiche kulturelle Kolonialisierung fand statt, die Malaien mussten Thai-Namen annehmen und wurden auch wirtschaftlich unterdrückt. Heute gehört die Region zu den ärmsten im Land.

Parallel dazu ändern sich auf den klassischen Urlaubs-Inseln und der Küstenregion rund um Phuket die Spielregeln. Ko Samui, eine Insel im Golf von Thailand, die rund ein Drittel so groß wie Rügen ist, wird jährlich von mehr als eine Millionen Urlaubern frequentiert, 60 Prozent davon kommen aus Großbritannien. Sie treffen auf knapp 30.000 Insulaner. Die Probleme häufen sich seit es Ausländern („Farang“ genannt) erlaubt ist Grundstücke zu erwerben. Innerhalb der letzten vier Jahren sind über 30 Prozent des Grund und Bodens an Ausländern übergegangen. Hotels, Bars, Villen, Ressorts: Die Lebensgrundlage der Thais wandert langsam in fremde Hände.

Neid kommt auf. Vandalismus, Einbrüche, Überfälle, früher auf Ko Samui äußert selten, mehren sich. Seit 2005 kam es zu mindestens drei Vergewaltigungen, im Januar diesen Jahres wird die 21-jährige Britin Katherin Horton missbraucht und anschließend getötet. Zwei Fischer , die nicht von Ko Samui stammen, gestehen den Mord, sie werden in einem kurzen Prozess zum Tode verurteilt und warten seither in der Zelle auf ihre Berufungsverhandlung.


Südküste von Ko Samui

Ein Team von Polizisten aus Bangkok reist an, der alte Polizeichef wird gefeuert. Aber auch die wissen: Auf Ko Samui stehen inzwischen reiche einheimische Familien und Ausländer im versteckt geführten Kampf. Und: Das asiatische Naturell konfrontiert sich und andere nur äußerst ungern mit Problemen. Zeitungen werden zu freundlichen Berichten gezwungen, die Arbeit von Journalisten vor Ort behindert.

Cannabis gehört seitdem die ersten Hippies die weißen Sandstrände Thailands entdeckten zum Service-Paket der Thailänder hinzu. Das „You name it, we got it“ stieß nur dann auf Grenzen, wenn Polizei in der Nähe oder zu große Mengen geordert wurden. Der Schmusekurs scheint vorbei, denn mit dem Zuzug von immer mehr Fremdlingen nimmt auch die Bereitschaft zu, diese als unliebsame Konkurrenz zu identifizieren.

Schusslinie

Auf dem Rückweg nach Deutschland hauen wir uns noch eine Nacht in Bangkok um die Ohren. Mittlerweile für das Thema sensitiv erfahre ich, dass erst vor zwei Wochen eine Frau aus dem australischen Brisbane vor einem Club im Stadtteil Kanchanburi erschossen wurde. Die Backpackerin geriet in die Salve eines Motorradfahrers, der im Vorbeifahren blindlings in die Menge schoss. Der englische Inhaber des „Up2You“ will von nichts wissen, aber die Gerüchte in der Stadt sprechen schon lange von rivalisierenden Gastro-Banden.

Die Ereignisse treffen Thailand in einer stürmischen Zeit. Korruptionsskandale, ständige Neuwahlen, abdankende und wiederkehrende Premierminister, Verfassungskrisen. Dazu Wahlstimmenkauf, Korruption, Vetternwirtschaft. In Thailand ist es üblich, Aufträge an die Verwaltung mit kleinen Geschenken zu versehen. Reibungslosigkeit soll garantiert werden.

Auf dem Weg zum Bahnhof geraten wir in eine der vielen Demonstration, die seit Monaten Bangkok immer wieder lahm legen. Auslöser der Massenproteste waren Aktiengeschäfte der Familie des Premierministers. Der ohnehin millionenschwere Unternehmer-Clan hatte seine Anteile des Telekommunikationskonzern Shin Corp an Temasek Holdings, eine Staatsholding aus Singapur, verkauft. Der Wert des Pakets: satte 1,6 Milliarden Euro. Der Clou: Weil nur Privatpersonen agierten, war der Handel nach thailändischem Recht auch noch steuerfrei. In den Augen vieler Thailänder brachte dies das Fass zum Überlaufen, gab es doch seit längerem Vorwürfe gegen Thaksin, seine Amtsgewalt zu missbrauchen, um sein Vermögen und das seiner Günstlinge zu mehren. Heute besteht in Thailand eine allzu enge Verbindung von staatlicher Macht und Großkapital.

Das südostasiatische Land hat in den sechs Jahrzehnten unter König Bhumibol 15 Verfassungen, 18 Staatsstreiche und 25 Regierungschefs erlebt. Jüngst wurde Thaksin Shinawatra aus dem Amt gejagt, eine Militär-Junta leitet das Land und verspricht Wahlen im Oktober 2007. Der König war der einzige Fixstern, an dem sich die Bevölkerung in turbulenten Zeiten orientieren konnte, die Verkörperung des nationalen Stolzes. Noch bestimmt das freundliche Lächeln dem Umgang der Thais untereinander und mit den Gästen. Aber der Einfall devisenstarker Westler und die unausgereifte demokratische Streitkultur werden nicht für ewig von dem Walten Bhumibols überdeckt werden können.

Das Verhalten des Kronprinzen jedenfalls gibt Anlass zur Sorge. Der 53 Jahre alte Offizier hat meistens seinen Hund „Fufu“ dabei, der im Dienstrang eines Hauptmanns steht und bei wichtigen Anlässen in Galauniform und Lackstiefelchen auftritt.

 

 

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Elektronische Kultur Mixed

Glasfasernetz bricht alle Rekorde

Computerwoche, 01.09.2006

Glasfasernetz bricht alle Rekorde

Vor kurzem hat das „Win-X“, die vierte Generation des Deutschen Forschungsnetzes, den Dienst aufgenommen. Reine Glasfaserkabel erlauben Datenraten im Terabit-Bereich.

Beim Deutschen Forschungsnetz (DFN) handelt es sich um eines der leistungsfähigsten Datenkommunikationsnetze weltweit – mit entsprechend komplexer Infrastruktur (siehe Kasten „Die vierte Generation des DFN“). Die Datenmengen, die von den verschiedenen Universitäten und Institutionen untereinander ausgetauscht werden, sind enorm. Der Versand über das Internet wäre fehleranfällig, zudem würde er hohe Investitionen in Router-Techniken verursachen.

Hochleistungsrechner koppeln

Das mittlerweile in vierter Generation unter dem Namen „X-Win“ existierende DFN ist – wie auch der europäische Bruder „Géant2“ – als hybrides Netz aufgebaut: Es unterstützt sowohl den IP-Verkehr als auch geschaltete Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Typische Anwendungen für Letztere sind die Datenverteilungen von Teilchenbeschleunigern, die Kopplung von Hochleistungsrechnern oder die Auswertung von Daten aus Sternwarten.

xwin topologie

Diese Verbindungen durchziehen wie Tunnel das Netz und verbinden die Wissenschaftsstandorte direkt, ohne dass die übertragenden Daten für den Internet-Verkehr sichtbar sind. Davon verspricht sich die Forschergemeinde nicht nur Unabhängigkeit von den großen Routern, sondern – dank der strukturell einfachen Verkehrsbeziehungen – auch besser planbare Datenströme.

Das LHC-Experiment des Cern

Dazu ein Beispiel: Das Forschungszentrum Karlsruhe wird ab 2008 am LHC-Experiment (Large Hadron Collider) des Cern in Genf beteiligt. Der unterirdische Teilchenbeschleuniger generiert dann Datenströme von einer Million Gbyte/s (1 Petabyte). Pro Jahr wird der 26,7 Kilometer lange Ring Experimentaldaten in der Größenordnung von drei Millionen DVDs ausspucken.

Für die Auswertung wird in Karlsruhe ein PC-Cluster mit mindestens 4500 Prozessoren neuester Technik installiert. Sie sollen eine Rechenleistung erbringen, die der von 22000 Pentium-III-Prozessoren (mit einem Gigahertz) entspricht. Dieses „Gridka“ wird 1500 Terabyte an Daten auf Festplatten und rund 3800 Terabyte auf Bändern speichern. Die Rechnerschränke und damit das gesamte PC-Cluster werden vollständig mit Wasser gekühlt.

Weltweit arbeiten 5000 Wissenschaftler aus 50 Nationen an dem Experiment. Große Projekte dieser Art sind nach Ansicht der Forschergemeinde nur noch in technisch enger internationaler Kooperation zu leisten. Ein schnelles und stets verfügbares Kommunikationsnetz ist dafür unabdingbar.

Das X-Win besteht im Kern aus drei untereinander verknüpften Ringstrukturen – im Norden, der Mitte und dem Süden der Republik. Um einen möglichst umfassenden Zugriff auf die Physik der Leitungen zu haben, hat der DFN-Verein hauptsächlich „Dark Fiber“ angemietet, also die pure Glasfaser. Nur wenn das nicht möglich war, griff er auf angemietete Wellenlängen zurück. Die Trassen (siehe Abbildung) sind so vermascht, dass in jedem Fall mindestens zwei unabhängige Wegführungen existieren.

Die nötigen Glaserfaserstrecken hat das DFN mit Zehnjahresverträgen beim holländischen Telekommunikationskonzern KPN und bei der deutschen Gasline angemietet, einem Spinoff diverser Energieversorger. KPN hat 2200 Kilometer Dark Fiber für den DFN-Verein bereitgestellt; insgesamt besitzt der Provider in Europa Glaserfaserringe mit insgesamt 25000 Kilometern Länge. Das Lichtwellenleiternetz der Gasline ist in Deutschland mehr als 7800 Kilometer lang. Sein Vorteil: Die meisten Trassen des X-Win befinden sich – bis auf die „Last Miles“ zu den Forschungsgebäuden – entlang der physikalisch gut geschützten Gas-Pipelines; zudem übernimmt Gasline die Wartung der Leitungen.

Siebenmal dünner als ein Haar

In einem normalen Glasfaserkabel stehen 144 Fasern zur Verfügung. Um sie optimal zu nutzen, kommen „Wavelength-Division-Mulitplexer“ (WDM) zum Einsatz. Dabei werden bis zu 16 Wellenlängen mit maximal 10 Gbit/s auf eine einzelne Faser gelegt. An der Quelle wandelt der WDM die elektrischen Signale aus dem Ethernet per Laser in optische Signale um.

Diese Lichtwellen unterschiedlicher Länge laufen durch die Glasfaser, die siebenmal dünner als ein menschliches Haar ist, ohne sich gegenseitig zu stören. Auf diese Weise stehen mehrere, voneinander unabhängige Übertragungswege zur Verfügung. Am Empfangsort bereitet ein WDM aus den Wellen wieder elektrische Signale. Der Auftrag zur Überwachung des Gesamtnetzes ging an ein Konsortium, das von den Anbietern Colt und Dimension Data gebildet wird. An 35 Kernnetzstandorten des X-Win kommen (Dense-)WDMs von Huawei („Optix BWS 1600g“) zum Einsatz, die bis zu 160 Wellenlängen mit 16 Gbit/s unterstützen. Geräte dieser Baureihe speisen beispielsweise auch das atlantische Unterseekabel zwischen Halifax (Kanada) und Dublin (Irland).

Als Vermittlungseinheiten dienen an zentralen Stellen Cisco-Router vom Typ „CRS-1“ der neuesten Bauart. Das Forschungsnetz ist also kein billiges Vergnügen: Die Router hatten bei ihrer Vorstellung im vergangenen Jahr einen Orientierungspreis von rund 450000 Dollar pro Stück. An weiteren acht Orten sind Cisco-Router der Baureihe 7609 in das X-Win eingebunden.

Insgesamt sind an den über 500 Standorten in Deutschland Anschlusskapazitäten von bis zu 10 Gigabit/s möglich. 46 Standorte sind derzeit an das „Kernnetz“ angeschlossen, wo sich bei Bedarf die Kapazität in den Terabit-Bereich erweitern lässt. Von diesen Institutionen sind 38 mit 5500 Kilometer Dark Fiber verbunden.

Dieses Vorgehen hat seine Vorteile bereits ausspielen können: Mehrere Universitäten ermöglichen sich heute ein gegenseitiges Backup wichtiger Daten. Die Anschaffung und Wartung physisch getrennter und zudem feuergeschützter Speichermedien und -geräte entfällt.

Das X-Win ist kein geschlossenes Netz, Übergänge in das Internet sind über mehrere Gateways sichergestellt. Unter anderem ist das Netz an den größten deutschen Austauschknoten ins Internet, den Decix in Frankfurt am Main, angeschlossen. Gleich vier Gateways existieren zu T-Interconnect, weitere 16 zu anderen Internet-Ser- vice-Providern.

Stark ausgelastete X-Win-Standorte wie Karlsruhe sind mit 30 Gbit/s an die Nachbarstandorte angeschlossen. Kapazitäten von 32 mal 10 Gbit/s auf einer Faser werden derzeit auf Internet-Hochverkehrsstrecken wie Düsseldorf-Frankfurt am Main geführt, über die das Rhein-Ruhr-Gebiet mit dem Frankfurter Raum verbunden ist. Leitungskapazitäten von 80 Gbit/s bündeln sich an zentralen Schaltstellen wie dem Kernnetzstandort Frankfurt; hier kreuzt sich die Strecke zwischen Aachen und Erlangen mit der zwischen Karlsruhe und Hannover.

2,9 Petabyte pro Monat

Im monatlichen Mittel senden die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die über das X-Win miteinander vernetzt sind, fast 9 Gbit/s in das Netz, und sie empfangen annähernd dieselbe Datenmenge, so dass sich das Datenaufkommen pro Monat auf 2,8 Petabyte summiert. Damit entspricht der Datenverkehr in das X-Win hinein und wieder hinaus einem Fünftel des Verkehrs, der am DeCIX, dem „Herz des deutschen Internets“, fließt.

 


 

Die vierte Generation des DFN

Das Deutsche Forschungsnetz (DFN) ist ein von der Wissenschaft selbst verwaltetes Hochgeschwindigkeitsnetz, das Hochschulen und Forschungseinrichtungen untereinander und mit dem europäischen Ausland verbindet. Seit kurzem ist mit X-Win die vierte Generation in Betrieb. Alle wichtigen Forschungsinstitutionen sind Mitglieder im DFN-Verein: Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft, das Berliner Zuse-Institut, Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft. Auch private Unternehmen wie die Schering AG, T-Systems und Hewlett-Packard setzen auf das X-Win. Insgesamt nutzen 2,5 Millionen User dieses deutsche Highspeed-Netz.

 

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Psychoaktive Substanzen

Interview mit dem visionären Künstler Fred Weidmann

Hanfblatt, Nr. 103, September 2006

Kunst war mir immer suspekt

Ein Interview mit dem visionären Künstler Fred Weidmann

Der Künstler Fred Weidmann ist an psychedelischer Kunst Interessierten ein Begriff durch seine faszinierenden Porträts psychoaktiver Pilze und inspirierende Hanfdarstellungen, wie sie z.B. der NachtschattenVerlag publiziert hat. Jüngst konnte man fantastische Bilder von ihm im Original und mitsamt anwesendem Schöpfer auf dem mittlerweile schon legendären „Spirit of Basel“-Symposium anlässlich des 100sten Geburtstages von LSD-Entdecker Albert Hofmann bewundern. Fred Weidmann hat aber noch weitaus mehr geschaffen und zu vermitteln. Grund genug, ihm Aufmerksamkeit zu schenken.

az: Du bezeichnest Deine Kunst als visionär. Das lässt sich aus dem Bauch heraus nachvollziehen, aber was verstehst Du selbst unter visionärer Kunst?

Fred Weidmann: Man findet Meinesgleichen am ehesten unter dieser Rubrik: Visionäre Kunst. Vielleicht ist das gut so. Mir wäre „Bewusstseinskunst“ lieber. Über die Jahre habe ich erlebt, dass alle vernünftigen Namen (auch „Visionary Art“) von gierigen Grüppchen für sich belegt worden sind. Wenn ich also antworten soll, was ich unter visionärer Kunst verstehe, dann müssen wir erst über „die Kunst an Visionen zu gelangen“ reden. Ich glaube grundlegend für visionäre Kunst ist: Man berichtet von Visionen. Der Künstler legt oder setzt sich hin und wartet auf Visionen, die er sich merkt, falls sie kommen. Er skizziert oder malt sie, weil es ihn treibt, davon zu berichten. Und er kann das, weil er eine Vision, ein inneres Gesicht, hatte oder gerade hat. Manche berichten live vom Land des inneren Lichts. Eigentlich sind nur das die echten visionären Künstler. Der echte Visionär schwebt an der Grenze zu anderen Bewusstseinszuständen, Träumen oder Halluzinationen. Dabei versucht er sein Beobachter-Bewusstsein wach zu halten, um noch Skizzen oder Notizen machen zu können. Der Visionär ist nicht einfach besoffen oder weggetreten. Er erfindet auch nicht voller Raffinesse die Zukunft, sondern er ist besonders wach im Jetzt und Hier. Bei den weniger Echten, scheinen die Visionen sich nicht einstellen zu wollen, so dass sie auf dem Weg dorthin alles Mögliche erdenken und erkünsteln. Auch das können nette Menschen sein, aber sie entlehnen gerne Dinge, benutzen abgegriffene Symbole und hängen in Trends, weil nichts Eigenes, Jetziges von Innen an ihren Schädel pocht. Ich weiss, ich verwende das Wort visionär sehr eng, weil ich mich über den inflationären Missbrauch des Wortes in Wirtschaft und Politik ärgere. Man muss ja nicht diesen mühsamen Weg der Bewusstseinsarbeit gehen. Man kann ja auch andere Motivationen für sein bildendes Tun finden.

az: Wie würdest Du diese Richtung gegenüber psychedelischer und fantastischer Kunst abgrenzen?

FW: Ich finde, alle Kunst, die diesen Namen zu Recht trägt, sollte psychedelische Kunst sein. Sie sollte die Seele ansprechen oder von besonderen seelischen Zuständen berichten. Der Begriff ist aber heimtückisch. Wenn einer von deiner Kunst sagt, sie sei psychedelisch, dann meint er, dass du Drogen nimmst. Der Name bezieht sich mehr auf den Weg der Ideenfindung hinter den psychedelischen Werken. Man unterstellt dir, du seist mit deinem Werk gedoped ins Ziel gegangen. Das ist wieder die Sache mit der Zuschreibung: Gibt es nüchterne Kunst? Ich glaube nicht, weil Kunst und Nüchternheit sich ausschließen. Die Anderen, die uns Bewusstseinsarbeiter anfeinden, sind meist dem Alk zugeneigt. Ein echtes psychedelisches Werk aber ist visionär, fantastisch, ehrlich, spontan, erleuchtet, ungekünstelt und einmalig, nicht wiederholbar. Ich selber bin nicht immer psychedelisch, also nicht visionär, erleuchtet, und nicht auf Drogen. Meistens arbeite ich wie ein Illustrator, setze Ideen illustrierend um. Dann wieder bin ich einfach der brave Protokollant eines Augenblicks in der realen Aussenwelt und versuche diese mit Respekt wiederzugeben. Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer ein Tagebuch zum Aquarellieren dabei. Manche Experten meinen, Hanf – in Maßen verabreicht – sei dieser Art der Hinwendung zuträglich. Sorgfalt bei der Beobachtung hilft auf jeden Fall. Fantastische Kunst muss nicht visionär im engen Sinne sein.

az: Wer sind Deine wichtigsten künstlerischen Vorbilder und warum?

FW: Ich fühle mich der deutschen Romantik (Philipp Otto Runge) und einigen Ansätzen im 20sten Jahrhundert verpflichtet. M.C. Escher könnte in 100 Jahren noch relevant sein, vielleicht der einzige Nüchterne der Kunstgeschichte. Escher hat praktisch für alle regelmäßigen Flächenfüllungen Sinn-gebende Lösungen gefunden. Das klingt nicht weiter berauschend, ist aber für den, der im Tun etwas wie er finden will, ein Weg zur Erleuchtung. Beim Ornamentieren beschäftigt sich das Gehirn erst mal nur mit Kanten von Vielecken, mit geraden, krummen und gebrochenen Linien, spiegeln, drehen, verschieben.
Dabei geschieht das Figuren finden fast automatisch, weil die Gesetze der Pflasterung selbsttätig wirken. Dein Gehirn ist beurlaubt.
Ohne die Surrealisten wäre meine Arbeit nicht denkbar. Aber es ist eher die Reibung mit den Bekenntnissen hinter dieser Kunstrichtung, die mich zu Surrealismus-Anspielungen angetrieben hat. Noch immer geistert der ungelesene Freud durch jene Reihen. Noch immer bilden Surrealisten exklusive Gralshütervereinchen.
Vorbilder darf man in der Jugend haben. Später hat man genug zu tun, um bis an seine individuellen Grenzen zu gelangen. Da ist man zwangsläufig einsam. Besser als andere Künstler im Auge zu haben, ist es, ab und zu ein Buch zu lesen. Ich darf das vielleicht an einem Beispiel illustrieren: Seit alters her gibt es die Weisheit, dass die Welt im Großen sei wie im Kleinen. 1980 kam Mandelbrots erste Publikation über den fraktalen Aufbau der Welt. Es war die Geburt einer neuen Mathematik, und sie erzeugte ganz wie die Ornamentik automatisch die wunderbarsten Pflasterungen, Seepferdchenalleen etc.. Manch ein Künstler riss die Gelegenheit an sich und gebrauchte die neue Ästhetik. Solche Leute können nicht Vorbild sein. Vorbild ist der Gedanke, dass in der Natur Fraktales geschieht, dass ein Apfel näher an der Dreidimensionalität liege, als die Blattrosette eines Löwenzahns. Auch ist die Anwendung Fraktale schreibender Programme noch keine Kunst, das Programm schreiben dagegen schon eher.
Natürlich gibt es Einflüsse von bildenden Künstlern, aber die kommen von vielen Seiten. So verdanke ich einem zu früh verstorbenen Wiener Maler, Richard Matuschek, die Geheimnisse der Abklatschtechnik. Auch kann ich mich begeistern, wenn Renaissance Künstler mit Weiß auf getöntem Grund gezeichnet haben. Die haben auf dem Papier nach dem Licht getastet. Das ist ganz etwas Anderes als eine Bleistift- oder Tusche-Zeichnung, die die Schatten einzufangen versucht. Oder, wenn Tiepolo Schatten mit der Komplementärfarbe zum Licht malt, und nicht einfach mit Dunkel, dann lass ich mir das nicht entgehen. Aber mir ist wohler, wenn die Erleuchtung aus meiner Situation gedeiht, nicht aus Vorbildern.

fredweidemann

az: Unter Pilzfreunden hast Du Dir zweifellos durch deine faszinierenden Porträts einer Serie verschiedener „Magic Mushrooms“ (im Jahr 2000 als Kalender, sowie als Postkarten im Nachtschatten-Verlag erschienen) einen Namen gemacht. Zwölf Pilzarten haben ihre individuelle einzigartige Darstellung erhalten. Woher hast Du die Inspiration zu diesen Werken bezogen und wie bist Du technisch an die Sache herangegangen?

FW: Ich erzähl Dir jetzt aus dem Herzen von Bayern die Wahrheit, die volle Wahrheit: …but I didn’t inhale! Es gibt Mykologen in Universitätskreisen, die von Berufswegen die Genießbarkeit und die chemische Beschaffenheit von Pilzen erkunden müssen. In diesem Fall hatte ich wunderbare Unterstützung von den kompetenten Fachleuten Dr. Jochen Gartz und Dr. Christian Rätsch. Ich habe deren differenziertes Wissen und ihr Fotomaterial eingebaut. Man hört, dass die Gewichtung der Wirkstoffe bei den verschiedenen Arten von Schleimlingen unterschiedlich sei, das aber sei nicht so wichtig wie der Standort und der Stand deiner Herzensdinge. Jedenfalls als wir den Kalender planten, gab es bereits ein paar Bilder, die so sehr zum Thema passten, dass wir nur noch ein Pilzfoto hineinpappen mussten, um die Wissenschaftlichkeit zu signalisieren. Um zwölf verschiedene Pilze zu behandeln, mussten auch Exoten herhalten, die kein Mensch kennt – ich auch nicht. Da weiss ich gar nicht mehr, wie der göttliche Funke zu mir übersprang. So ist die Mayastele (Psilocybe cubensis) aus dem Bedürfnis entstanden, die grausige, blutige historische Wahrheit der Mayakultur zu verfälschen. Wenn das Werk von einem Anderen wäre, würde ich sagen, der hatte was geraucht.

az: Welche Bedeutung haben Psychedelika für Deine künstlerische Entwicklung gehabt?

FW: Im Jahre 1968 bin ich gerade 30 geworden – das richtige Alter, um einem strebsamen Bildungsbürger den mehrdimensionalen Spiegel in die Hand zu geben. Ich arbeitete damals als Soziologe in einem Projekt der Harvard- Universität, wo Timothy Leary und die Anderen, die man kennt, so vehement Interesse für Selbsterfahrung weckten. Hanf konnte damals noch Visionen auslösen. LSD kam über Umwege von Sandoz. In meinen Kreisen war das Erkenntnisinteresse sehr groß, gaben wir doch vor, etwas von Kommunikation zu verstehen. In den 70ern gab es Menschen, die glaubten an der Realität der realen Welt zweifeln zu müssen. Man durfte an Allem zweifeln, am Ende blieben da nur die eigenen Visionen, für die man das uneingeschränkte Copyright hatte. Kunst war mir immer suspekt, Berichterstattung aus meinem wie auch immer unfertigen Kosmos war jedoch sehr mein Ding. Wie ich dann vom Verkaufen der inneren Wahrheiten zu leben lernen musste, wurde mir klar, dass das in Galerien und mit Einrahmungen zu geschehen hatte. Also ward ich Künstler. Eigentlich bin ich noch immer kein Künstler, sondern noch immer ein Forschender. Das Attribut Künstler kriegt man zugeschrieben. Wenn’s denn stimmt, ist das hoffentlich eine Ehre.

az: Deine Kunst wirkt in der Art der Darstellung, wie in ihren Motiven oft ziemlich erotisch. Man könnte im Künstler geradezu einen Erotomanen wittern. Sind Erotik und Kunst gar letztlich nicht voneinander zu trennen?

FW: In meinem Rechner ist immer eine Rubrik „Erotomanes“. Da tu ich die Arbeiten hin, von denen ich denke, dass sie nicht in Dubai ausgestellt werden können. Ein Leben voller Erotik ist ein schönes Leben – ich steh auf Schmusesex und monogames Vertrauen. Man kann da Erlebnistiefe erreichen, von der man gerne singen würde. Da man aber nicht mit Pinseln und giftigen Farben hantieren und gleichzeitig Sex betreiben kann, kommt immer auch ein Hauch von Sehnsucht nach Erotik ins Werk. Du hast schon Recht mit deiner Frage; Malerei hat etwas von Erotik. Als früh pubertierender Junge malte ich heimlich geile Szenen – anstatt. Und noch immer befällt mich jenes prickelnde Glück wenn ich Themen der Liebe anfasse. Ölfarbe hatte den Vorteil, dass sie sofort verwischt werden konnte, wenn Mutter ins Zimmer kam. Profan aber wahr.

az: Du hast Anfang der Siebziger Jahre den Doktor der Soziologie gemacht und Dich als Kommunikationswissenschaftler mit Missverständnisforschung beschäftigt. Hast Du eine Idee, wie man es als Künstler vermeiden kann, dass man missverstanden wird?

FW: Ja, das ist ganz einfach: Man erwartet nicht, dass man verstanden wird. Hundert Prozent Missverständnis garantiert. In der Tat war das einer der schwierigsten Schritte auf dem Weg der Befreiung. Man hofft immer verstanden zu werden. Jeder von uns versteht ja irgendwie die innere Konsequenz seines Wortens und Tuns und denkt, man könne Solches auch von der Aussenwelt erwarten. So funktioniert das aber nicht. Alltagskommunikation geht ganz anders: Man redet so lange aneinander vorbei, bis genügend Worte aus dem gemeinsamen Wortschatz gefallen sind. Dann kann man aufhören, weil man annimmt, das Gegenüber würde diese ebenso entziffern wie man selbst. Schließlich leitet man daraus ab, es habe Verständigung stattgefunden. Ich schwimme in diesem Ozean von Missverständnissen, Desinformation und Trugschlüssen so einigermassen wohlig. Das geht natürlich nur, wenn man an etwas Wesentlicheres glaubt. Wir kommunizierenden Menschen messen nämlich das nicht Perfekte am Idealen. Wir haben einen Hintergrund, wo wir uns keine Fehler erlauben können, wo wir alle eins sind und totales Verständnis Voraussetzung ist. Vor diesem unfehlbaren Lebensstrom können wir uns den Luxus vordergründiger Missverständnisse leisten. Das ist die Art von Pfauenschwanz oder Hirschgeweih, die uns die Evolution auferlegt hat. Meine Bewusstseinsmalerei will gar nicht zu etablierten Inhalten führen, sie zeigt einen Schritt ins Lockerlassen. Meine Suggestionen sollen nur gespürt werden, ohne dass da jemandem ein Verständnis diktiert wird.

az: Eines Deiner Werke hast Du „Evolution ohne Ziel“ genannt. Ein tolles Bild und ein interessanter Gedanke. Lauert da etwa eine Philosophie absoluter Freiheit um die Ecke?

FW: Das ist schon so. Das Konzert der Evolution ist chaotisch, lässt also keine Voraussage zu. Leider sind wir nicht absolut frei. Aber das ist eine andere Geschichte.

az: Gibt es etwas, was Du in Zukunft noch unbedingt gerne ausdrücken oder womit Du dich gerne noch beschäftigen würdest?

FW: Ja. Jetzt mit 68 Jahren ist es mein sehnlichster Wunsch, wie Albert Hofmann, 100 Jahre zu leben. So lange hätte ich gerne, um ein Spätwerk zu schaffen, weise zu werden. Da sind so viele ungemalte Bilder, so viele Herzensdinge, die ich noch nicht ausgedrückt habe. Aber als Erstes ist ein Werkkatalog in Sicht, der zu meinem 70sten Geburtstag erscheinen soll. Bis es soweit ist, wird meine Homepage die lieben Interessierten auf dem Laufenden halten. Und sollte jemand die eierlegende Wollmilchsau, die der Gravitation trotzt, erfinden, dann wird das meine Pläne ändern.

 


 

Homepage: www.fredweidmann.com

Publikationen:

– Frühe wissenschaftlichen Arbeiten, wie „Grundlagen einer Kommunikationssoziologie“ und Verwandtes (bis 1972, mit späteren Auflagen), gelegentlich antiquarisch erhältlich.
– Ein Bildband „Fred Weidmann“ (1984, Bonn, Troja Verlag), einige Exemplare noch beim Autoren.
– In „Die berauschte Schweiz“ (1998, Nachtschattenverlag, CH-Solothurn)
– Kalender „Magic Mushrooms 2000“ (Nachtschattenverlag), für Sammler haben Verlag und Autor noch einige Exemplare.