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Mixed Reisen

Das Inferno Rennen in Mürren

Snowboarder 11/2003

Zu faul für den Langlauf, zu feige für den Skisprung

Im Inferno-Rennen wird die Geburt des alpinen Abfahrtslauf gefeiert. Der 87-jährige Sohn des Erfinders, Sir Peter Lunn, fährt jedes Jahr mit.

Es war der 29. Januar 1928, ein denkwürdiger Tag, denn er begründete den alpinen Massensport. Ein gemeinsamer Start war geplant, aber einige der 18 Teilnehmer des ersten Inferno-Rennens waren noch beim Wachsen ihrer Skier, als Sir Arnold Lunn rief: „Come on, we´re off.“ Dieses Wochenende (25.01.2003) feiert das Schweizer Bergdorf Mürren das spleenige Rennen zum 60. Mal. Aus der Idee einiger skiverrückter Briten ist der größte Amateurwettkampf des weltweiten Skisports geworden.

Mürren

Annähernd 1800 Wagemutige werden sich auf die über 15 Kilometer lange Abfahrt vom Schilthorn ins Tal begeben. Selbst gute Skifahrer benötigen für den Rutsch eine ¾ Stunde, der Sieger rauscht in weniger als 15 Minuten ins Tal. Der Clou: Es sind nur zehn Tore zu passieren, ansonsten ist die Streckenführung frei. Schon 1928 ging es den Briten in erste Linie darum, das Erreichen des Ziels möglichst individuell zu gestalten. Knochenbrüche, Schürfwunden und Platzwunden waren bei der Abfahrt über verwehte Hänge, vereiste Partien und die bewaldete Talfahrt üblich. Aber nicht nur wegen der unpräparierten Piste waren die Strapazen damals bedeutend höher.

Wer die ersten Jahre am Inferno-Rennen teilnehmen wollte, musste einen fünfstündigen Aufstieg bewältigen, im Rucksack Verpflegung und die Rennausrüstung. Zum fast 3000 Meter hoch gelegenen Schilthorn führte noch keine Seilbahn, Seehundfelle unter den Skiern gaben den nötigen Halt. Nach kurzer Erholung ging es dann los. Bei der nun folgenden Tour mussten die Läufer das Fahren im Tiefschnee ebenso beherrschen wie Langlauftechniken. Der Parcours wartete nämlich mit zwei Gegensteigungen auf – einige Rennen wurden eher durch Armkraft und Schlittschuhschritt entschieden, als durch die tiefe Abfahrtshocke. Auch der Umgang mit öffentlichen Verkehrsmittel wurde geprüft: Die ersten Rennen führten an der Trasse der Bergbahnverbindung zwischen Mürren und Grütschalp entlang. Sodann schlängelte sich ein schmaler Sommerpfad ins Tal nach Lauterbrunnen, die geübtesten Skifahrer aber nahmen den direkten Weg durch den dichten Wald.

Den vierten Platz in dem historischen Rennen von 1928 belegte Doreen Elliott, obwohl sie unterwegs eine verunglückte Kollegin versorgt hatte. Nichts ungewöhnliches in dieser Zeit, wie Sir Peter Lunn, 87, versichert. „Ich stützte in einem Rennen vier Mal und wurde trotzdem noch neunter.“ Der Sohn des Inferno-Schöpfers fährt noch heute jedes Jahr beim skurrilen Rennen mit. Die Holzski der damaligen Zeit, so Lunn, brachen leicht und bargen ein stetes Verletzungspotential. „Da das Auswechseln der Skier daher erlaubt war, hatte ein ganz gewitzter Teilnehmer unterwegs seine langen Abfahrtsski gegen kürzere und frisch gewachste Ski ausgetauscht. Sicherlich ein Vorteil für die harte Abfahrt ins Tal und nicht sehr sportsmännisch.“

Sir Peters Vater, Arnold Lunn, gilt als einer der Pioniere des europäischen Skisports. Er war es, der 1924 in Mürren den noch heute bestehende „Kandahar Skiclub“ gründete, zwei Jahre vorher hatte er im Ort eines der ersten Slalomrennen der Alpen veranstaltet. Lunn war es auch, der sich gegen zahlreiche Widerstände beim Weltskiverband FIS dafür einsetzte, dass der Abfahrtslauf als alpine Disziplin mitaufgenommen wird. Unter Schneesport-Experten galt das schnelle und kontrollierte Abrutschen vom Berg als wertlos, Skifahrer gemeinhin als „zu faul für den Langlauf und zu feige für den Skisprung“, wie Sir Peter sich lächelnd erinnert. Vor allem die Skandinavier wollten den klassischen Langlauf schützen und so beauftragte die FIS erst 1930 denkwürdigerweise den „Ski Club of Great Britain“ und damit Arnold Lunn mit der Durchführung des ersten FIS-Wettbewerbs in den Disziplinen Abfahrt und Slalom. Es entstand der professionelle Skizirkus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem Gebirgssoldaten aus Frankreich und den USA, die das Inferno-Rennen für sich entscheiden konnten. Seit den 60er Jahren sind es aber meist die Einheimischen, die die lange Abfahrt gewinnen. Dank einer gut präparierten Piste erreichen von den 1800 Abfahrern nur rund 15 Personen das Ziel nicht. Auch Sir Peter Lunn wird das Rennen weiterhin bestreiten, und zwar nach eigener Aussage „so lange, wie ich mindestens zehn andere Läufer hinter mir lasse“.