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Kiffer Typen: Der Paranoiker

Kiffer-Typen VII

Der Paranoiker

Vor Jahren hat er eine Ausbildung zum Grossstadt-Guerillo bei einer israelischen Kiffer-Elite-Einheit genossen, seither nutzt er geschickt jede Deckung beim Gang zum örtlichen Dealer. Keine Garageneinfahrt, keine Buchsbaum-Hecke bleibt ungenutzt, bevor er über den Balkon bei seiner Hasch-Connection auftaucht. Dieser kennt das tagtägliche Theater schon und hat auf Wunsch seines Freundes die Zimmer abgedunkelt. Keine Frage, bei diesem Kiffer Typen haben wir es mit einem sehr speziellen Menschen zu tun: Er ist ein Paranoiker.

Vieles spricht dafür, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, wenn man als passionierter Kiffer durch die Welt rennt. Spiessbürger und andere Feinde der rauschhaften Sinnesfreuden haben oft nix besseres zu tun, als anderen das Leben schwer zu machen. Aber wie so oft bestimmt die Dosis das Gift und unser Freund hat einen etwas zu kräftigen Schluck aus der Schizo-Pulle genommen – und so wurde aus Vorsicht plötzlich Angst. Dabei fing alles ganz harmlos an: Um Häschern zu entgehen, parkte er sein Auto immer zwei Strassen von seinem Dealer entfernt. Irgendwann reichte ihm das aber nicht mehr und er kam mit der Bahn. Bald vermutete er aber, dass die Polizei aus seinen Bahnfahrkarten ein Bewegungsprofil zeichnen konnte und er fuhr die Strecke mit dem Fahrrad. Irgendwann verdächtigte er seinen Fahrradhändler aber gemeinsame Sache mit den Ordnungshütern zu machen, indem dieser anhand des Hundekots im Reifenprofil ermittelte, in welchen Stadtteil er sich aufgehalten hatte.

Die dunklen Wolken des inneren Kesseltreibens schoben sich zunehmend vor das sonnige Gemüt. Zu diesem Zeitpunkt war ihm schon sonnenklar, dass die gesamte Staatsmacht der Bundesrepublik alles tut, um seiner habhaft zu werden. Und so zurrten sich die seinen Geist einengenden Schnüre immer fester. Um vor schnüffelnden Nachbarn sicher zu sein, installierte er eines Tages eine Filteranlage in jedem Raum, obwohl er maximal zwei Gramm Dope im Haus hortete und das Hasch ohnehin nur oral konsumierte. Modem und PC stöpselte er ab, um nicht über das Internet ausgehorcht zu werden. Am Telefon durfte nicht mal mehr von Alkohol gesprochen werden. Aus Tarnungsgründen trat er der Heilsarmee und dem Guttempler-Orden bei. Der Gipfel war schließlich erreicht, als er im Freien nicht mehr den Mund aufmachte, weil Satelliten ihn anhand seiner Zahnplomben orten könnten.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma schien es nicht zu geben, denn alles passte zusammen: Tuschelnde Nachbarn, verirrte Telefonanrufer, ominöse Berichte im Fernsehen, magische Zahlen auf Nummernschildern. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zu den gängigen Verschwörungstheorien: Neben Polizei und BND hatten mittlerweile auch die Illuminaten ein Auge auf ihn geworfen und die Scientologen versuchten ihn mittels riesiger Orgon-Strahlern zu manipulieren.

Hätte unser Freund sich die Mühe gemacht, mal einen Schulpsychologen zu fragen, hätte dieser ihm vielleicht erzählt, dass dies die handfesten Anzeichen einer Verfolgungs-Paranoia sind: Ein System von Wahnvorstellungen. Hätte er sogar seinen dealenden Freund gefragt, hätte dieser ihm vielleicht dazu geraten, an einer etwas positiveren Konstruktion der Wirklichkeit zu basteln.

Ein interessante Frage ist natürlich, ob sein Verfolgungswahn durch den Genuss von Cannabis noch gesteigert oder eher gemildert wurde. Beides stimmt: Der Joint am Abend gab ihm nach einem gehetzten Tag endlich ein Stück innerer Ruhe und plötzlich waren auch die Stimmen nicht mehr da. Gleichwohl sah er sich ausserstande in größerer Runde einen durchzuziehen, weil darunter ein Verräter sein konnte. Dass die Frucht seines Geschmacks zudem verboten ist, schürt natürlich das Feuer der Angst. Letztlich steht der Paranoiker für eine ganze Reihe von Kiffern, die nicht nur inneren Zwängen unterlegen sind. In einer sozialen Umwelt, welche in die Vergangenheit mit Schuld und in die Zukunft mit Angst schaut und welche gerne im Ungewöhnlichem das Abnorme festmacht, lässt sich nicht immer einfach leben. Gerade deswegen heisst es die Selbstverantwortung ständig zu trainieren. Und darum liegt auch die Entscheidung, ob das Rauchen des Hanfs hilfreich oder hinderlich bei einer glücklichen Lebensführung ist, ganz bei ihm. Amen.

 

 

 

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Kiffer Typen: Der Esoteriker

Kiffer-Typen VI

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Esoteriker

Langsam schwebt er in den Raum und seine Aura hat er auch mitgebracht. Davon ist sein Körper umhüllt wie ein Wattebausch und sie signalisiert die Offenheit für alles, was dem Rationalisten den Kamm schwellen lässt. Der schräge Mitbewohner aus seiner WG gab ihm jüngst den Tip, in jeden gesprochenen Satz ein Wort mit „F“ einzubauen – so würde das Gleichgewicht im körpereigenen Alphabet wiederhergestellt werden. Und unser Freund richtet sich tatsächlich danach, denn irgendeine der gerauchten Papiertütchen mit Kräutermischung hat ihn auf den Trip seines Lebens geschickt: Er ist ein kiffender Esoteriker.

Zunächst wunderten sich seine Eltern darüber, dass das Kiefernholzsofa aus dem Kinderzimmer flog und nur noch auf Matratzen und Sitzkissen gesessen werden konnte. Als dann Duftlampen, indische Tücher und Salzkristalllampen Einzug hielten, ahnten sie, dass in ihrem Sohnemann tiefgreifende Veränderungen vorgehen, die sich auch in der Kuschelecke niederschlagen. Das wahre Ausmass der bürgerliche Katastrophe wurde ihnen aber erst klar, als neben den „Fünf Freunde“ Büchern von Enid Blyton plötzlich Werke mit seltsamen Titeln wie „Die Prophezeiungen von Celestine“, „Reiki für Anfänger“ oder „Heilen mit Steinen“ standen. Da aber sass unser Freund schon lange im grossen Fahrzeug mit Namen „Selbstfindung“.

Das dieser Mensch kifft, kann ihm gar nicht hoch genug angerechnet werden, denn die meisten Esoteriker wollen mit „Drogen“ nix am Hut haben. (Ob Angst oder Unwissenheit hier Pate steht, sei dahingestellt.) Oder sie gehören zu der noch schwerer zu ertragenen Sorte derjenigen, die früher Cannabis genossen haben, dann aber mit ihrem Konsummuster (zu viel oder nie wirklich was gemerkt) scheiterten und heute unter dem Deckmantel des „High ohne Drogen“ das hohe Lied der Abstinenz trällern. Dabei würde Poona ohne Charras gar nicht existieren.

Unser Freund raucht den Hanf als warmherzigen Begleiter in Richtung Nirwana, Paradies, kosmischen Ganzen oder wie auch immer sonst man das Unaussprechliche nennen mag. Er ist so frei, sich dabei nicht auf die kleinen THC-Moleküle allein zu verlassen, was seine Beständigkeit im Hier und Jetzt angeht. Aber trotzdem schlendert er mit einem milden Lächeln durch den Eso-Shop um die Ecke, ganz nach dem Motto: „Ich sehe was, was ihr nicht seht.“

Dennoch kann es passieren, dass auch er vor den Werken von Wilhelm Reich stehen bleibt um die allgegenwärtige Kraft des „Orgon“ -die Reichsche Variante der Lebensenergie (indisch „Prana“)- zu spüren. Oder er landet in einem Seminar mit dem Namen „Mit Klangschalen Haustiere von Flöhen befreien“. Dabei trägt er „Bioergothermische Schuheinlagen“ und hat sein eigenes vitalisiertes und energetisiertes Wasser im Jute-Rucksack mitgebracht. Sein Streben zu tieferen, inneren Wahrheiten nimmt zum Teil so groteske Züge an, dass er bei der wöchentlichen Aura-Soma Behandlung aus heiterem Himmel einen Urschrei loslässt, dagegen bei der Urschreitherapie alle Balance-Öle auf sein erigiertes Glied schüttet, sich wild auf die Leiterin der Session wirft und sie in die biegsamste Stellung des Tantra zerrt. Diese hält das („Gott sei Dank“) für die Früchte ihrer Arbeit und so kommt unser Freund mal wieder zum Poppen. Om.

Aber wie kommt jemand überhaupt auf den Trichter Gnome unter Steinen zu suchen, Wünschelruten zu basteln, literweise angegammelten Pu-Erh-Tee in sich reinzuschütten oder überall Mysterien zu sehen? „Komplexitätsreduktion“, schreit hier der Systemanalytiker, „verirrte Sinnsuche“, der schäfchenlose Pastor, „zu wenig körperliche Arbeit“, der Sozialdarwinist. Auf unseren esoterischen Freund trifft alles von dem Gesagten zu, er ist die Fleisch gewordene Verwirrung des Fin de siecle.

Vor lauter Apfelessig und Schamanenkursen hat er noch gar nicht bemerkt, dass er Opfer einer Konsumgeilheit ist, die von der wuchernden Esoterikbranche bedient wird. Das Fatale daran ist, dass vieles von dem Spuk tatsächlich funktioniert, nur kann unser Freund sich halt nicht entscheiden. Nur abends, wenn er mit Sportzigarette vor der Glotze hängt und wie in alten Zeiten Fussball guckt, fühlt er sich mit sich selbst und der Umwelt im Reinen.

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Kiffer Typen: Der Experte

Kiffer-Typen V

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Experte

Während die andere Kinder auf dem Bolzplatz rumrannten, saß er über seinem Mikroskop und drang in den Mikrokosmos ein. Er hatte die Schularbeiten immer gemacht und war im Sport die Null. Sein Weg schien vorgezeichnet: Mit Glück würde er an der Universität als Dozent landen, mit Pech als höherer Beamter im Katasteramt. Doch es kam anders, denn irgendwann zog er vorsichtig an einer Pfeife, inhalierte, zog noch mal und viel grinsend nach Hinten. In diesem Moment war klar, dass sein zukünftiges Leben anders laufen würde, als Mami und Papi sich das vorgestellt hatten. Er konnte selbst nicht genau beschreiben, was mit ihm geschah, aber es war etwas Großes, Wichtiges. Fest stand: Ab nun würde er sein Leben in den Dienst der Wissenschaft um das Kraut stellen, welches ihm die erste gute Abfahrt jenseits von Muttis Kartoffelpüree und Vatis Modellbausatz beschert hatte. Er wurde zum Kiff-Experten.

Schnell stellte er fest, dass die meisten seiner Freunde vom Fahrzeug ihres Rausches keinen blassen Schimmer hatten. Kein Wunder, waren sie doch die indoktrinierten Kinder der Anti-Genuss-Propaganda, dem „Keine Macht den Drogen“ Schwachsinn. Drum wühlte er sich durch aufklärende Wälzer, sprach mit Leuten und probierte vor allem die verbotenen Früchte aus. Kurzum: Er fing an, selbst zu denken. Und er sammelte Kräuter, Wurzeln, Pflanzen, auch Pillen, Pulver und Flüssigkeiten, die alle nur eine Bedingung erfüllen mussten: Sie mussten geistbewegend sein. Seine größte Liebe aber galt weiterhin dem Cannabis. Ob Haschisch in Marokko, Charras in Indien, Marihuana auf Jamaika oder Natrium-Lampen im Wandschrank. Dieser Typ wußte bald alles, kannte jeden und hatte alles schon probiert. Über ph-Wert im Anbauboden konnte er genauso schwadronieren wie über die Heilkraft der Cannabinoide, Jack Herer hatte er schon die Hand geschüttelt und Matthias Bröckers noch was ganz anderes. Urlaub gab es für ihn nicht, höchstens Bildungsreisen, und die machte er nur in Länder, wo garantiert Hanf angebaut wurde. Unterhielt man sich mit ihm, bekam er nach spätestens zwei Minuten die Kurve zum Hasch, alltägliche Themen wie Sex mit Tieren oder Platinenlayout interessierten ihn nicht. Vielleicht hätte er sogar gern mal über was anderes gesprochen, aber er lebte und dachte halt nur in substanzbezogenen Kategorien. Nachts, wenn er in seinem Schlafanzug aus Hanffasern im Bett schlummerte, träumte er von riesigen Cannabis-Kongressen mit zwei Millionen Teilnehmern. Da war der Kalte Bauer garantiert.

Aber was nützen Wissen und Erkenntnis, wenn luftleer im Raum sie schweben? Wenn ohne Bodenhaftung und Bezug zur Welt sie nur um ihrer selbst willen vermehrt? Der Mensch der studiert, dreht sich im Kreise. Weich fällt sein Bart auf dicke Bücher, die er zu lesen sich verschrieben. Ihr Betreff ist immer eines, die heil´ge Pflanze, Hanf genannt. Und so werfen wir dem Experten ein Zitat von Goethe (dem komischerweise noch kein Cannabis-Genuss nachgewiesen wurde) zu: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum.“

Aber nicht jeder Kiff-Experte fristet sein Dasein als Mauerblümchen des wissenschaftlichen Randbetriebs. Durchaus gibt es Vertreter dieser Spezies, welche nach Jahren der Forschung ihren Elfenbeinturm verlassen um Gutes zu tun. Gutes? Ja, Gutes. Denn nachdem die ständige Meditation über den Hanf den Kiff-Experten zunächst in die ausgedorrte Wüste jenseits von Gut und Böse gebeamt hatte, wurde ihm in Zeiten der Ernüchterung zunehmend klarer, dass Leben immer Handeln ist. Und in der weisen Abwägung von Gefühl und Verstand leuchtete diesem Experten schließlich ein, dass er künftig Entscheidungen treffen wird, die andere näher zu sich selbst bringen. Welch´ eine liebenswerte Konstruktion des Lebens.

In der Tat haben wir es bei dem Kiff-Experten mit einem äußerst possierlichen Humanoiden zu tun, der sein Spiel des Lebens darin sieht, Mithilfe des heiligen Krauts und anderer Mittelchen sich und seine Umwelt stetig besser zu begreifen. Dass er dabei manchmal die Scheuklappen des Fachidioten trägt, sei ihm verziehen, er ist schließlich Forscher. In seiner seltenen Idealform ist der Experte der Mensch des nächsten Jahrtausend, denn er hat die tiefsten Abgründe und höchsten Höhen geschaut und lacht erst recht.

 

 

 

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Kiffer Typen: Der Sexmuffel

Kiffer-Typen IV

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Sexmuffel

Arterhaltung steht ja bekanntlich auf der Prioritätenliste der Säugetiere ganz oben. Etwas Spaß beim Sex haben unseren nahen Verwandten aus dem Tierreich zwar, aber der Zweck steht, glaubt man den Biologen, dabei immer im Vordergrund. Das soll bei uns Humanoiden ja anders sein, wir bumsen auch zum Spaß, sagt man. Wohl evolutionär bedingt hat sich dagegen beim Freund, dessen Betrachtung uns heute Kurzweil bringt, das entscheidende Organ von der Beckenmitte immer weiter Richtung Kopf verschoben: Der kiffende Sexmuffel.

Wo früher Tutti-Frutti noch für Aufregung in der guten Stube sorgte, leiern heute unzählige Fummelfilmchen in der Röhre – kein Wunder, daß der bekiffte TV-Glotzer keine Anstrengungen unternimmt in freier Wildbahn sein Glück zu versuchen. Bevor Mann sich einen Korb holt oder gar in die Verlegenheit kommt am Morgen danach nach Worten zu suchen zu müssen, läßt er es lieber ganz bleiben. In irgendeiner der unzähligen Rauchwolken, die er gen Himmel blies, saß Eros und verschwand aus dem Leben des launigen Genossen. So wichtig sind Frauen eh nicht, denkt er sich, und die ausgewachsenen Konsequenzen einer ungezügelten Eruption würden eh nur die Bude vollkacken, zudem wäre dann die Mark nur noch fünfzig Pfennig wert. Er hat sich entschieden eher Eierkopf als lendenstarke Existenz zu sein.

Oft geht diesem Verhalten allerdings ein traumatisches Erlebnis voraus: Vor ein paar Jahren geriet unser Freund nämlich völlig stoned in die Fänge einer sexbessenen Schuhverkäuferin, die ihn -seine Breitheit schamlos ausnutzend- peitschenschwingend durch die Wohnung trieb. Kein Wunder, daß er sich seither bedeckt hält – die einzigen Weiber, die ihn noch interessieren, gedeihen bei einer zwölfstündigen Dunkelperiode am besten. Um diese Damen kümmert er sich rührend, stets besorgt um ihr Wohlergehen. Wollüstig buhlt er um ihre Zuneigung, die sich in opulenter Harzproduktion niederschlägt. Die Bilder dieser Damen schmücken sein Zimmer, über ihr Verhalten weiß er wirklich Bescheid, ihre erotischen Geheimnisse liegen wie ein offenes Buch vor ihm, nur sie will er täglich neu erobern. Und am Abend will er sich berauscht von ihnen ins Bett fallen und sich nasse Träume schenken lassen. Zweisames Kiffer-Glück.

Die Entwicklung zum Sex-Muffel geht meist mit der Mutation zum Stubenhocker einher. Dann ist die Zeit nicht mehr fern, bis er im Bahnhofskiosk zum „Playboy“ immer gleich ein Paket Tempotaschentücher kauft. Ja, ja, heikles Thema Masturbation. Grundsätzlich fördert das Kiffen nämlich nicht die Abstinenz, Lust und Leidenschaft leiden nicht unbedingt. Eher scheinen es Hemmungen oder schlicht Faulheit zu sein, die den Sex-Muffel an sich selbst genug haben lassen. Sieht er eine Frau, denkt er weniger an Fummeln als an Familie, nicht an Koitus sondern Konflikte. Ohne Verantwortung im Nacken lebt´s sich halt erheblich unbeschwerter, zudem sind die Passwörter der Porno-Seiten im Internet wirklich leicht zu knacken. Daß sich selbst strahlungsarme Monitore beim Rammeln nicht so wie die warme Haut eines fleischlichen Partners anfühlen, hat der letzte Joint aus dem Kurzzeitgedächnis verbannt.

Esoterische Variante: Die Gewißheit der eigenen Unsterblichkeit durch den Gentransport läßt den Stoffel aus seiner Kopulationlethargie erwachen und in´s Tantra-Seminar pilgern. Dort darf er unter Anleitung den Fluß von Ying und Yang neu lernen, liiert sich eher aus Vernunftsgründen mit einer Sonderschullehrerin und stopft ein paar Jahre später auf dem Öko-Wochenmarkt seinem Kind vegetarische Dinkel-Bratlinge in den Schlund.

Nun darf man aber nicht denken, daß der Sex-Muffel keine ekstatischen Erfahrungen mehr macht: Sein letztes ausgesprochen sinnliches Erlebnis hatte der Sex-Muffel beim streicheln eines überdimensionalen, leicht angewärmten Glas-Bongs, seinen letzten trockenen Orgasmus beim schnuppern an einer 500 Gramm Tüte mit NL-Haze. Er und seine Freunde sind sich einig, daß zum Sex meist Frauen gehören und die machen eh nur Ärger, heben eventuell sogar das fest Weltbild aus den Angeln. Drum sitzt beim Sex-Muffel für alle Zeiten sein bester Freund nicht mehr in der Hose, sondern in der Hosentasche. Nicht der Pimmel, sondern die Pfeife liegt im Zentrum seines Seins. Bis dann eines Tages…

 

 

 

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Kiffer Typen: Der Fressflash-Kiffer

Kiffer-Typen III

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Fressflash-Kiffer

Es ist schon faszinierend, welche Blüten der Haschischkonsum treiben kann. Dass die Sinne geschärft werden, ist ja bekannt: Eine Orange kann zu einem gänzlich neuem Geschmackserlebnis verhelfen, das gut gebackene Brot den kernigen Mann herausschälen. Nur gehärt der nette Freund von dem wir heute sprechen nicht zu dieser Art sensibler Mensch.

Die abendliche Kräuterzigarette glimmt noch, da meldet sich bei unserem Freund ein Gefühl…, nennen wir es mal Schmachter. Obwohl erst vor zwei Stunden im Imbiss den Pommes rot-weiss (Fachjargon: Bahnschranke) reichhaltig zugesprochen, verspürt er schon wieder Lust auf Bewegung der Kaumuskeln in Verbindung mit Kribbeln auf der Zunge. Es lässt sich ahnen: Die Motivation zum Essen ist bei ihm weniger durch Hunger, als durch die Lust am Schaufeln bestimmt. „Huch, der kleine Hunger!“ Mit perfiden Werbesprüchen lockt das Fernsehen Richtung Kühlschrank, der beim Fressflash-Kiffer -wenn er denn nicht mal wieder pleite ist- gut gefüllt auf das Herrchen wartet. Nichts ist so erbauend wie der Blick in dieses volle Nahrungskästchen.

Was nun folgt, ist als der Regelkreis des Lukullus bekannt. Zunächst greift unser Freund nämlich zu den Leckereien und Naschereien aus den Food-Design-Fabriken, deren Wissenschaftler komplizierte chemische Gebilde zur Geschmacksknospenschmeichelei konstruiert und in Plastik verpackt haben. In einer Welt ohne Süssholzraspeln regiert das klägliche Derivat des Süssstoffs. Ob Wackelpudding, Milchreis oder Schokokram, binnen einiger Minuten hat sich der Blutzuckerspiegel des Haschbruders vervielfacht und unser Freund liegt genüsslich schmatzend auf dem Sofa. Riegel um Riegel wird nun eingeschoben, eine endlose Zufuhr, die eigentlich nur durch die Produktionslücken der kommenden Weltrevolution gestoppt werden kann, denn ein Sättigungsgefühl stellt sich dackelgleich nicht ein. Es kommt sogar vor, dass in der Hochphase des Exzesses Bananen in NutellaglÄser getaucht werden. Aber halt, es gibt durchaus ein Ereignis, welches den Kiffer aus seiner Weltumarmungstimmung rausreissen kann. Nein, nicht die Videocassette mit dem neuesten Machwerk von Teresa Orlowski, sondern vielmehr die Gier auf deliziäse Alternativen. In dem grossen Gemansche im Rachen fehlt nämlich der Kontrast, das Prickeln. Also rafft er sich auf und schlurft wieder zum Ort seiner Träume.

Nun tritt die zweite Phase des lukullischen Kreislaufs in Kraft, in welcher die Herzhaftigkeit die entscheidende Rolle spielt. Schluss mit dem SÜsskram, nun werden Brote mit Salami geschmiert, Pfannen mit Bratkartoffeln angeworfen, Schweinehälften aus dem TiefkÜhlfach gezerrt und kurz darauf duftet es in der Küche wie in der Eckkneipe gegenüber dem Schlachthof. Von den Finger trieft das Fett, eine Zahnlücke beherbergt einen Rindsfuss, kurzum, dass grosse Fressen hat begonnen. Vegetarier greifen jetzt kurzerhand zu Tofuwürsten, um wenigstens eine Ahnung von den steinzeitlichen Urgründen der Fleischverwertung zu bekommen. Die Aufnahme von Nahrung gehärt bei allen Primaten zu den Grundfähigkeiten des Lebens. So weit, so gut, aber wer hat schon mal von einem Gorilla gehört, der soviel Beeren frass, dass er Pickel auf der Nase bekam? Wahrscheinlich sind es weniger – wie so oft angenommen – die Abstraktionsleistungen, die uns Humanoiden von den Tieren unterscheiden, als vielmehr die Angewohnheit, kindliche (Fehl-) Entwicklungen im Alter durch Kompensationstätigkeiten auszugleichen.

Aber das ist natürlich alles nur dummes Gequatsche, was hier wirklich zählt, sind die enormen Entdeckungen der Psychoanalyse. Seit Freud steht doch fest, dass die Fresssucht eine Art oraler Masturbation ist. Gerade Schnullerkinder, die zudem noch ihr ödipales Verhältnis zur Mutter nie geklärt haben, neigen danach zu den Abfahrten im Reich des Lukullus. Oder sollte sich Freud im Kokswahn geirrt haben und die Dingen liegen ganz anders? Unser Freund tritt mittlerweile in die dritte Phase des Fresszirkels ein und macht da weiter, wo er angefangen hat: Nach all der Fleischeslust lechzt er nach etwas Süssem und wenn die Schokolade nicht alle ist, frisst er noch heute. Keine Frage, mit dem Fressflash-Kiffer haben wir ein gut integriertes Mitglied der Konsumgesellschaft in unseren Reihen, dessen Bedürfnisse einfach zu befriedigen sind. Seine Religion ist fest im Glauben an den grossen Aldi verankert, die Vorratskammer ist bei ihm Quelle der Inspiration und der Ruhe, ein heiliger Schrein, dessen Pflege er sich was kostet lässt, der Gang zur KÜche, die nÄchtlichen Ausflüge zur Tankstelle sind Wallfahrten. Und der Körper muss die Suppe auslöffeln, die ihm der oral gesteuerte Kreuzritter einbrockt.

 

 

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Kiffer Typen: Der Dauerkiffer

Kiffer-Typen II

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Dauerkiffer

Schön, wenn jemand sein Dasein ganz einer Sache widmet. Die Konzentration auf eine Gewerbe, ein Handwerk oder ein Hobby treibt oft Blüten der Wissenschaftlichkeit, die auf dem Boden des bedingungslosen Engagement gut gedeihen. Der Freund von dem wir heute sprechen, ist nicht von dieser akribischen Natur beseelt. Er, der sogenannte Dauerkiffer, raucht einfach aus Prinzip und hat schon lange vergessen, warum er überhaupt in die Tiefen des Rausches hinabsteigt. Vollziehen wir doch zur Veranschaulichung den Alltag eines Dauerkiffers einmal nach.

Morgentliche Rituale führen in den Tag und was dem Einen der Kaffee ist dem Anderen das SAT1 Frühstücksfernsehen. Unser Freund steht nach dem Aufstehen vor der Entscheidung, ob er das erste Bong vor oder nach dem Frühstück durchzieht. „Guten Morgen, liebe Sonne.“ So lässt sich der Tag gut an und gleich zweierlei ist erreicht: Zum einen ist die Körper-Geist-Einheit sofort wieder auf dem gewohnten THC-Level, zum anderen kann frühestens jetzt der erste klarer Gedanke gefasst werden. Und dieser dreht sich natürlich darum, wie die alltägliche Connection organsiert wird. Der Dauerkiffer ist nämlich schon mindestens zweimal mit Dope erwischt worden und trägt seither nur kleine Mengen am Mann. Apropos Mann: Das an dieser Stelle beharrlich die maskuline Form benutzt wird, ist pure Absicht, denn keine Frau kommt auf die Idee, sich dermassen aus dem bürgerlichen Leben zu beamen. Ob in einen Job eingebunden oder als Hänger vorm Fernseher, für den Dauerkiffer geht es im Leben darum, stets Bobel auf Tasche zu haben. In der Mittagspause geht’s dann schnell auf Klo oder hinters Haus, danach schmeckt der Kantinenfrass gleich viel besser. Die Arbeitskollegen wundern sich schon seit Jahren nicht mehr über die Kaninchenaugen des Betriebsgenossen („eine langwierige Augenentzündung“), auch nicht über seine Trägheit und seine langhaarigen, bombenlegenden Freunde. Die trifft unser Freund nach Feierabend. Auch sie kiffen gerne bis zum Umfallen, Abstinentler gehören selten zum näheren Bekanntenkreis. In lockerer Runde tauscht man die neusten Nachrichten aus dem Drogensektor aus. Wer wieviel anbaut, wer mit was gegriffen wurde, wann und wo gutes Haschisch erwartet wird. Unser Freund schickt die Jungs dann früh nach Hause, damit er noch in Ruhe alleine einen durchziehen kann. Harald Schmidt wartet schon.

Aber halt, wir wollen nicht den ganzen Krug der Häme über dem Langzeitraucher auslehren. Eine seit den 70er Jahren selten gewordene Spezies ist der spirituell motivierte Dauerkiffer, der auf der Suche nach dem Sinn im Leben den Hanf als probates Reisegefährt nutzt. Dieser Typ legt die Ohren an und stürzt sich mit Liebe in die Tiefen seiner Seele und Höhen des egolosen Daseins. Hut ab, interessant wird es vor allem dann, wenn man seine hehren Beweggründe dem Psychiater erläutern darf.

Wo hört der Spass auf?, könnte man nun fragen. Leidensdruck ist nicht vorhanden und das verantwortliche Eintreten für den demokratischen Rechtsstaat ist zumindest in Ansätzen vorhanden (vor allem, wenn es um die Diskussion um Drogenfreigabe geht). Vielleicht charakterisiert ein belauschtes Gespräch zwischen dem Dauerkiffer und seinem Freund das Wesen dieses Typs am besten: „Du, ich bin unsicher, ob unser Problem auf Unwissenheit oder Gleichgültigkeit beruht?“ „Weiss ich auch nicht, ist mir aber auch egal.“ Wir wünschen diesem Zeitgenossen, der sich auf seine Art dem Leistungsdruck der Ellenbogengesellschaft verweigert, „Gute Fahrt, wo immer Du bist“.

 

 

 

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Kiffer Typen: Der Schläfer

Kiffer-Typen I

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Schläfer

Man kennt ihn, den Freund, der schon mit müden Blick und schlaffen Schultern durch den Türrahmen tritt. Am Telefon war eigentlich verabredet worden, dass man „heute Abend mal wieder richtig einen losmacht“, schwer um die Häuser zieht, am besten willenlos breit. Beim Anblick der dann aufkreuzenden Gestalt sollte man -wäre man klug- alle Pläne gleich wieder über Bord werfen, aber die Hoffnung auf angetörnten Geselligkeit macht blind für die Realität. Dabei ist schon klar, sozusagen vorprogrammiert, wie der Abend verlaufen wird. Die Sachlage wird es sich im Sessel bequem gemacht, langsam den ersten Joint einrollen und alles deutet dann auf den Kiffer-Typ hin, der uns die ruhigen Stunden im Leben beschert: Den Schläfer.

Füsse hoch, denn der Tag war lang – dieses Motto durchzieht Denken und Handeln des Schläfers selbst wenn er nicht gearbeitet hat. Ohnehin lässt sich mutmassen, dass der Kiffer-Typ des Schläfers aufgrund seiner natürlichen Veranlagung das Joch der Arbeit meidet und sich lieber dem Müssiggang hingibt. Wenn er dann zufällig mal nicht kifft, kann dieser zur Lethargie neigende Mustermann durchaus in die hohen Weihen der Kreativität aufsteigen, um in einer ruhigen, geduldigen und sorgfältig ausgeführten Aktivität aufzugehen. Dies ist aber der Ausnahmefall, denn meistens ist er bekifft und müde – so taucht er auch im erwähnten Türrahmen auf. Von anderer Art ist der Schläfer, der den Rausch zur Stressbekämpfung nutzt. Er hat tatsächlich hart geschuftet und entspannt nun beim Joint oder Pfeifchen von den Tücken des Alltags. Hier gilt die Grundregel: Je grösser der Stress, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es danach abwärts in die Tiefen des Schlafes geht. Nur der Extremtyp wacht dann Nachts noch einmal auf und schreibt seinen geschäftlichen Traum auf den Zettel.

Mit diesen Typen umzugehen ist relativ einfach, solange man sich darüber klar ist, das Regsamkeit und Unternehmungsgeist keine Rolle spielen dürfen. Oft finden ja eh Menschen unterschiedlicher Wesensarten zusammen, zwischen denen Strömungen des charakterlichen Ausgleichs fliessen; ist dies der Fall, trifft der Schläfer auf den Hyperaktiven und alles wird gut. Machen es sich allerdings gleich zwei Schläfer allzu bequem miteinander, dürfte jeglicher animierender Esprit flöten gehen, dann legen sich alle Lebensgeister auf die faule Haut.

Mit dem Schläfer lässt sich kein Staat machen, aber ein gemütlicher Fernsehabend hat ja auch was für sich. Während die Kiste im Hintergrund flimmert wird bräsig parliert, ohne je in der Diskussion zu landen oder gar im Streit zu enden, denn auch dafür ist dieser Typ viel zu phlegmatisch. „Ändern kann man sowieso nix“, wird auf seiner Grabplatte stehen und oft hat er schon in Lebzeiten den entscheidenden Schritt gemacht, den Schritt von der Bequemlich- zur Gleichgültigkeit. Am Ende des Abends schläft dieses Genre eingekuschelt in Wohlgefallen friedlich im Sessel des Freundes, aus kleinen, roten Pupillen noch ab und zu blinzelnd, aber auch nur dann, wenn das Karate-Porno-Video eine lautstarke Szene verzeichnet. Alles in allen ein liebenswerte Typ, dieser Schläfer, der kaum Gelegenheiten zum sündigen nutzt und auf jeder Party als erster das Gästebett okkupiert. Er hat halt die Ruhe weg.

 

 

 

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Cannabis Hanf Historische Texte Psychoaktive Substanzen

Der Knaster-Mythos

Faserhanf (Cannabis sativa) wurde früher gelegentlich auf dem Lande, wie zahlreiche andere Kräuter auch, als Tabakersatz geraucht. Heinrich Marzell listet allein 40 hierfür genutzte Pflanzenarten in seinem „Neues illustriertes Kräuterbuch“ (1920/1935) auf. Dabei erwähnt er nicht einmal definitiv psychoaktive medizinische „Asthma-Kräuter“ wie den Stechapfel, an dessen gelegentlichem hedonistischen Gebrauch sich bis in die 1970er Jahre eine kleine experimentierfreudige Anhängerschaft erfreute, die sich entsprechende Zigaretten aus der Apotheke besorgte. Unter den „Asthma-Kräutern“ fand sich (bis zum Opiumgesetz von 1929) neben Tollkirsche, Bilsenkraut, Lobelie, Tee und Opium auch der tatsächlich psychoaktive aus Indien (und später von Sansibar) importierte „Indische Hanf“ (Cannabis indica, Wolfgang Siegel „Das Asthma“, 1912).

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Cannabis Drogenpolitik Hanf Psychoaktive Substanzen

Coffee-Shop-Modell für den Görlitzer Park?

In Berlin-Kreuzberg zeigen sich die Widersprüche der Drogenpolitik. Mutigere Schritte sind nötig.

In Berlin-Kreuzberg hat sich seit Längerem in und rund um den Görlitzer Park eine offene Dealer-Szene angesiedelt. Diese und der damit zusammenhängende Kundenverkehr werden von Polizei, Anwohnern und Gästen des Parks als Problem angesehen. Die Zahlen: Bis Ende Oktober 2014 führte die Polizei sage und schreibe 350 Razzien durch, es wurden über 2.200 Personen kontrolliert, rund 1.000 Platzverweise ausgesprochen, 200 Festnahmen durchgeführt, 800 Ermittlungsverfahren angestoßen – die Hälfte davon waren Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.

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Cannabis

Das kleine Graslexikon

Aus dem HanfBlatt

Das kleine Graslexikon

Fast in jedem Land der Welt wird Rauschhanf angebaut, wenn er nicht ohnehin schon wild oder verwildert gedeiht. Ob auf Tahiti oder Tobago, ob in Alaska oder Chile, ob in Schweden oder Portugal, überall wird der Hanf zum Zwecke der Bewusstseinserheiterung angepflanzt. In manchen Ländern ist er/sie allerdings ein Wirtschaftsfaktor von bedeutendem Ausmass. Sei es in den USA zur Selbstversorgung der inländischen Konsumentinnen oder in Ländern wie Kolumbien, Jamaika, Nigeria, Ghana, usw. hauptsächlich zum Export in die reichen Nationen des sogenannten Westens. Das Beispiel Niederlande zeigt, wie sich der Export zu lohnen beginnt, wenn der einheimische Markt gesättigt ist und in den gewissermassen noch unterversorgten Nachbarländern eine Nachfrage nach hochwertigen Qualitäten entsteht.

Deutschland ist traditionell kein ausgesprochenes Marihuana (auch „Gras“, die getrockneten Blüten- oder Fruchtstände des berauschenden Hanfes)- Importland gewesen. Die haschischproduzierenden Länder liegen geographisch näher am Verbrauchermarkt. Ausserdem ist Haschisch leichter zu handhaben und zu handeln, in der Regel deutlich potenter und besteht nicht wie Marihuana zu einem beträchtlichen Teil (bis zu zwei Dritteln) aus nichtrauchbaren „Abfällen“, sprich Samen und Stengeln. Letztlich ist tropisches Importmarihuana bei oft niedriger Qualität im Verhältnis zu Haschisch zu teuer. Dennoch war immer welches auf dem Markt, und nicht wenige Konsumentinnen behaupten von sich, sie würden gutem Gras (auch gerade tropischen Importen) den Vorzug vor dem gängigen Haschisch geben, wenn sie die Wahl hätten und die Erhältlichkeit und das Preis-Leistungsverhältnis angemessener wären.

 

Hanfkaefer

Das übliche tropische Importmarihuana besteht aus einer Vielzahl zu dichten Platten, Blöcken, Scheiben oder Ballen zusammengepressten, meist reichlich Samen enthaltenden Blütenständen. Das „Gras“ kann aber auch in bereits zerbröselter blättriger Form erscheinen. Das Farbspektrum reicht von goldbraun über dunkelbraun bis zu allen möglichen Grüntönen.

Es ist müssig, die unglaubliche Vielfalt der weltweit erhältlichen getrockneten weiblichen Hanfblütenstände zu beleuchten, auch wenn durch den internationalen Tourismus Spezialitäten aus aller Damen Länder die Bundesrepublik erreichen, meist nur in verhältnismässig geringen Mengen. Einige Beispiele werden aber dennoch eingeflochten:

So kam in Zeiten des Solidaritätstourismus in den Achtziger Jahren schon mal NICARAGUA-Gras bei uns an.

Mexico

Mexikaner guter Qualität, hier dann oft pauschal „ACAPULCO GOLD“ genannt, nach einer berüchtigten Sorte der Sechziger Jahre, ist selten, da mexikanisches Marihuana fast ausschliesslich nach Nordamerika geht und die Risiken des Schmuggels dieser Ware nach Europa kaum lohnen. Guter Mexikaner ist stimulierend-exaltierend-euphorisierend. Mexiko war in den Sechziger Jahren in den USA für einige exquisite Qualitäten berühmt, später allerdings auch für fast wirkungslose Massenware, „Dirtweed“.

Karibik

Marihuana von den KARIBISCHEN INSELN (Trinidad/Tobago, DomRep, St. Lucia, Grenada usw.)ist bei uns mindestens genauso selten und erreicht allenfalls (ehemalige) Kolonialmächte wie Grossbritannien. Qualitativ soll es im (oberen) Mittelfeld liegen.

Jamaika

ist nach wie vor der Number One Produzent und Exporteur dieser Region und damit die grosse Ausnahme. Seit Jahren ist Jamaika ein regelmässiger Lieferant auch grässerer Mengen Gras von mittlerer bis hoher Potenz. Gab es noch Anfang der Achtziger Jahre ein irgendwie charakteristisch euphorisierendes Gras mit einer starken aphrodisisch-kärperlichen Note vom Sativa-Typ, fällt aufgrund der Zucht zahlreicher eingeführter Sorten auch vom Indica-Typ und daraus abgeleiteter Kreuzungen die Importware heute oft kräftig-drähnig aus. Nicht immer wird sorgfältig getrocknet. Die so zu Ballen oder Bricks gepresste Ware weist dann in ihrem Inneren Schimmel auf oder fängt nach dem Zerpflücken an zu schimmeln. Sowas ist Mist, tritt aber auch, gerade in den letzten Jahren, bei nachlässig verarbeiteten Importen aus anderen Ländern auf. Am Beispiel Jamaika lässt sich beispielhaft beobachten, wie sich durch die zahlreichen internationalen Kontakte auch in den traditionellen Anbaugebieten die gezogenen Sorten verändern. Dabei gehen mäglicherweise einzigartige Sorten der Vergangenheit mit ihrem charakteristischen und nicht ohne weiteres reproduzierbaren High unwiederbringlich verloren. Unterstützt die Sortenvielfalt auch beim Hanf! Oder präziser: Rettet die exotischen Sativas!

Kolumbien

Einer der grässten Grossproduzenten ist immer noch KOLUMBIEN. Containerweise wird Marihuana über die Weltmeere verschifft, auch wenn Kokain und Heroin bedeutendere Handelsgüter geworden sind. Die Qualität der (Massen-)Ware hat deutlich nachgelassen. In letzter Zeit tauchte wiederholt „hochpotentes“ aber innerhalb von vielleicht einer halben Stunde geradezu narkotisierendes Gras auf. Eine andere schwache Qualität ist auch nicht unbekannt. Das klassische „Columbian Gold“ oder „Santa Marta Gold“ war ein, wie der Name schon sagt, goldbraunes ziemlich potentes Gras mit euphorisierend-enthemmend-stimulierender geradezu albern machender Wirkung. Dieses Gras soll es noch geben. (Aber wo?) Auf die praktisch nicht erhältliche Spezialität „Punta Roja“ mächte ich hier nicht näher eingehen. Nur eins: Es galt als eine der besten Gras-Sorten der Welt. Wer eine Seefrau kannte…

Süd- und Mittelamerika

Die anderen süd- und mittelamerikanischen Länder (Brasilien, Peru, Bolivien, Venezuela, Panama, Surinam, Costa Rica, Guatemala, Belize usw.) sind für den bundesdeutschen Markt unwichtig, was nicht heissen soll, dass aus ihnen kein Gras in unsere Breiten gelangen kann.

USA

Aus den USA kommt heute nichts nach Deutschland. Die Preise im Land der unbegrenzten Mäglichkeiten sind einfach zu hoch, die Nachfrage zu gross, als dass ein auch noch so kleiner Export lohnen würde. Interessant ist aber, dass die ersten hochpotenten samenlosen weiblichen Marihuanablütenstände (Sinsemilla) von Reisenden schon Anfang der Achtziger Jahre aus Kalifornien und Florida („Grinsegras“) mitgebracht wurden. Es handelte sich um verblüffend potentes Freilandgras, zu dieser Zeit noch vom Typ Sativa.

Afrika

Für den bundesdeutschen Markt sind die afrikanischen Länder besonders wichtig, und von diesen insbesondere GHANA und NIGERIA. Sie liefern teilweise grosse Mengen, die im Kleinhandel allerdings kaum nach Herkunft unterschieden werden („Afrikanisches“ oder „Westafrikanisches“). Die Potenz ist in der Regel schwach bis mittel, oft mit vielen Samen und Stengeln. Es gibt selten kleinere Lieferungen herausragenden Grases. Durchschnittliches Gras aus diesen Ländern hat den Ruf euphorisch-beruhigend drähnig zu sein. Das hat vielleicht was mit langer Lagerung und „stressigem“ (zu heiss, zu feucht) Transport zu tun.

Aus anderen afrikanischen Ländern kommt manchmal in kleinen Mengen relativ frisches Gras mittlerer Potenz, eventuell sogar von Stengeln und Samen gereinigt, um das Transportvolumen zu verringern. Kennt man in Grossbritannien SAMBIA und SIMBABWE als Lieferanten, so sind SENEGAMBIA, ZAIRE („Kongo“) und KENYA in Deutschland bekannt. Als „Kongo-Gras“ wird starkes afrikanisches Gras bezeichnet. Ob es nun wirklich aus dem „Kongo“ stammt(e), egal. Neuerdings erreicht Gras aus €THIOPIEN und MOCAMBIQUE die Bundesrepublik. Auch wenn die Potenz nicht unbedingt sensationell ausfällt, so ist das stimulierend-euphorisierende High frischen Grases dieser Provenienz bemerkenswert. Letztlich kommt praktisch jedes afrikanische Land als Marihuana-Lieferant in Frage. In Holland sind Sorten aus S†DAFRIKA („Durban poison“ aus der Provinz Natal, manchmal in Papier eingewickelte, aus Blüten gerollte, kleine Sticks, nicht immer so gut wie der Name verspricht), TRANSKEI (stimulierend, wenn frisch), SWAZILAND (kräftig in intensiven psychischen Wellen kommend, wenn frisch, aber wem sag ich das) und aus MALAWI auf dem Markt. Malawi gilt als besonders gut. Aber nicht alles, wo Malawi drauf steht, tärnt auch so, wie frau es erträumt.

Asien

Der wichtigste asiatische Marihuana-Lieferant ist immer noch THAILAND. Unter dem Begriff „Thai-Gras“ wird mittlerweile aber zu einem Grossteil aus den Nachbarländern KAMBODSCHA und LAOS stammendes Gras gehandelt. In diesen Ländern wird es praktisch legal in grossen Mengen angebaut und zum Teil über Thailand oder Vietnam exportiert. Das Gras aus dieser Region ist zwar meist von passabler bis guter kommerzieller Qualität, weist aber bei der Massenware nicht die Potenz und das ausgeprägte erhebend-psychedelische High auf, für das das klassische Thai-Gras berühmt ist. Auch wenn es die legendären „Thai-Sticks“ oder „Buddha-Sticks“, um Bambusstäbchen oder gar Hanfstengel gewickelte Blütenstände, schon lange nicht mehr gibt, so tauchen trotz alledem immer noch vereinzelte herausragende Qualitäten mit einer Wirkung, die zumindest an die „Thai“-Legende erinnert, auf. Noch scheint also nicht Hanf und Malz verloren. Sowas geht weg wie warme Semmeln.

BURMA sollte als Marihuana-Lieferant der Achtziger Jahre (allerdings eher für den holländischen Markt) nicht unerwähnt bleiben. Das Gras galt, im Gegensatz zu dem thailändischen, als eher drähnig, bei mittlerer bis guter Potenz.

PHILIPPINEN-Gras, auch „Manila-Gras“ genannt, hat einen guten Ruf. Von meist bräunlich-grüner Farbe und relativ hoher Potenz, bietet es ein stimulierend-enthemmend-erhebend-euphorisierendes High mit alberner Note. Aber Garantien gibt es selbstverständlich auch hier nicht.

Das in der Regel hochpotente Marihuana aus den Bergen der südindischen Provinz KERALA findet nur selten seinen Weg zu uns. Aus den haschproduzierenden Ländern wird bevorzugt Haschisch (oder, gerade aus dieser Gegend, Grasäl) geschmuggelt. So war und ist Kerala-Gras eine ausgesprochen seltene und begehrte Spezialität.

Indonesisches Gras aus SUMATRA (Aceh, um genauer zu sein) gelangt nur selten nach Holland.

Andere asiatische Länder sind als Marihuana-Produzenten für den internationalen Markt unbedeutend.

Holland

Innerhalb von Europa hat sich HOLLAND zum Hauptlieferanten für den deutschen Markt gemausert. Skunk, Northern Lights, Orange Bud, Haze und diverse Kreuzungen gehären mittlerweile zur Angebotspalette jedes deutschen Rauschhanf-Dealers, der was auf sich hält. Diese hochpotenten, samenlosen Züchtungen haben den Markt bei uns revolutioniert, nicht nur erhebliche Anteile am Haschmarkt erobert, sondern auch die qualitativ verhältnismässig schlechten und teuren Tropenimporte stark ins Abseits gedrängt. Es fing an mit teilweise schon recht kräftigem, fast psychedelischem samenlosen Sinsemilla, meist noch von tropischen Sativas, im Gewächshaus gezogen, das bereits Ende der Achtziger vereinzelt über die Grenze gebracht wurde. Die eigentliche Lawine kam aber erst durch niederländisches „Skunk“ ins Rollen. Die Kundschaft schrie nach mehr, und sie bekam mehr.

Mittlerweile wird ein nicht unbeträchtlicher und wachsender Anteil des Bedarfs an hochwertigem samenlosen Gras durch Anbau holländischer Sorten hierzulande gedeckt. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Importiertes Marihuana wird sich nur behaupten kännen, wenn es qualitativ verbessert wird, was bei den fehlenden Mitteln nicht sehr wahrscheinlich ist, oder die Preise deutlich fallen.