Kategorien
Cannabis Drogenpolitik Gesundheitssystem Psychoaktive Substanzen

Dope auf dem Schulhof

HanfBlatt, Nr. 77, 2003

Dope auf dem Schulhof

Wie beliebt ist Cannabis unter Schülern? Und welche Folgen hat der Genuss?

Das Blech und die Scheiben von Philips roten Golf erzitterten unter den Klängen von Prince. Es war 1984 in irgendeiner Schule in einer Großstadt. In der großen Pause, ich glaube sie ging von halb bis um 11 Uhr, hatten wir es uns seit einem viertel Jahr zur Angewohnheit gemacht in der rostigen Karre zu verschwinden und eine Riesentüte zu rauchen. „Let´s go crazy“ dröhnte dann so laut aus den Magnat-Boxen, dass Passanten stehen blieben. Unsere Mitschüler, welche die Pause nutzen um aus dem nahe liegenden Penny-Markt Bier zu holen, die grienten nur wissend. Es war die Zeit in der uns endgültig klar wurde, dass Schule keinen Sinn macht, obwohl die Abiturprüfungen nahten. Cannabis stand dabei nie in dem Verdacht das Bewusstsein zu erweitern, wozu auch, wir wussten es ja eh schon besser. Die fetten Joints, die wir uns Tag für Tag reinzogen dienten keinem Ziel, sondern nur dem puren Amüsement. Wir wollten schnell und schmutzig leben, Mutti würde schon weiter zahlen.

Zeitsprung ins Jahr 2002: Eine Gesamtschule in Hamburg. Auf dem Schulhof tummeln sich die Racker, die älteren Schüler ziehen sich mit behördlicher Genehmigung eine seltsame Droge mit Namen „Tabak“ in der eigens dafür geschaffenen „Raucherecke“ rein. „Kiffer suchst Du?“, wiederholt einer der langen Kerls spöttisch und schaut mich von oben bis unten an. „Dann schau mal hinter das Gebäude dahinten. Vielleicht hast du Glück.“ Ich folge seinem Finger. Als mich die kleine Gruppe von Jungmännern sieht, nesteln sie in ihren Taschen rum. „Vom HanfBlatt, coool.“ Ja, sagen sie, „klar kiffen wir in den Pausen“. Jeden Tag? „Ooch ja, eigentlich ja.“ Nein, auf die Leistungen würden sich das nicht auswirken. „Der Unterricht ist sowieso völlig beschissen. Ob ich da breit bin oder nicht, dass macht keinen Unterschied.“ Die Hände in den Taschen, die Hosen in den Kniekehlen stehen sie da. Neuntklässler, die jedwedes Unrechtsbewusstsein beim Cannabisgenuss in die Tonne getreten haben. Für sie ist Kiffen Entspannungskultur, breit sein, high sein.

Das war 1984 nicht viel anders: Die Generation der Anti-Atomkraft-Bewegung mit ihren olivgrünen Parkern und ihren moralinsauren Eiertänzen hatte vor zwei Jahren die Schule verlassen, nun waren wir an der Macht. Wir, dass waren wilde Söhne und Töcher aus Beamtenhaushalten, welche die reduzierte Sprache von Albert Camus genossen und Jean Paul Satre lasen und ihn nicht verstanden. Es entwickelte sich eine Mischung aus krudem Existenzialismus und dem unbedingen Willen, dass Leben in vollen Zügen zu genießen. Techno war noch nicht erfunden, Acid-House war State of the Art und damit dämmerte langsam das Zeitalter des Hedonismus heran. Ohne es zu wissen waren wir die Vorläufer der heutigen Spaßgesellschaft. Wenn wir bekifft aus dem Auto zurück in den Unterricht flatterten, dann war Spaß garantiert – oder stumpfes rumdröhnen. Einmal kippte Philipp vom Stuhl vor Lachen, unser Biologielehrer (Typ: „Ich bin euer Kumpel“) schickte ihn entnervt zur Schulleiterin. Aber die Lehrer waren meist zu blauäugig, um unsere Zustände einzuordnen – oder sie wollten sie nicht sehen, weil wir seit der 11. Klasse den Unterricht eh nur noch für unser Privatscherzchen nutzten, mithin störende Elemente waren.

Tja, und nun die Preisfrage: Was hat das Cannabis mit uns getan? Um es mal mit den Maßstäben der Leistungsgesellschaft zu messen: Der eine Kiffer von damals kauft heute Fussballrechte in ganze Europa ein, der andere hat eine kleine Firma für Marktforschung gegründet, der dritte verdummt die Leute (er ist Angestellter in einer Werbeagentur), der vierte tut das ebenfalls, er schreibt diesen Artikel. Aber es gibt auch andere Wege: Einer aus unserem Kreise fand das Kiffen so großartig, dass er jeden Abend bedröhnt vor der Glotze hing, wir verloren ihn aus den Augen, Jahre später traf ich ihn wieder, er war ziemlich runtergekommen. Kaum jemand kommt auf die Idee, berufliche und private Erfolge am Graskonsum festzumachen, umgekehrt fällt das seit jeher einfacher. Und kaum jemand kommt auf die Idee die Fragestellung einmal umzukehren und eine Untersuchung darüber anzuschieben, welche Vorteile Jugendliche aus dem ja meist gemeinsam praktizierten Rauchritualen ziehen. Die Kiffen ein Problem sein muss, dies ist unausgesprochene Gedanken- und Finanzierungsgrundlage vieler Sucht- und Präventionsbüros.

Um es nicht falsch zu verstehen: Unser Konsum von Haschisch während der Schulzeiten hat die Leistungen in der Schule wahrlich nicht gefördert, im Gegenteil. Ab dem Moment der cannabioniden Intoxination waren wir bei körperlicher Anwesenheit freiwillig vom Unterricht ausgeschlossen. Letzlich waren wir das vorher zwar auch schon, aber nun gab es absolut keine Möglichkeiten für Lehrer und Lehrninhalte durch unseren Nebel aus Selbstgefälligkeit und Frohsinn durchzudringen. Nur hatten wir halt das Glück zu begreifen, dass man die Regeln des Systems irgendwann doch wieder befolgen muss, zumindest soweit, dass man nicht rausgeworfen wird. Die Eskapaden führten nie dazu den ideellen Reigen aus Eltern und sozialem Umfeld ganz zugunsten der hanfinduzierten Glückseeligkeit zu verlassen. Zudem hatten wir Glück, denn ein Lehrer stand dem Hanf nicht abgeneigt gegenüber. Wir teilten ein paar Züge lang unsere Erfahrungen. Der Mann hatte unser Vertrauen und war einer der wenigen Großgewachsenen, den man sich bei Problemen innerhalb und außerhalb der Schule offenbaren wollte.

Und was treibt der Hanfrauch heute aus dem Bewusstsein der SchülerInnen? Die sonore Stimme eines Hamburger Schulpsychologen dringt durch den Telefonhörer: „Ein großer Teil der Jugendlichen kann mit dem Cannabiskonsum umgehen, aber es gibt welche, die das nicht können. Wer zum Frühstück seine ersten Köpfe raucht, der hat schnell ein Problem.“ Der Mann kämpft mit mehreren Aufgaben: Ein Problem sei, dass keine aktuellen Zahlen vorliegen, ob sich der Konsum unter den Menschen unter 18 Jahren tatsächlich erhöht hat. „Wir erhalten schon immer öfter Meldung von Schulen und Eltern, dass die Cannabis konsumierenden Schüler jünger geworden sind.“

Ob Eltern, Lehrer oder Schüler: Die Erfahrungen mit akut gedopten Mitschülern sind schlecht, darum ist man sich einig, dass der Genuss von Hanfkraut in der Schule nichts zu suchen hat.

Wo früher erst die 17-jährigen rauchen, kiffen heute zum Teil schon die 15-jährigen. Dieser subjektive Eindruck wird durch die letzten Erhebungen in Hamburg bestätigt. 1990 hatten insgesamt 27,9 Prozent und 1997 26,5 Prozent der 15 bis 39-jährigen jemals in ihrem Leben Cannabis probiert. Diese sogenannten „Lebenszeitprävalenz“ hat sich über die Jahre also kaum geändert. Aber: Deutliche Veränderungen zeigen sich bei der Gruppe der jungen Konsumenten. 1990 gaben nur 8,4 Prozent der 15-17-jährigen an, im letzten Jahr Hanf geraucht zu haben, 1997 waren das schon 17,9 Prozent. Und so wie es aussieht hat sich dieser Trend eher noch verstärkt.

Kenner beobachten die Verjüngung der Szene schon seit längerem. Ein Head-Shop Besitzer erzählt: „Erst gestern kam hier ein maximal 15-jähriger rein, der einen Bong für die Tasche haben wollte. Der Typ war komplett sediert und fragt auch noch nach einem Gerät, dass er mit in die Schule nehmen kann. Damit ist er jetzt wahrscheinlich der Held in der Klasse.“ Insgesamt sei zu beobachten, dass die Käufer von Paraphenalia über die Jahre jünger geworden sind.

Die spannende Frage ist nun, welche Auswirkungen der Genuss von Cannabis hat. Darüber gehen die Meinungen auseinander, die empirischen Erhebungen im Bundesgebiet unterstützen die These vom kranken Kiffer allerdings nicht. Ein paar Zahlen: Im Jahr 2000 lag der Anteil der aktuellen THC-Liebhaber in Deutschland zwischen fünf und sechs Prozent. Hochgerechnet auf die Wohnbevölkerung sind das in Ostdeutschland 26.000 Personen und in Westdeutschland 214.000 Personen, die regelmäßig Cannabis konsumierten. Glaubt man den Erhebungen weiter haben nur wenige Kiffer Probleme mit ihrem Inhalationssport.

Die größte Studie zu dem Thema von Kleiber und Kovar kommt in feinstem Wissenschaftsdeutsch zu dem Schluss: „Was die Auswirkungen von Cannabis auf die psychische Gesundheit anbelangt, muss aufgrund der vorliegenden Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum von Cannabis eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich zieht, zurückgewiesen werden.“ Fest steht auf der anderen Seite, dass diejenigen Menschen, die heute Dauerkiffer sind ihre ersten Erfahrungen relativ früh gemacht haben. Mit anderen Worten: Je früher man anfängt zu knastern, desto größer ist später die Chance dauerstoned durch die Gegend zu eiern.

Wie geht man nun mit dem jugendlichen Fans von Cannabis, Alkohol, anderen Genussmitteln und sogenannten Drogen um? Im Kern stoßen dabei zwei Auffassungen aufeinander. Die eine: Weil alle Rauschmittel das Potential zur Verstärkung und Wiederholung in sich tragen, muss das Ziel die Erziehung zur Abstinenz sein. Die Gefahr, die von der Integration des Drogenkonsums in die Gesellschaft ausgeht, zeigt sich deutlich am Alkohol. Die andere: Eine drogenfreie Gesellschaft ist nicht nur unmöglich, sondern durch ihre prohibitiven Zwangsmaßnahmen zugleich ein teilweise totalitärer Staat. Ziel muss daher die Erziehung zur selbstverantwortlichen Haltung und Handlung sein. Aus der Diskussion ausgespart bleibt meist die betroffene Gruppe, nämlich die, die ab und zu Cannabis zur Entspannung und zur Rekreation nutzt und eigentlich nur ein Problem hat: Dass die Produkte der Pflanze auf dem Markt erscheinen ohne auf Qualität geprüft worden zu sein.

Die Garde der Therapeuten, Suchtberater und Schulpsychologen steht vor dringenderen Problemen. Ihrer Meinung nach setzt das Betäubungsmittelgesetz der Beratungs- und Aufklärungstätigkeit enge Grenzen, zum anderen ist die Unkenntnis über Wirkungen und Auswirkungen von Gras und Hasch unter Lehrern, Eltern und Schülern riesengroß. In den Worten des Psychologen am Telefon: „Die Schule kann bei der momentanen Gesetzeslage keine Anleitung zum regelgeleiteten Konsum geben, und das kann auch nicht Auftrag der Schule sein.“ In der persönlichen Beratung von Schülern allerdings würde nicht nur auf Abstinenz abgestellt, „das wäre völlig unrealistisch“. Auf Veranstaltungen zum Thema Drogenkonsum würde immer wieder die Unsicherheit deutlich werden, die allenthalben unter Eltern, Lehrern und Schülern herrsche. „Zumeist wird der Cannabiskonsum total dramatisiert, andere spielen ihn vollständig runter.“ So oder so sei das Thema enorm emotional besetzt. Fazit des Psychologen: „Versachlichung und Aufklärung tuen Not.“

Bei der Veranstaltung „Jugend im Parlament“ berichteten Hamburger Schüler den Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft im Jahr 2000 von ihren Erfahrungen mit kiffenden Mitschülern. Die Überraschung: Die meisten Jugendlichen teilten mit, sie hätten bisher bei keinem ihrer Mitschüler Verhaltensauffälligkeiten oder Beeinträchtigungen der Leistung durch die Einatmung von geschwängerten Rauch festgestellt.

Im Regelfall würde Cannabis ohnehin in der Freizeit konsumiert, weiß Gert Herweg, der in Frankfurt als Fachberater tätig ist. In der Metropole haben seiner Einschätzung nach bis zu 20 Prozent der Schüler über 14 Jahren Erfahrungen mit Cannabis. Die meisten davon würden den Hanf aber nur probieren, wenige würden zu Gewohnheitsrauchern. Im gesamten Bundesgebiet ist zu beobachten, dass vor allem Schulen in sozial schwachen Wohngebieten von Problemen mit dauerkiffenden Jugendlichen berichten.

Misst man nicht mit ökonomischen Maßstäben, stellt sich die Frage nach den Vor- und Nachteilen des Drogenkonsums noch einmal anders. Was kaum einer der Therapeuten und „Drogenexperten“ auszusprechen wagt, ist doch, dass Cannabis und andere Rauschmittel bei vernünftiger Anwendung eben durchaus zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit beitragen können und nicht nur wie ein unablässig wachsendes Geschwür dieselbe zerfressen. Sicher, die Gefahren eines allzu frühen Konsums liegen auf der Hand: Sie bestehen in einer, bildlich gesprochen, Aufweichung einer Plattform, die man sich ja gerade erst -unabhängig von den Eltern- schaffen will. Gleichwohl gilt: Fatal ist doch die zeitweise Ausrichtung des jungen, sich entwickelnden Wertesystems an einer Droge nur dann, wenn der Mensch sich dadurch entweder unglücklich macht oder seine Verantwortung für das natürliche und soziale Umfeld auf längere Zeit negiert. Diese Gefahren bestehen, sind aber nach überwiegender Meinung eher vom Elternhaus und dem Freundeskreis abhängig als von Pflanzenextrakten.

Neugierde und Entdeckerdrang, Abgrenzung zu Autoritäten und das Erleben von Freiheit sind notwendige Bedingungen des Erwachsenwerdens. Sicher tut man der gedeihenden menschlichen Natur nicht zu sehr Gewalt an, wenn man einige Genussmittel per Gesetz kategorisch aus ihrem Erlebnishorizont streicht. Auf der anderen Seite lauern die Gefahren der blinden Konsumwut überall und in der propagierten „offenen Gesellschaft“ sollte es eben auch darum gehen, den Umgang mit diesen zu lernen. Aber wer lehrt diesen, angesichts überforderter Eltern, nicht legitimierter Schulen, die zudem ihren Ruf im Viertel nicht verlieren wollen und einem Freundeskreis, der zur Verharmlosung neigt?

Jörg Auf dem Hövel

Kategorien
Cannabis Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Cannabis Routen

HanfBlatt Nr. 81, Jan/Feb. 2003

 Zwischen Karachi und Ketama…

… und zwischen Enddarm und Container. Wie fließen die Haschisch- und Marihuanaströme über den Globus?

Cannabis ist die am häufigsten gehandelte illegale Droge der Welt. Dem logistisch gut organisierten Warenverkehr stehen manchmal die Gesetze im Wege. Welche Routen nehmen Haschisch und Marihuana?

Zart sind die Sprossen des Hanfs und zart begann auch der Handel. Cannabis wächst auf allen Erdteilen der Welt und wird auch überall kultiviert, ob nun drinnen und draußen. Oft wurde zunächst nur für die Versorgung des lokalen Marktes angepflanzt, erst später, wenn die Nachfrage da war, kam es zum Transfer ins Ausland. Weniger die unbedingte kapitalistische Wille der Einheimischen, als vielmehr reiselustige Menschen bilden seit jeher die zweite nicht versiegende Quelle für Cannabis auf der ganzen Welt. Der Urlaub bietet für jeden Liebhaber des gepflegten Kiff seit jeher die Gelegenheit ein Stück Rauschkultur des jeweiligen Landes als persönliches Mitbringsel mit in die Heimat zu nehmen. So etwas gab es schon immer, professionalisiert wurde es in den 60er Jahren, als die ersten Hippies wahnsinnsgutes Haschisch aus Indien und Nepal in die Welt brachten. Seither ist diese Luft- und Landbrücke nie wieder abgerissen. Der Zoll nennt es „Ameisenhandel“, andere nennen es „Völkerverständigung“. Leider liegen keine Schätzungen darüber vor, wie viel des weltweit genossenen Cannabis von nahen und entfernten Freunden stammt.

Weltkarte der Cannabis-Routen

 

Grasgeschiebe

Der Handel mit den Blütenständen des Hanfs fokussiert sich auf einige Brennpunkte: Praktisch auf den Flughäfen der gesamten Welt wird Gras aus Kambodscha aus den Rucksäcken der Traveller gepickt. Kein Wunder, kostet das Kilo (!) meist minderwertigen Hanfkrauts in dem Land nur rund fünf Dollar. In der Provinz Koh Kong sollen noch immer recht himmlische Zustände herrschen. Hier ist eine traditionelle Hochburg des Hanf-Anbaus, zudem gibt es einen direkten Zugang zum südchinesischen Meer. Größere Mengen werden über vor der Küste liegenden Schiffen zunächst nach Thailand, später in die Welt distribuiert (siehe Karte). Die Australier verzeichnen seit Jahren einen regen Handel mit südwest-asiatischen Marihuana. Apropos Australien: Down under zeigt sich ein Trend, der sich weltweit durchzusetzen scheint. Über die Hälfte des in den letzten Jahren beschlagnahmten Grases stammte aus der Indoor-Zucht. Ähnliches lässt sich in Kanada und den Ländern der Europäischen Union beobachten. Die vielen Genießer haben mittlerweile erkannt, dass die Aufzucht und Hege von Cannabis nicht nur eine simple Angelegenheit ist, sondern sogar Spaß bereitet.

Neben Kambodscha sind es vor allem Indonesien, Laos, die Philippinen und Thailand, die auf größeren Feldern Hanf anbauen. Die UNO zeigt sich in ihrem letzten Drogen-Bericht sehr besorgt darüber, dass seit einiger Zeit auf Sumatra und Java vermehrt Cannabis angebaut wird. Insgesamt, so die Organisation, seien im Jahr 2002 über 4500 Tonnen Gras weltweit aufgegriffen worden. Wenn man nun berücksichtigt, dass dies schätzungsweise zehn Prozent der tatsächlich gehandelten und konsumierten Menge ist, dann bekommt man eine Vorstellung von dem ungeheuren Ausmaß des globalen Hanfrausches.

Interessant dabei ist natürlich, wo das meiste Marihuana beschlagnahmt wird, gibt dies doch Hinweise auf die (unterbrochenen) Reisewege. Manch´ einer wird es geahnt haben: Fast die Hälfte der jährlich ergatterten Menge wird in Mexiko einkassiert. Nirgendwo auf der Welt wird so viel gekifft wie in den USA und dieser Markt will halt versorgt werden. Ob in Trucks, auf Schiffen oder in Flugzeugen – Marihuana wird auf vielen Wegen über die Grenze ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschafft. Der fermentierte Geruch von jamaikanischem Gras ist in Deutschland und Europa selten geworden, mittlerweile exportierten die karibischen Inseln das meiste ihres Killer-Weed ebenfalls in die USA.

Neben Mexiko ist Kolumbien der zweitgrößte Anbaustaat auf dem amerikanischen Kontinent. Von hier aus wird das Gras entweder in die USA geflogen oder über die karibischen Häfen (oft: Covenas) nach Europa verschifft. Ansonsten übt sich der südamerikanischen Markt in Selbstgenügsamkeit. Wo der lokale Anbau nicht ausreicht, stehen die zentral gelegenen Länder Bolivien (Region um Cochabamba), Brasilien (Region Bahia und Pernambuco im Nordosten) und Paraguay gerne zur Seite.

In Europa selbst hat sich neben den bekannten Gras-Ländern Niederlande und Schweiz Albanien zu einem beachtlichen Anbauland von Marihuana gemausert. Das Bundeskriminalamt schätzt sogar, dass der Staat mittlerweile der „größte Marihuanaproduzent Europas“ sein dürfte. Auch hier wird nicht auf blauen Dunst hin angebaut, sondern für einen Markt, der sich recht unabhängig von den restriktiven Drogengesetzen nach kulturellen Modeerscheinungen ausrichtet. Kiffen ist „in“: Nur darum hat sich in den letzten zehn Jahren sich die Menge des sichergestellten Cannabis in Europa verdoppelt.

Afro-Look

Glaubt man den Zahlen der Drogenkontrollbehörden, aber auch den Berichten der Presse, wird die Anpflanzung von Cannabis in den mittleren und südlichen Länder Afrikas immer beliebter. Für den Verbraucher bleibt meist undurchsichtig, woher genau das Gras kommt. Die prinzipiellen Wege aus den Ländern: Hanfkraut, welches in den kleinen Staaten Lesotho, Malawi und Swaziland angebaut wird über die Straßen nach Südafrika verbracht, um von dort aus entweder mit dem Flugzeug oder aber mit dem Schiff über Kapstadt oder Durban nach Europa transportiert zu werden.

Im Februar 2001 verbrannte die Polizei am Mount-Kenia über 328 Tonnen feinstes Marihuana. In den Worten des UNO-Berichts 2001: „In Ost-Afrika, speziell in Äthiopien, Kenia, Madagaskar, Uganda und Tansania, hat Cannabis, welches bis dahin nur für den lokalen Markt angebaut wurde, die Stellung einer ökonomisch signifikanten Pflanze eingenommen.“ Neben Nigeria, über dessen legendären Hafen Lagos der Hanf aus der Region abtransportiert wird, ist der Kongo ein Hauptanbaugebiet im mittleren Afrika. In der Mindouli-Region im Süden des Landes wird seit Generationen Cannabis großgezogen. Im Kongo ist nach Angaben der OGD (Observatoire géopolitique des drogues), die einen (allerdings recht anekdotisch) jährlichen Bericht zur Situation des Drogenanbaus auf dem Globus gibt, der Anbau von Cannabis schwer umkämpft. Es kommt zu Verletzten und Toten. Die Lari, seit Generationen passionierte Hanfbauern, bestehen trotz internationaler Vereinbarungen auf ihr altes Recht den Hanf zu kultivieren. Der alte Präsident des Kongo, Bernard Kolelas, war Mitglied dieser Ethnie – er stand in der internationalen Politiker-Gemeinschaft seit jeher im Verdacht, den Handel nicht nur toleriert, sondern daran auch kräftig mitverdient zu haben.

Dies ist hier erwähnt, weil ohne die Kooperation hoher Regierungsstellen der gesamte, professionell organisierte Cannabis-Schmuggel auf der Welt zusammenbrechen würde. Ob in Südamerika, Indien, der Türkei oder eben in den afrikanischen Ländern: Nicht nur kleine Zöllner verdienen an der Prohibitions-Politik mit, schaut man einmal hinter die Fassaden der internationalen Plattitüden der Drogenbekämpfungspläne, fällt immer wieder auf, dass lokale Politiker, hohe Beamte und zum Teil eben auch Regierungspolitiker in den Handel involviert sind.

Hasch-Brüder

Damit ist man beim Haschisch angelangt, dessen groß angelegter Schmuggel gerade in Marokko und Spanien ohne die freudige Mitarbeit der offiziellen Kräfte so nicht möglich wäre. Kein Wunder, soll doch die Haschisch-Marge rund 10 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Über die Jahren zeigt sich: Rund 50 % des weltweit beschlagnahmten Haschisch werden in Spanien aufgetan, nur rund 10-15 % in Marokko selbst, weitere rund 5 % in Frankreich, etwa 3 % in den Niederlanden. Diese Zahlen zeigen die herausragende Stellung, die Marokko bei der Harzherstellung spielt. Das die EU-Regierungschefs dagegen nur recht lässig vorgehen, liegt nicht zuletzt daran, dass Marokko als wichtige Barriere gegen den gefürchteten islamischen Fundamentalismus gilt. Hier offenbart sich mal wieder ein schönes Beispiel für die Doppelmoral in der Drogenpolitik. Es bleibt weiterhin zu vermuten, dass zudem einige UNO-Vertreter der Anbauländer die weltweite Prohibition unterstützen, weil diese eine Quelle ihrer Einnahmen ist.

Aber zur Sache: An den Hängen des Rif-Gebirges hocken seit Jahrzehnten Einheimische und ausländische Geschäftsmänner zusammen. Zum Teil ernten sie gemeinsam, sodann wird das „Kif“ an die Küste gebracht und von dort entweder mit Privat-Yachten, Fischerbooten oder zu auf Reede liegenden Großschiffen gebracht. Beliebt soll es neuerdings sein, schwächeren Schmugglergruppen die Ware mit Waffengewalt abzunehmen und dann selber weiter zu vertreiben. So oder so verdienen die lokalen Amtmänner an den Transporten mit. Nach Aussage von Stefan Haag, Autor von „Hanf weltweit“, bieten manche Händler sogar einen Lieferservice an, für Zusatzkosten von rund 2500 Euro pro Kilo kommt das Haschisch frei Haus via Amsterdam nach Mitteleuropa. Die Kleinschmuggler nutzen die Fähren zwischen Tanger oder Ceuta nach Algeciras (Spanien) und die Fähren von Melilla nach Malaga und Almeria.

Wie es dann weiter geht, dass zeigte plakativ ein Vorfall im Herbst 1999. Ein Verkehrsunfall in der südspanischen Region Andalusien führte Drogenfahnder auf die Spur international operierender Cannabis-Händler. Ein Lastzug einer deutschen Spedition stürzte nahe Malaga auf regennasser Straße um – neben Ost und Gemüse auch mit 526 Kilo Haschisch an Bord. Die Ermittlungsgruppe machte schnell zwei Speditionen im Landkreis München und im Landkreis Freising als Transporteure ausfindig. Sie schmuggelten im Auftrag einer italienischen und einer spanisch-marokkanischen Organisation Cannabisharz quer durch Europa. Marokkanisches Haschisch wurde von Spanien aus zunächst an Abnehmer in Norditalien geliefert. Von dort aus wurde es in kleineren Portionen nach ganz Europa distribuiert. Es wird vermutet, dass es ohnehin meist die rund 1,5 Millionen Menschen umfassende marokkanische Diaspora in Europa ist, die den Verkehr mit dem Rauschgold aus ihrem Heimatland organisiert.

Die im obigen Fall angesprochene Gruppe transportierte auch Heroin und Kokain von Mazedonien via München nach England. Damit ist man bei der Frage, in wie weit der Cannabis-Schmuggel von den gleichen Menschen organisiert wird, die nicht nur andere Drogen lukrativ an den Mann bringen möchten, sondern realer Teil des Schreckgespenstes „Organisierte Kriminalität“ sind, das von den staatlichen Ermittlungsbehörden seit einigen Jahren so vehement propagiert wird. Legenden wie Howard Marks halten seit jeher das Bild der chaotisch-liebenswerten Haschisch-Brüder aufrecht, die ohne Waffen und Gewalt den Menschen in der Welt gute Lebens-Mittel beschaffen. Ob der international mit großen Mengen operierende Güteraustausch tatsächlich so harmlos abläuft, darf bezweifelt werden. Um es wage zu formulieren: Wo es um viel Geld geht, dürften Gier und Neid nicht fern sein. Zugleich steht fest, dass zumindest Teile der fester strukturierten Gruppen neben Cannabis auch mit Heroin (Asien) und Kokain (Südamerika) handeln und damit bewusst die Sucht ihrer Kundschaft in Kauf nimmt.

Nordafrika ist aber selbstredend nicht der einzige Großproduzent von Haschisch. Rund 10 % des weltweit beschlagnahmten, wohlriechenden Harzes landet in Pakistan auf dem drogenprohibitiven Scheiterhaufen. In dem Land laufen einige Kanäle aus dem Orient zusammen. Nicht nur landeseigene Produkte, sondern auch das Cannabis aus Afghanistan wandert zu einem Teil zunächst über die südliche Grenze. Dreh- und Angelpunkt in Vorderasien ist nach wie vor Karachi, über dessen Seehafen die dunklen Sorten mit den blumigen Namen in die Welt gehen.

Seidenweich

Der Bosporus galt lange als die Meerenge, welches das in Europa genossene Haschisch überwinden musste. Ob „Libanese“ oder „Afghani“ – an den türkischen Zöllnern führte kein Weg vorbei. Opium, Heroin, Haschisch, die Türkei wurde als strategisch wichtiger Basis angesehen, um den ungehemmten Substanzfluss auf der sogenannten „Balkanroute“ zu gewährleisten. Noch heute prahlen libanesische Haschisch-Dealer damit, dass ihre Kontakte türkischer Zöllner so ausgezeichnet seien, dass die Beförderung nach Europa kein Problem wäre. Früher einer der größten Haschischproduzenten der Welt, dümpelte im Libanon die Erzeugung im vergangenen Jahrzehnt etwas vor sich hin – nun wird aber wieder vermehrt angebaut. Im Hauptanbaugebiet im Bekaatal bei Baalbek rollen wieder die Traktoren durch die Hanffelder.

Zwei Faktoren haben über die letzten Jahre die „Balkanroute“ zumindest für den Haschisch-Transport uninteressanter werden lassen. Da ist zum einen das rigide Eingreifen der iranischen Behörden, die zunehmend keinen Lust verspüren als Transit-Land für „gotteslästerliches Teufelszeug“ zu fungieren. Zum anderen dienen die uns immer noch recht fremden zentralasiatischen Staaten mit Namen Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgistan und Kasachstan nur allzu gerne als Transit- und Produktionsländern. Dies ist die klassische „Seidenroute“. Gerade in Kasachstan wächst das Gras in jedem Kuhdorf. Allein im legendenumwebenden Chu-Tal soll der Hanf auf einer Fläche von 138 Tausend Hektar wachsen. Schmiermittel und Kompetenzgerangel zwischen den Drogen-Behörden, dazu der Umstand, dass die Grenzen zwischen den genannten Staaten und auch dem großen Nachbarn Russland so gut wie unkontrolliert sind, führen zu einem ansteigenden Fluss von Haschisch und Marihuana über diese Seidenroute. Begünstigend kommt hinzu, dass die Verkehrsinfrastruktur relativ gut ist. Ob in Russland, in dessen Weiten quasi überall Hanf wächst, oder den baltischen Staaten, die als Transit-Stationen genutzt wird: Überall hier wird mehr und mehr Cannabis beschlagnahmt.

Diese Beschlagnahmungen durch die Polizei sind aber nicht immer der beste Indikator für einen regen Handel. So steht fest, dass in Europa die Städte Amsterdam und auch London ein Hauptumschlagsplatz für Cannabisprodukte sind. Selbiges gilt für Kopenhagen, von wo aus diese skandinavischen Ländern aus versorgt werden. Gleichwohl wird die Polizei hier nicht exorbitant fündig, was nur zum Teil an ihrer Verblödung, mehr noch an einer bewusst laxen Einstellungen gegenüber dem Haschisch-Schmuggel liegen dürfte. Viel spricht dafür, dass Amsterdam die Drehscheibe für Haschisch in Europa ist. Dies liegt nicht nur an der toleranten Drogenpolitik des Landes, sondern auch an der geographischen Position und ihrer Tradition als Kolonialmacht, die seit jeher mit Transport und Verteilung vertraut ist.

Eine weithin unbeleuchtete Rolle im internationalen Drogenhandel spielen Personen, die für ihre Regierungen tätig sind. Für den Kokain- und den Heroin-Handel steht mittlerweile fest, dass Mitarbeiter von Geheimdiensten (beispielsweise des CIA) und Armeeangehörige ihre Stellung nutzen, um von dem zu profitieren, was sie eigentlich bekämpfen sollen. Noch steht der Beweis aus, dass dies auch beim Cannabishandel eine maßgebliche Rolle spielt.

 

Kategorien
Medizin

Cannabinoid Forschung

Sichere Handhabung, unglaubliche Eigenschaften

In den USA etabliert sich die Erforschung der Cannabinoide

„Vor 1990 wußten wir nicht genau, wie Cannabinoide funktionieren“, gibt Norbert E. Kaminski, Professor für Pharmakologie an der Michigan State Universität zu. „Die meisten Forscher dachten, daß die Bestandteile des Cannabis unspezifisch wirken, indem sie aufgrund ihrer Löslichkeit in Fett die Zellmembranen durchdringen.“ Erst in den späten 80er Jahren gelang es, die für die Cannabinoide zuständigen Rezeptoren im Detail zu studieren. Neuen Aufschwung erhält die Erforschung der Hauptbestandteile des Cannabis nun durch Entscheidungen auf der politischen Bühne: Durch die Volksentscheide in Kalifornien, Arizona und anderen Bundesstaaten der USA, Marihuana als Medizin zuzulassen, sieht sich der Staat gezwungen, die Eigenschaften der einst verpönten Pflanze genauer unter die Lupe zu nehmen. Höchste Ebenen sind eingeschaltet: Das „Office of National Drug Control Policy“ hat die „National Academy of Science“ beauftragt in einer 18 Monate währenden Studie die wissenschaftliche Basis und den therapeutischen Nutzen des medizinalen Hanfs zu erforschen (www2.nas.edu/medical-mj/). Die Studie wird nicht vor Anfang 1999 veröffentlicht, fest steht aber schon jetzt, daß Cannabis damit in den erlauchten Kreis der soliden Wissenschaft eindringt.

Den großen Sprung machte das Wissen um den Rauschhanf mit der Entdeckung der Cannabinoid-Rezeptoren. Dies sind kleine Empfangsstationen in Hirn und Körper, an die zum Beispiel THC, der aktivsten Wirkstoff im Cannabis, andocken kann. Alle Substanzen, die an diese, CB-1 Rezeptor genannte Stationen andocken können, werden Cannabinoide genannt. Der 1988 entdeckte CB-1 Rezeptor kommt hauptsächlich im Hirn vor, der CB-2 Rezeptor wurde 1990 entdeckt und treibt sein Wesen im gesamten menschlichen Körper. Steven R. Childers, Professor für Physiologie und Pharmakologie an der Wake Forest Universität in Winston-Salem, ist begeistert: „Das schöne an den Entdeckungen ist, daß sie Chemiker auf der ganzen Welt dazu bringen, Derivate aller Art zu entwickeln.“ Die synthetisch hergestellten Cannabinoide wirken potenter und effektiver. Drei dieser Derivate gelten mittlerweile als Standard im Forschungsbetrieb. Sie hören auf die kryptischen Namen WIN 55212-2 sowie CP 55-940, die als Agonisten fungieren, und SR 141716A, der als Antagonist eingesetzt wird (siehe HANFBLATT April 98).

Steven R. Childers
Steven R. Childers

Goldgräberstimmung kam 1992 auf, als ein Team um Raphael Mechoulam an der Universität von Jerusalem entdeckte, daß in jedem menschlichen Körper ein körpereigenes Cannabinoid existiert. Das Team gab dem Neurotransmitter den Namen „Anandamide“, nach dem Sanskrit-Wort für „Glückseligkeit“. Und Jüngst entdeckte man ein anderes körpereigenes Cannabinoid (2-AG). „Sehr potent sind diese chemischen Verbindungen nicht“, stellt Childers fest, „in dieser Hinsicht haben sie Ähnlichkeit mit dem THC. Und sie sind extrem instabil.“

Noch eine große Überraschung wartete auf die Wissenschaftler: Entgegen den Erwartungen ist der CB-1 Rezeptor enorm häufig im Gehirn vertreten. Childers: „Niemand hat erwartet, daß der Rezeptor für Marihuana in so hoher Menge im Hirn existiert.“ Diese Entdeckung paßt für Childers trotzdem ins Bild der bisherigen Forschungsergebnisse. „Wir wissen durch eine Anzahl von Tierversuchen, daß Cannabinoide Auswirkungen auf das Kurzzeitgedächnis haben. Und das macht auch Sinn, denn im Hippocampus, einem Teil des Großhirns, kommen viele CB-1 Rezeptoren vor. Und der Hippocampus ist ein wichtiger Teil des Kurzzeitgedächnisses“, führt der Wissenschaftler aus.

Paul L. Kaufman
Paul L. Kaufman

Der Schritt von den Enthüllungen der Cannabinoid-Rezeptor Forschung zu konkreten medizinischen Anwendungen ist nicht immer einfach. Beim Glaukom, einer gefährlichen Erhöhung des Augeninndendrucks, hilft Marihuana nachgewiesenermaßen. Daß sich Gras nicht als Medikament durchgesetzt hat, hat seinen Grund nicht nur in der Illegalität der Droge und dem mangelnden Interessen der Pharmakonzerne.

Für Paul L. Kaufmann, dem Direktor des Glaukom-Zentrums an der Universität von Wisconsin in Madison, liegt dies eher an der Wirkungsdauer von Cannabis. Marihuana reduziert den Augeninnendruck nur für drei oder vier Stunden, muß aus diesem Grunde öfter am Tag angewendet werden. Was vom Konsumenten eventuell als angenehm empfunden wird, ist der Forscher Graus. Sie wollen ein Medikament, welches ohne psychoaktive Nebenwirkungen lange wirkt. Ein anderes Problem sieht Kaufmann darin, daß noch weitestgehend unbekannt ist, warum genau Cannabis den Augeninnendruck senkt. Kaufmann gibt zu bedenken: „Die Leute sagen, daß man Marihuana einfach legalisieren sollte. Dies ist nicht unsere Art ein Medikament zu entwickeln. Wir wollen die Mechanismen verstehen, die hinter den Vorgängen stecken, und dazu die Moleküle so verändern, daß man mehr von den positiven und weniger von den negativen Effekten hat. Dann folgen klinische Testreihen und am Ende hat man ein therapeutisches Produkt. So sollte auch beim Marihuana vorgegangen werden.“ Gleichwohl ist auch Kaufman von den neuen Erkenntnissen begeistert: „Wir können durch die Rezeptor-Forschung die hydrodynamischen Eigenschaften des Auges besser verstehen lernen.“

Sandra Welch
Sandra Welch

Ein weiterer Anwendungsbereich von Cannabinoiden sind deren schmerzstillenden Eigenschaften. Howard Fields, Professor für Neurology an der Universität von Californien in San Francisco, ist sicher: „Die momentane Explosion an Wissen über Cannabinoide, und hier vor allem das künstliche Herstellen von Agonisten und Antagonisten, wird uns befähigen, neue Schmerzmittel zu entwickeln.“ Seine Kollegin vom Medical College in Richmond, Virginia, stimmt zu: „Unser Ziel ist es, die Dosis der Cannabinoide soweit zu senken, daß kaum noch Nebeneffekte auftreten“, sagt Sandra Welch, Professorin für Pharmakologie. Wird Marihuana geraucht, nimmt der Konsument über 60 unterschiedliche Cannabinoide auf. Es ist zum Teil noch unklar, welche von diesen wie wirken, zudem muß noch erforscht werden, wie das Zusammenspiel der Cannabinoide funktioniert.

In den USA drängen mittlerweile immer mehr Forscher in das Gebiet der Cannabinoid-Forschung. Die Euphorie ist ungebremst: Angeheizt durch die gesellschaftlichen Umbrüche, die in Marihuana nicht mehr nur eine suchtbringende Droge sehen und den Fortschritten in der Rezeptor-Theorie erlebt das Wissen rund um die Cannabis-Pflanze einen enormen Aufschwung. Zunehmend werfen auch die großen Pharma-Konzerne ein Auge auf die Umtriebe, sie hoffen auf Medikamente, die die Kassen klingeln lassen. Auch namhafte Experten und Institute scheuen sich nicht mehr, Cannabis-Blüten ins Reagenzglas und unters Mikroskop zu packen. Mit der International Cannabinoid Research Society (ICRS) hat sich eine Organisation gegründet, die sich auf Cannabinoide konzentriert. Vor zwanzig Jahren galten Cannabinoide in erster Linie als Bestandteile einer Pflanze, mit der Mißbrauch (Rausch) betrieben wird. Heute steht dagegen die Erforschung eines der Hauptbestandteile des Neurotransmittersystems im Gehirn im Vordergrund.

Kategorien
Cannabis Drogenpolitik

Die Hand an der Knüppelschaltung

Hanfblatt, Juli 1999

Cannabiskonsumenten fahren gefährlich

Der laborärztliche Befund ist positiv. Während die werdende Mutter sich über solche Nachricht meist freut, ist dies für den Konsumenten von Cannabisprodukten oft der Beginn einer Odyssee durch die staatlichen Institutionen. Denn wer nicht nur Tabakrauch inhaliert und den Hütern der Ordnung in die Hände fällt, kann damit rechnen, in nächster Zeit freundliche Einladungen zum fröhlichen Zielpinkeln in Reagenzgläser zu erhalten. Aber der Reihe nach:

Wie fährt der Kiffer?

Es mangelt mittlerweile nicht an wissenschaftlichen Antwortversuchen auf die Frage, ob und wie sich das Fahrverhalten unter Cannabiseinfluß ändert. So legte Bernd Möller 1976 in seiner Dissertation über „Veränderungen der Fahrtauglichkeit unter Haschisch“ fest, daß „Kraftfahrer unter Haschischeinfluß grundsätzlich als fahruntauglich anzusehen sind.“ Dies sieht der US-Wissenschaftler A. Smiley anders. Nach Auswertung seiner Studien stellt er in Frage, ob Cannabis überhaupt verkehrsmedizinisch relevante Leistungseinbußen impliziere. Bei diesen konträren Ergebnissen stellt sich die Frage, wo die Wahrheit sich versteckt. Es gilt auch hier: Untersuchungsdesign, Auftraggeber und persönlicher Hintergrund der Forscher bestimmen maßgeblich das Resultat der Analyse – und natürlich die verabreichte Dosis. Dies gilt für die vielzitierte Studie von H.W.J. Robbe aus Maastricht ebenso. Ihr zufolge chauffieren leicht bekiffte Fahrer relativ sicher – jedenfalls im Vergleich zu angetrunkenen. Zudem erkennt der THC-Freund seine Ekstase und nimmt den Rausch länger wahr, als durch objektivierbaren Einbußen der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar wäre.

Fest steht: Akuter Haschischeinfluß beeinträchtigt die Reaktionszeit; aber nicht in dem Maße wie Alkohol. Zugleich zeigen die Probanden aller bisherigen Untersuchungen eine reduzierte Risikobereitschaft. Innerhalb der ersten Stunde nach Genuß traten die Verschlechterungen der Leistung um so deutlicher hervor, je schwieriger die Aufgaben waren und je mehr Leistungen gleichzeitig erbracht werden mußten. Spätestens jenseits der zweiten Stunde nach Rauchbeginn wurden in allen Studien nur noch wenige Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit eruiert.

So weit, so gut. Doch

wie reagiert die Obrigkeit?

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gab vor ein paar Jahren einem Autofahrer recht, welcher sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah, weil er sich nach dem kompletten Inhalieren eines Joints einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU, kurz: Idiotentest) unterziehen mußte. Der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Lübecker Landgerichts, Wolfgang Neskovic (später bekannt aus Funk und Fernsehen), vermutete daraufhin in der TAZ, daß die „allgemeine Hatz von Gerichten und Straßenverkehrsbehörden auf Haschischkonsumenten erheblich erschwert wird.“ Fehlurteil, Herr Richter! Auch nach dem Spruch des obersten Gerichts kam und kommt es in der Bundesrepublik zu massiven behördlichen Angriffen auf die Lizenz zum Karren.

Wer einen mobilen Untersatz steuert und dabei von der Polizei mit Cannabis in den Taschen überrascht wird, dem droht folgendes Szenario: Ob Urin-, Haar-, oder Blutprobe; die Meister der Wacht prüfen auf körperfremde Substanzen. Allen Berichten über „HaschoMaten“ oder sonstige „sichere Indikatoren“ zum trotz, gibt es allerdings bisher keinen Apparat, der Drogenkonsum sicher und exakt feststellen kann. Zwar kann Mithilfe moderner Meßtechniken angezeigt werden, daß der Mensch irgendwann in den vergangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert hat – es kann aber nicht festgestellt werden, wann (Stunden, Tagen oder Wochen?) und in welchem Umfang. Und: Auch die kulinarische Verarbeitung von Hanfprodukten, wie etwa durch geröstete Hanfsamen oder durch den Einsatz von Hanföl, führt bei einem kommenden Test zum Nachweis von THC-Metaboliten. Unter Umständen wird also sogar der Zugriff auf nachweislich gesunde Nahrungsmittel bestraft. Nur am Rande sei hier erwähnt, daß selbst Labore, die nach ähnlichen Arbeitsweisen vorgehen, häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine merkwürdige Praxis spielt sich ein: Trotz der Tatsache, daß keine Testmethode existiert, die den Zeitpunkt des Konsums auch nur annähernd exakt bestimmt, führt der positive Laborbefund in den meisten Fällen zum Entzug der Fahrerlaubnis. Die Chancen hierzu steigen noch, wenn der überführte Bösewicht offen eingesteht, ein Liebhaber der verbotenen Pflanze zu sein. In der Praxis ist das Vorgehen gegen die Konsumenten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Während in Bayern mit freistaatlicher Härte jeder sanktioniert wird, der jemals Marihuana oder Haschisch gekostet hat, kommen aus den Großstädten Hamburg und Berlin -Metropolen mit Problemstoffen härterer Natur- nur wenige Meldungen über restriktive Verfolgungen.

Bei der „Grünen Hilfe“ gehen in den Länderbüros zwischen zehn und 30 Anrufen täglich ein. Der Verein bemüht sich seit Jahren um Betroffene, deren Führerschein aufgrund von Haschischkonsum eingezogen wurde. Christiane Eisele bemerkt: „Es herrscht ein enormes Informationsdefizit bei den Kiffern.“ Einmal in eine Kontrolle geraten, im schlimmsten Falle eingeschüchtert durch die Uniformierten, schimmert bei vielen nur wenig Ahnung über ihre Rechte und Pflichten. Dabei tut Aufklärung dringend not, denn inzwischen lädt das Amt fast jeden, der auch nur einmal als Haschraucher aufgefallen ist, zur MPU. Wer hier nicht auf die Knie fällt und glaubhaft versichert, das Hanf ein Machwerk des Bösen ist, darf sich in den nächsten Jahren auf die Qualität seiner Schuhsohlen verlassen. Nicht genug damit: „Uns sind auch Fälle bekannt, wo das Arbeitsamt Drogenkontrollen durchführt und schon zugesagte Umschulungen storniert, das Arbeitslosengeld sperrt und den Menschen als dem Arbeitsmarkt nicht zumutbar deklariert“, berichtet Eisele.

So weit, so schlecht, doch

was ist zu tun?

Ein böser Verdacht verdichtet sich. Nicht nur, daß die Bonner Regierung bisher die Entscheidung des Verfassungsgerichts stillschweigend ignoriert; konservative Kräfte suchen allem Anschein nach einen Ausweg aus der Liberalisierungsfalle. Durch die Hintertür kann so der Haschischkonsum doch noch sanktioniert werden. Erste Schritte leitete die Verwaltung jüngst ein: Seit dem 1. Juli dieses Jahres eichen die amtlichen Prüfungsfragen den Fahrschüler auf Prohibitionskurs. Als Kraftfahrer sind danach alle Personen ungeeignet, die „regelmäßig Drogen, (wie z.B. Haschisch, Heroin, Kokain) nehmen, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Fahrt nicht fahruntüchtig sind.“ Andere, ähnliche Fragen und unstatthafte Behauptungen lassen den Fragebogen zu einem Instrument der Desinformation geraten, der jedweden wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Eine weitere flankierende Maßnahme, um Menschen den Genuß der Cannabis Pflanze zu versauern, ist die Hoffnung, daß wiederholte Urinkontrollen bei den sogenannten Drogendeliquenten ein Therapiemodell mit Zukunft sei.

Die „Grüne Hilfe“ fordert einen anderen Weg. „Haschisch muß aus dem Betäubungsmittelgesetz verschwinden“, sagt Eisele knapp. Ein Führerscheinentzug nur aufgrund des Nachweises von THC im Körper verstößt nach ihrer Ansicht ferner gegen das Gleichheitspostulat des Grundgesetzes (Art.3 GG), denn Alkoholtrinkern würde auch nicht generell der Führerschein entzogen. Daß die Behörde die Fahreignung von Kiffern strenger prüft als bei Konsumenten legaler Drogen, stellt nach Ansicht von Harald Hans Körner, Herausgeber des Standardkommentars über das Betäubungsmittelgesetz, jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, „da im Sicherheitsrecht Gefahren ohne Rücksicht darauf begegnet werden muß, ob andere Gefahren mit gleichem Nachdruck begegnet werden kann.“ Knackpunkt der staatlichen Argumentation ist weiterhin die Chance auf den „Flash-Back“. Dieses umstrittene Phänomen soll den Raucher Tage nach Haschlabsal urplötzlich wieder in den Rauschzustand katapultieren. Da kann man wohl nur sagen: Schön wär´s. Eisele nimmt an: „Solange das Verfassungsgericht nicht feststellt, daß es den Echorausch nicht gibt, wird das Alles so weiterlaufen.“ Das Verkehrsministerium überholt die Wissenschaft rechts und brachte jüngst einen Entwurf ein, welcher der herrschenden Praxis rechsstaatliche Legalität verschafft. Danach soll der- oder diejenige, deren Blut mit THC belastet ist, mit einem bis zu drei Monaten währenden Fahrverbot und einem Bußgeld zur Besserung gebracht werden. Im Blut läßt sich die berauschende Substanz indes maximal zwei Tage lang nachweisen. Danach fällt der THC-Metabolitenwert im Blutplasma auf unter 1.0 ng/ml und nach geltender Rechtsprechung ist dann von keiner Wirkung mehr auszugehen.

Wie groß muß nun die Angst sein, mit THC im Leib erwischt zu werden? Dies hängt maßgeblich von der konsumierten Menge, dem Körpergewicht und den Konsumgewohnheiten ab. Wer Abends einen Joint raucht, der kann am nächsten Morgen immmer noch über 1,0 ng/ml im Blut haben. Wer sich dann aus Sicht der Polizei auch noch ungeschickt benimmt, der kann den Lappen durchaus verlieren. Besser ist es mindestens 24 Stunden zwischen Konsum und Fahrtantritt verstreichen zu lassen. Dauerkonsumenten sollten sich sogar noch mehr Zeit nehmen.

 

Nachtrag 2007: Mittlerweile existieren durchaus genaue Methoden zur Messung der THC-Werte im Blut. Einen Einblick in den akutellen Sachstand von Messbarkeit, juristischen Folgen und MPU gibt:

Kategorien
Cannabis Drogenpolitik

Drogenpolitik in Arizona

Bekiffte Kuhjungen im Sattel

In Arizona darf gekifft und gedealt werden – wenn man Steuern zahlt

Langsam steuert Jeff seinen Van durch den Vorort von Tucson. Aus dem Radio klingt die blecherne Stimme Willi Nelsons, der Aschenbecher ist randvoll und das geöffnete Seitenfenster bringt nur wenig Kühlung. Zu heiß ist die Luft, als daß die Haut von Jeff ihre Bewegung als erfrischend empfindet.

Das kurze Aufheulen einer Sirene reißt den jungen Mann jäh aus seinen Träumen, im Rückspiegel erkennt er die blinkenden Warnleuchten eines Polizeiautos – anhalten! Betont lässig schlurft einer der beiden Cops zu Jeffs Vehikel. „Kann ich mal Führerschein und Fahrzeugpapiere sehen?“ Die Papiere sind in Ordnung, aber ein Blick auf die Ladefläche des Vans zeigt dem Cop, daß Jeff mit vier ausgewachsenen Marihuanapflanzen an Bord durch seinen Diskrikt fährt. „Und was ist das?“ fragt der Sheriff. „Vier Cannabispflanzen. Hier ist die nötige Lizenz, die dazugehörigen Steuermarken und eine Kopie vom Präzedenzfall des Amtsgerichts“, antwortet Jeff und überreicht die Dokumente. Nach kurzer Überprüfung wünscht der Cop „weiterhin eine gute Fahrt“.

Eine Fiktion? Eine nette gute-Nacht-Geschichte? Ein Kiffermythos? Nein, unlängst so geschehen in Arizona. Nach einer Entscheidung eines Gerichts in Phoenix, ist der Besitz und Verkauf von Marihuana legal, wenn die Bürgerin die staatliche Konzession sowie gültige Steuermarken ihr Eigen nennt. Und die erhält jedefrau beim Finanzamt. „Wir sind sicher, daß die Entscheidung des Gerichts wieder umgeworfen wird“, hofft Barnet Lotstein, Assistent des Staatsanwalts, welcher Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Das Gesetz sei nicht entworfen worden, um die Produkte der Cannabispflanze zu legalisieren, sondern um Drogenhändler zu bestrafen. Den Rechtshändel angezettelt hatte Peter Wilson, Vorsitzender des Ablegers der „National Organization for the Reform of the Marijuana Laws“ (NORML) in Arizona. Wilson war des Besitzes von Haschisch angeklagt, trotzdem er die staatlichen Lizenz besaß. Der Vorsitzende Richter, John Barclay, wollte nicht einsehen, warum Wilson auf der einen Seite Steuern für Rauschmittel zahlt, auf der anderen Seite für ihren Besitz bestraft werden soll.

Seit dem Urteilsspruch pilgern Scharen von Liebhabern der Hanfpflanze in den 48. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika. Legalisierungsbefürworter verkaufen Cannabis direkt vor dem Regierungssitz und Rich Davis, Inhaber des mobilen Hanfmuseums, welches mit ihm seit Jahren durch die USA zieht, brachte Ein-Gramm Beutel unter den Augen von Polizeioffizieren an Frau und Mann. Verhaftet wurde niemand. Ron Kiczensky kündigt die Eröffnung einer Firma an, welche ausschließlich Cannabis vertreibt. „Das wird die erste legale Marihuana-Zigaretten-Company“, freut sich der bekannter Marihuana-Aktivist.

Wilson triumphiert: „Holt Euch eure Lizenz, die Marken und eine Kopie des Gerichtsentscheids“, fordert er seine Hänflinge auf. Die einzige Einschränkung bevor man als legaler Dealer aktiv wird: Die Steuern sind im voraus zu entrichten. 100 amerikanische Taler für die Lizenz und 500 für die Marken berechtigen somit beispielsweise zur Rücklage von annähernd 1,4 Kilo Cannabis. Der Staat verpflichtet den Interessenten, mindestens 50 Ein-Gramm-Marken zu erstehen; schon eine Investition von 117.50 Dollar dürfte damit den Eigenbedarf decken.

„Dieses Gesetz gibt den Anschein, daß wir Marihuana-Konsum in diesem Bundesstaat legalisiert hätten“, wütet Scott Bungaard. Mit einem jetzt in das lokale Parlament eingebrachten Änderungsantrag will der republikanische Abgeordnete das muntere Treiben im Wilden Westen beenden. Zur Verwunderung aller Cannabisfreunde unterließ der Gouverneur des Staates, Fife Symington, es bislang, den zuständigen Behörden per Exekutivorder die weitere Ausgabe von Lizenzen zu untersagen. Nicht ohne Grund, vermutet man bei NORML, denn offiziellen Statistiken zufolge beschlagnahmte die Grenzpolizei Arizonas im Jahre 1994 fast 57 Tonnen Marihuana. Wären die Steuern hierfür ins Staatssäckel geflossen, könnte Symington für seinen nächsten Wahlkampf 18 Millionen Dollar mehr ausgeben. Dazu kommt, daß der aufgegriffene Hanf nur einen verschwindend kleinen Teil der Menge ausmacht, die jedes Jahr über die Staatsgrenze geschmuggelt wird…- eine unversiegbare Quelle steht dem Wüstenstaat in Aussicht.

Inzwischen erfährt dem Richterspruch Unterstützung durch juristischen Kollegen. Die obersten Gerichte von Illinois und Indiana sprachen ebenfalls Personen frei, die -wie Wilson- trotz einer staatlichen Legitimiation des Besitzes von Marihuana angeklagt waren. „Um die Marihuanasteuer zu bezahlen, muß man ein Verbrechen begehen“, begründete Richter Harrison aus Illinois seine Entscheidung.

Kategorien
Mixed

Urlaub und Cannabispolitik in Australien

HanfBlatt 12/98

 Down under geht es aufwärts

Aktivisten diskutieren, Bürger protestieren, Politiker lamentieren: Australien erwägt die Legalisierung von Cannabis.

Das sollte doch mal in Deutschland passieren: Hanfaktivisten demonstrieren vor einem Polizeirevier, dringen schließlich sogar in das Gebäude ein und lassen dort die Joints wandern. Nach kurzer Zeit lassen sie die Beamten im Nebel stehen und ziehen friedlich und unbehelligt weiter. Undenkbar? In einer obrigkeitsgläubigen Republik vielleicht, nicht aber auf dem kleinsten Erdteil des Globus´, in Australien. Hier geschah genau dies während einer Demonstration in Adelaide, Hauptstadt des Distrikts „South Australia“, an der mehrere Tausend Menschen teilnahmen. Mit ihrem Ruf „It´s not wrong to bong“, erschütterten sie das Glaubenssysteme der Bevölkerung, welche Marihuana oft noch für ein Kraut aus des Teufels Küche hält. Die Kundgebung war Ausdruck eines neuen Selbstbewußtseins der Hanfaktivisten, denn der Kontinent diskutiert seit einiger Zeit intensiv die Dekriminalisierung von Cannabis. Neben den Legalisierungs-Organisationen treten mittlerweile gewichtige Personen für ein Ende der Prohibition ein. Der oberste Staatsanwalt in Süd-Australien, Paul Rofe, schlug unlängst vor, den Anbau und Vertrieb von Marihuana in staatliche Hände zu legen. „Wir haben sowieso keine Chance den Drogenkonsum zu stoppen“, erzählte der Chefankläger, „wir müssen etwas drastisches versuchen.“ Wie es beim Verkauf von Alkohol und Tabak bereits praktiziert wird, müsse ein Regulierungssystem gefunden werden, welches es den Bürgern möglich macht, Marihuana über den Ladentisch gereicht zu bekommen.

Diese Ideen stehen nicht isoliert. Mehrere vom Parlament eingesetzte Kommissionen unterstrichen über die Jahre die Forderungen nach einer Änderung der bestehenden Gesetze, die den Konsum von Marihuana und seinen Produkten unter Strafe stellen. Schon 1979 setzte die damalige an der Regierung befindliche Arbeiterpartei in Süd-Australien ein Gremium zusammen, welches die Leitlinie für die zukünftige Gesetzgebung in Sachen Cannabis festlegen sollte. Die klugen Köpfen schälten fünf Alternativen heraus, wie der Staat mit dem pflanzlichen Rauschmittel umgehen kann:

  • Totale Prohibition. Der Staat führt den aus den USA bekannten „War on Drugs“.
  • Prohibition mit gemäßigten Geldstrafen.
  • Teilweise Prohibition, die aber Konsum und Besitz nicht mehr unter Strafe stellt.
  • Regulierte Zugangsmöglichkeit, wie im holländischen Coffee-Shop-Modell und in Alaska von 1975-1986.
  • Legalisierung ohne Qualitätskontrolle, Altersbeschränkung und Steuern.

Das Komitee empfahl die partielle Prohibition oder das Coffee-Shop-Modell. Dies wurde vom Lokalparlament abgelehnt. Als Reaktion auf die starre Haltung der Volksvertreter gründeten sich etliche Pro-Cannabis-Clubs, wie „Help End Marihuana Prohibition“ (HEMP) 1982, die „Cannabis Reform Foundation“ und ein Ableger der amerikanischen „National Organization for the Reform of the Marihuana Law“ (NORML). Der Arbeit dieser Gruppen ist es zuzuschreiben, daß 1986 dem Parlament die sogenannte „Cannabis-Buße-Note“ vorgelegt wurde. Marihuana blieb zwar weiterhin verboten, unter besonderen Umständen können die Behörden aber seither von einer Strafverfolgung absehen und ein Bußgeld ausstellen. Bei einem Anbau von bis zu zehn Pflanzen entgeht der Bauer ebenfalls den schwedischen Gardinen. Von einigen als Dekriminalisierung gefeiert, sieht die Realität düster aus: Während die Gesetzeshüter 1987 „nur“ vier Tausend Fälle von Cannabis-Konsum oder Anbau entdeckten, hat sich diese Zahl derweil vervierfacht. 1994 griffen die australischen Beamten 50 mal am Tag auf Kiffer zu, 17.700 Menschen mit Vorliebe für ein Genußmittel wurden so im gesamten Jahr behelligt. Über neun Tausend Beschuldigte weigerten sich, daß fällige Bußgeld zu zahlen und gingen vor Gericht. Mit einem Eintrag ins Strafregister oder einer Verurteilung aufgrund eines Rauschgiftdelikts ist es im Land der hüpfenden Beuteltiere nicht möglich in den Staatsdienst einzutreten, weder als Lehrer, Doktorin oder Krankenbruder. Auslandsreisen nach Japan oder die USA sind dann ebenfalls nicht mehr realisierbar. Die von so manchen Bürger als quasi-Freigabe eingeordnete Novelle stellte sich in der Praxis als restriktive Verschärfung heraus.

Der Landtag des Bundesstaates Victoria setzte Anfang diesen Jahres eine Kreis von Experten zusammen, die erneut über eine Reform der Drogengesetze beraten sollte. Deren Vorsitzender, Professor David Pennington, empfahl den Politikern Marihuana so schnell als möglich zu legalisieren. Dies wäre der effektivste Weg um Individuen davon abzuhalten harte Drogen zu konsumieren. „Der Anbau und Konsum muß freigestellt werden“, faßten die Wissenschaftler ihre Vorschläge zusammen. Solch ein Schritt zerstöre, so auch Staatsanwalt Rofe, nicht nur die illegalen Profite aus dem Schwarzmarktverkauf, sondern würde zudem bei jüngeren Menschen die „Attraktivität des Verbotenen“ reduzieren.

Wohl die Angst vor der eigenen Courage führte Regierungschef Jeff Kennett wieder ins Dunkle: „Bevor wir die Dekriminalisierung von Cannabis näher erwägen, wollen wir eine besser koordinierte, besser ausgestattete, mehr innovative und vorsichtig konzentrierte Erziehung und Aufklärung betreiben“, klang es in einer Pressemitteilung aus dem Kabinett. Die Reaktionen auf diesen Beschluß waren vernichtend: „Wie viele Menschen müssen noch unter der Prohibition beschuldigt und verurteilt werden, bevor das richtige Signal gesendet wird“, fragte Jamnes Dannenberg von HEMP, Sprecher der mittlerweile größten Initiative für die Reform der Cannabisgesetze. Zu einer wesentlichen Änderung der Drogengesetze kam es jetzt aber doch. In Zukunft werden Benutzer von Drogen nicht in erster Linie als Kriminelle, sondern als Kranke gesehen. „Wir überprüfen die bisherigen Strafmittel um sicherzustellen, daß Behandlung sowie Heilung und nicht Bestrafung an erster Stelle steht“, heißt es aus dem Ministerrat.

Die Querelen um die umfassende Umgestaltung der Richtlinien über die sogenannten Betäubungsmittel bestärken die Aktivisten nur in ihrem Bemühen. Schon 1994 feierten sie an der Flinders Universität in Adelaide die „Hemp Week“, ein Fest über eine Woche mit Ausstellungen, Vorträgen, Filmen, Debatten und „Smoke-ins“. Die „Hempster“ verbuchen es als ihren Erfolg, daß 1995 das Abgeordnetenhaus die ausgedehnte Erforschung von Hanf als Nutzpflanze beschloß – in Süd-Australien und Queensland wächst heute THC-armer Hanf.

Aber nicht erst die jüngere Zeit bringt der ehemaligen Strafkolonie des Commonwealth eine rege Legalisierungsbewegung. Den Ruf des „Hippie-Mekka“ erwarb ein kleiner Ort im Nordosten des Landes schon in den 70er Jahren. 1973 fand in inmitten des Regenwalds das „Aquarius-Festival“ statt, ein Woodstock ähnliches Happening mit viel Liebe und Dope. Seit damals pilgern zivilisationsmüde Bürger in den Ort und proben das alternative Leben. Es geht die Sage, daß Marihuana hier zu den Grundnahrungsmitteln zählt… Alljährlich am ersten Mai feiert die Kommune das „Mardi Grass“-Fest, welches immer dann besonders ausgelassen ausfällt, wenn die Ernte gut war und die Schober prall gefüllt sind (der urbane Markt fordert zunehmend gutes Gras). In den letzten zwei Jahren stieg allerdings auch in Queensland die Rate der Polizeieinsätze um ein vielfaches. Die konservativen Kräfte im Staat versuchen durch die neue Aggressivität den Befürwortern der Legalisierung die Lust am Anbau und am Protest zu nehmen. In Nimbin wie in den anderen Bundesstaaten verliert man gleichwohl das Ziel nicht aus den Augen. „Noch in diesem Jahrhundert wird die Prohibition fallen“, hofft man in Nimbin.

Kategorien
Drogenpolitik

Sohn des britischen Innenministers handelte mit Cannabis

Setzt Großbritannien seine harte Linie in der Drogenpolitik fort?

Die englischen Gazetten zeigten sich schon immer äußerst trickreich, wenn es darum ging an eine brisante Story zu kommen. Der jüngste Fall: Eine Reporterin des Daily Mirror, Dawn Alford, kaufte vom Sohn des Innenministers Cannabis. Strohdumm von William Straw, könnte man meinen, gleichwohl lastet man der Journalistin nun an, daß sie den 17jährigen Straw zu der Tat verführt haben soll. Kurz vor Weihnachten trafen sich die Beiden in einer Gaststätte in London, William Straw verkaufte Cannabis im Wert von sage und schreibe 25 Mark an die Pressefrau. Diese händigte das Kraut der Polizei aus und wurde -Ironie der Geschichte- auf der Stelle verhaftet.

Das Massenblatt veröffentlichte die Geschichte umgehend, konnte den Namen des Jugendlichen wegen seiner Minderjährigkeit nach britischem Gesetz aber nicht nennen. Dies übernahmen nun Zeitungen in Schottland, Irland und Frankreich. Ein Richter am High Court in London verfügte deshalb, daß auch in England der Name des Betroffenen genannt werden kann. William Straw besucht eine Gesamtschule in London, wo er gerade sein Abitur macht. Er will in Oxford studieren.

Der besorgte Vater Jack Straw, der im Kabinett von Tony Blair für die Drogenpolitik zuständig ist und als Hardliner gilt, sprach in einer eilig einberufenen Pressekonferenz von „Schock und Betroffenheit“, die er über die Vorwürfe gegen seinen Sohn empfunden habe. Er hatte William persönlich zur Polizeistation begleitet. Eine Anklageerhebung gegen den jungen Kiffer ist nach Angaben aus Justizkreisen unwahrscheinlich.

Der Chefredakteur des Daily Mirrors verteigte inzwischen das Vorgehen seiner Zeitung, welche die Reporterin ausgesandt hatte, um von einem Minderjährigen Drogen zu kaufen. „Hier liegt doch ein eindeutiges öffentliches Interesse vor“, sagte Piers Morgan. „Der Sohn des Innenministers verkauft Drogen und dieser Minister ist bekannt für seine harte Linie in Sachen Drogenkonsum.“

Die Politik auf der Insel nahm den kuriosen Fall zum Anlaß, auf die verfehlte Drogenpolitik des Landes hinzuweisen. Paul Flynn, Abgeordneter der Labour-Partei im Unterhaus, ging sogar soweit, die Legalisierung des Rauschhanfs zu fordern. „Vielleicht begreifen sie jetzt, daß weiche Drogen zum Alltag vieler junger Leute gehören – auch von Mittelklasse-Kindern von Ministern.“ Flynn behauptete, daß der Krieg gegen die Drogen verloren sei. „Die Wahrheit ist, daß 50 Prozent der jungen Frauen und 70 Prozent der Männer zwischen 20 und 24 schon einmal illegale Drogen genossen haben.“ Der einzige Weg um den Drogenkonsum zu mindern und die Drogenkriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen sei, so der dem linken Flügel seiner Partei zugehörige Flynn, die Austrocknung des illegalen Marktes durch den Ersatz mit einen legalen Markt. „Dieser kann überwacht, reguliert und kontrolliert werden“, spann der Hinterbänkler seinen Gedanken weiter.

Die Reaktion von Jack Straw ließ nicht lange auf sich warten. Der Innenminister machte in einem Interview mit der BBC deutlich, daß die Regierung nicht beabsichtige, die Drogenpolitik grundsätzlich zu ändern. „Marihuana ist eine gefährliche Droge und sollte natürlich nicht legalisiert werden“, erzählte Straw den Journalisten. Erst wenn nachgewiesen werde könne, daß Cannabis ungefährlich sei, müsse diese Haltung überdacht werden. „Die Berichte der Vereinten Nationen sagen aber immer wieder, daß diese Droge narkotisch wirkt und gefährlich ist“, meinte Straw weiter. Aus dem Dunkeln tauchte am Tag nach dem Interview plötzlich Steve Grant auf, Herausgeber des Londoner Magazins „Time Out“. Er gab der Öffentlichkeit bekannt, daß er in den 60er Jahren mit dem Bruder des heutigen Innenministers, Ed Straw, Joints geraucht habe. Und trotz dieses Umstands sei Ed heute ein ganz normaler Bürger in Essex, mit einer Familie und einem festen Job.

In Großbritannien formieren sich immer mehr Kräfte, die auf die Entkriminalisierung des Cannabis-Konsum drängen. Paul McCartney, mittlerweile geadelt und mit „Sir“ anzureden, fordert dies ebenso wie Alan Yentob, Direktor des Fernsehsenders BBC, Sir Kit McMahon, ehemaliger Vorsitzender der einflußreichen Midland Bank, Schauspieler Richard Wilson und die Inhaber der auch in Deutschland florierenden „Body-Shop“ Kleinkaufhäuser. Mit vorsichtigen, aber doch bestimmten Worten schaltete sich jüngst auch der „Lord Chief Justice“, einer der höchsten und wichtigsten Richter im Lande, in die Diskussion ein. Lord Bingham wünschte „objektive und unabhängige Überlegungen“ zu dem Themenkreis. Ob aber tatsächlich -wie vorgeschlagen- eine Royal Commission eingesetzt wird, muß bezweifelt werden. Schon 1969 hatte ein vom Unterhaus eingesetzte Cannabis-Kommission festgestellt, daß Cannabis keine physische oder psychische Abhängigkeit verursacht. Der Wootton-Report und seine Vorschläge der Entkriminalisierung fanden ein weites Echo, wurden aber vom damaligen Innenminister Jim Callaghan rundweg abgelehnt.

Tony Blair und seine Regierung haben sich der Aufgabe einer Revision der Drogenpolitik bislang noch nicht gestellt. Noch vor vier Jahren, als Labour in der Opposition weilte, schlug Clara Short, heute Staatssekretärin für Ministerium für Entwicklungshilfe, die Legalisierung von Cannabisprodukten vor. Heute gibt sich das Kabinett ahnungslos und befindet sich damit auf gleicher Ebene wie die Konservativen, deren innenpolitischer Sprecher Brian Mawhinney (auch geadelt) zur Diskussion seinen Teil beitrug: „Diese Partei meint nicht, daß Drogen legalisiert werden sollten.“ Brian Mackenzie, Präsident der Vereinigung der Polizeichefs, stieß ins gleiche Horn: „Jede Änderung der Einstellung, Menschen wegen Drogenbesitz anzuklagen, wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Das würde ein völlig falsches Signal senden.“ Nur die britischen Grünen sprechen sich offen für eine Entkriminalisierung des Hanfs aus.

Inzwischen mischen sich Wissenschaftler und Mediziner in die Diskussion ein. Wie in den USA und anderen Ländern fordern auch britische Therapeuten den Einsatz von Marihuana als Medizin freizugeben. Die „British Medical Association“ drängt seit einiger Zeit darauf, den wissenschaftlichen Umgang mit der natürlichen Substanz zu erleichtern. In einer Resolution, veröffentlicht auf ihrer jährlichen Tagung in Edinburgh (Schottland), forderten die Mediziner die Legalisierung zumindest der Inhaltsstoffe der Pflanze, die nachgewiesenermaßen Linderung bei Schwerkranken bringt. Bis 1971 war dies den Doktoren in Britannien ohnehin erlaubt. 74 Prozent der Mitglieder der Association sprachen sich jetzt in einer Umfrage dafür aus, Pot wieder verschreibungsfähig zu machen. Mike Goodman, Direktor der einflußreichen „National Drugs and Legal Advice Charity Release“, deutete nun ebenfalls an, daß eine Reform der bestehenden Gesetze notwendig sei. Das Gesundheitsministerium kann bislang nur Lizenzen vergeben, die es Wissenschaftlern erlauben, die therapeutischen Effekte der Cannabinoide zu erforschen. Momentan sind 19 solcher Lizenzen an Forschungseinrichtungen vergeben.

Harte Strafen

Der Umgang mit Cannabis wird in England noch immer hart bestraft. Allein der Besitz kann mit bis zu fünf Jahren, der Handel mit bis zu 14 Jahren Gefängnis enden. Das Aufziehen von Pflanzen ist natürlich ebenfalls verboten, der Import, Besitz und Verkauf von Samen ist allerdings nicht illegal, es sei denn, die Ordnungshüter weisen nach, daß die Samen für Kultivierung an die Frau gebracht werden sollen. Wer das erste Mal mit einer kleinen Menge Marihuana oder Haschisch erwischt wird, kommt zumeist mit einer Verwarnung oder Geldstrafe davon. Diese kann aber durchaus empfindliche Ausmaße annehmen. Den Sohn vom Minister wird’s weniger kratzen. In einem Londoner Außenbezirk hob die Polizei im vergangenen Jahr die größte Indoor-Marihuana-Plantage der Geschichte Englands aus. Insgesamt rupften die Beamten 1205 Hanfpflanzen aus der Steinwolle. Der Trend ist eindeutig: Die Briten kiffen gerne und bauen ihr Kraut auch selbst an. Während im Jahre 1977 rund 10 Tausend Pflanzen beschlagnahmt wurden, waren dies 1984 bereits 23.592 Pflanzen. Diese Zahl schnellte bis 1994 auf über 100 Tausend hoch (genau 107.629 Pflanzen). Wie aus der Tabelle deutlich wird, stieg auch die Menge der verfolgten Straftaten enorm an. 1992 machten die Cannabis-Vergehen 84.5 Prozent aller Drogenstraftaten aus, rund 1000 Menschen landen jährlich wegen Cannabis in Haft.

Gegenüber Kiffern hat sich vor allem in den Großstädten -ähnlich wie in einigen deutschen Bundesländern- eine informelle Politik der Polizei durchgesetzt, die von restriktiver Verfolgung absieht. Das Kiffen wird von den Beamten geduldet, so lange es nicht in aller Öffentlichkeit geschieht. Wenn die Situation keine formellen Aktionen fordert, wird auch nichts unternommen. Verlassen auf diese Gnade kann sich aber auch auf dem grünen Eiland niemand.

Die Pointe für den Schluß: Im nächsten Monat wird Jack Straws „Eltern-haften-für-ihre-Kinder-Gesetz“ im Oberhaus debattiert. Eltern, so will es Minister Straw, sollen Strafe zahlen, wenn die Kids etwas anstellen. Straw mache sich zum Gespött des Landes, wenn er das durchziehe, bemerkte Lord Russell von den Liberalen voller Vorfreude.