Kategorien
Mixed

Inselhopping auf den Kykladen

PETRA, Februar 2004

Inselhopping auf den Kykladen

Wenn der Weg das Ziel ist

Ich erinnere mich nicht, jemals an einem so stillen Ort gewesen zu sein. 300 Meter hoch sitzen wir, direkt an der Steilküste, die weiß getünchten Zimmer im Hintergrund, vor uns die Ägäis. Den Kopf von links nach rechts wendend nur Meer. Kein Vogelgezwitscher, kein Insekt, nur ab und zu lässt der Wind ein vertrocknetes Blatt über den Boden rascheln. Es könnte diesig sein, ist es aber nicht; das Licht ist so hell, dass Himmel und Wasser sich in einem weißen Kranz vermischen. Oder ist es anders? Steuert Helio, der Sonnengott, freudig erregt, seinen Wagen gen Meer, vielleicht um sein Mütchen zu kühlen? Sein Palast steht im Osten, früh morgens treibt er seine flammenden, glühenden Rösser aus dem Tor und reitet durch den Tag, um Abends hinab ins westliche Meer zu tauchen. Dort ruht er sich aus und badet. In der Nacht setzt er sich in eine riesige Muschel und treibt auf dem Okenasstrom, der die Welt im Kreislauf umfließt, zurück in den Osten in seinen Palast. Ja, so reimten die Griechen und unser Herbergsvater auf der Kykladeninsel Anafi kommt wie zur Bestätigung um die Ecke geschlurft und blinzelt mürrisch in den letzten orangenen Zipfel von Helios´ Wagenspur.

Auf der Insel gibt es vier schöne Strände, wobei der letzte 700 Meter lang und total einsam ist. Wild zelten ist hier geduldet, leider sind meine Fußbänder gedehnt, der „Doktor“ auf der Insel faselte was von „five days“, aber ich fühle mich auch zwei Wochen später noch unmobil. Die Hängematte wird zu meinem Zuhause. Am Strand ist es Mittags fast unerträglich, obwohl wir erst Juni haben. Wir hocken im Schatten, muffeln den Salat und trinken lauwarmes Wasser. Das Badewasser ist dagegen herrlich kühl und pool-sonnenklar.

Santorin

Eine Mopedfahrt über die Insel zeigt uns die drei K. Es ist karg, knarzig, karstig. Grober Schotter, Gesteinsbrocken, manche faustgroß liegen im Weg. 45 Minuten gurken wir schon rum, Claudia presst sich an mich, der Wind umweht uns. Wir sehen keinen Menschen, auf der Insel scheint es mehr Kapellen als Menschen zu geben. Ab und zu steht ein Hühnerstall in der Pampa. Wir kommen über eine Kuppe, kühler Wind kündigt das Meer an. Wir halten, gehen zu Fuß weiter. Wachholderbüsche, wilder Thymian und andere stachelige Gewächse. Alles duckt sich, vor Wind und vor allem Sonne. Im August ist hier alles verbrannt, jetzt duftet es noch wundervoll. Aus der Ferne bräunlich-ocker wirkend, zeigen sich aus der Nähe doch viele Farben. Gerade in den kleinen Schluchten, durch die der seltene Regen abläuft, wachsen rhododrendronartige Pflanzen, Palmen sogar. Ein herrlicher Meerblick tut sich auf, wieder steht eine kleine, weiße Kapelle im Weg. Wir treten ein, drinnen ist es dunkel. Eine Kerze brennt seit Tagen, Räucherkohle und Weihrauch stehen bereit. Der Raum ist nur drei Meter lang und zwei Meter breit, schmucklos, nur Ikonen hängen an den Wänden. Die Atmosphäre ist spannend, aber wirkt auf mich nicht spirituell. Ich frage mich schon, was Menschen dazu brachte, an dieser Stelle Gott zu loben. Oder hatten sie Angst? Draußen ist es hell und schön.

]]>

Wir verleben erholsame Tage auf Anafi, fahren nach fünf Tagen weiter nach Naxos. Die größte Kykladeninsel ist im Westen gut erschlossen. Kein Wundern, hier gibt es kilometerlange Strände. Aber der Tourismus hat das Ambiente zerrissen. Nur vereinzelte Appartment-Anlagen, nichts gewachsenes. Unser Zimmer hat gleichwohl einen tollen Ausblick auf die Ägäis. In der Nachbarschaft wird gebaut – nichts ungewöhnliches auf allen Insel. Überall stehen halbfertige Häuser, aus vielen ragen Stahlstreben gen Himmel. Späte Blitze des Zeus. Für ein nicht fertig gestelltes Haus zahlt der Grieche keine Steuern, zudem scheinen die Leute eh ein anderes Verhältnis zum Rumstehen von Dingen zu haben. Meine These: Auch die altertümlichen Ruinen in Knossos und die Akropolis sind keineswegs Zeugen einer untergegangenen Hochkultur, sondern waren schon damals nicht fertig gestellte Bauversuche. Sorry for that.

Dimitri Kakianaiki, ein Mitfünfziger in stattlich Figur, breitem Grinsen und kleinen Augen lässt die Bernsteinkette Kugel für Kugel durch seine Hand laufen und schaut in die Ferne. „Ja, ja, Anfang der 70er Jahre wurde hier viel und wild gebaut. Außer Affenbrot gab es hier praktisch nichts. Dann kam der Tourismus“. Klick, Klick, der Rosenkranz klackert. „Aber jetzt schließen sogar Hotels hier auf Kreta wieder, weil die Touristen fehlen,“ Dimitri wirkt nur am Rande von der Krise betroffen, denn obwohl die Gäste ausbleiben – die Baulust der Griechen ist ungebrochen. Überall auf Kreta, überall auf den Kykladen stehen die bekannten halbfertige Villen, Appartements und Häuser in der Landschaft. Wieder klickert das Kettchen. Dimitri grinst. Er hat Ingenieurwesen in München studiert und ist jetzt Baulöwe, sogar einer der größten auf Kreta. Seine Frau Anna spricht im gewohnten Komisston, nein, eher wie die Vorsitzende eines Universitätsprüfungsausschusses im Deutschland der 30er Jahre. . „Tell me your plans!“ Jawoll! „Was ist los in Deutschland? Was macht der Schröder?“, fragen sie sich, fragen sie uns. Wir sagen: Entschuldigung, Entschleunigung. Zeus sei Dank kommt jetzt Olympia und die Griechen hoffen auf gute Spiele, „auf welche mit Kultur“, sagt Dimitri und Anna nickt.

Santorin ist eine unfassbare Weide für die Augen. Die Insel liegt am Rande eines Vulkans, der zum letzten Mal in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhundert ausgebrochen ist. Das Hauptdorf, die Chora, klebt weiß an der Steilwand in 500 Meter Höhe. Ein Bild für die Götter. Der riesige Kratersee ist die Ägäis selbst. Der Sonnenuntergang legt sich wie ein sanftes Tuch über das Dorf und unseren Seelen. Aber: Zu viele Touris, wir wollen weiter.

 

Koufonissi, ja! Buchten, Sandstrände, Wasser in türkisblau. Ruhiger Übergang in den wirren Tourismus gesucht. Die Fischer sitzen und warten. Ich lese Henry Millers Hohelied auf das Land und seine Bevölkerung und kann nicht recht folgen. Was er Stolz nennt ist für mich Arroganz. Pimpf Miller tauchte in den 30er Jahren in Griechenland auf und wurde natürlich gleich in die Künstlerkreise eingeführt, die vor wild fabulierenden und gestikulierenden Griechen nur so strotzten. Meine Gespräche mit den Griechen verlaufen zwar in fröhlicher Stimmung, wir bauen eine Ebene des Verstehens auf, reden oft lang und kompliziert in radebrechenden Englisch, man lacht sogar, und am Ende kommt raus, dass wir von unterschiedlichen Dingen gesprochen haben. Macht nix, ist ja Urlaub. Frieden im Herzen fordert Henry Miller. Jeder muss bei sich selbst Anfangen, große Pläne nutzen wenig, sagt er. Mmh.

Die Natur entschädigt für das Essen, gleichwohl bleibt es dabei: Nur eine tote Mücke ist eine gute Mücke. Haben Mücken eigentlich Augen? Ich empfinde es als so hell wie nirgendswo sonst auf der Welt zuvor. Die Sonnebrille ist defekt, macht auch nix, denn die würde mir eh Teile des Spektralspektakels (was für ein Wort) rausfiltern. Das Wasser ist durchleuchtet, so hell, dass meine Muse ihren blassen Nagellack im Wasser erkennt. Fauna und Flora fehlen aber, Folgen der Überfischung. Bis vor zehn Jahren wurde hier noch mit Dynamit gefischt. Im diesem Himmel möchte man baden. Im Zenit schon hellblau wird er zum Horizont weiß, mischt sich mit dem Dunst des Meeres zu einem unendlichen, weich gezeichneten Übergang,

Es wird heißer von Tag zu Tag. Eine träge Stimmung breitet sich aus, mein Fuß steckt mit Bänderdehnung im Verband, ich in der Hängematte. Das letzte Quentchen Hirn fließt in Sand und Kiesel. Übrig bleibt Entspannung, sorry, Entschleunigung. Dieser Atmosphäre entsprangen die Mythen, oder waren sie sogar zuerst da, die Sagen? Aber wo sind die unterirdischen Linien der philosophischen Grundlagenforschung, die hier vor unser Zeitrechnung schon betrieben wurde? Wo sind sie heute noch zu sehen im Land? Ich fühle mich ein wenig wie am Anfang der Zeit. Alles hier und bald auch wir sind wesentlich. Reduziert auf Erde, Luft, Wasser, Licht. Nackt, völlig enthüllt. Das Gute, das Schöne, das Wahre. Vielleicht wehren sich die Griechen im Innersten gegen den technische Fortschritt. Er passt nicht hierher. Die Vorfahren haben schon vor 2. Jahrtausenden das Wichtigste gesagt und gedacht. Weiter braucht der Grieche nicht. „Hier, nehmt und macht was draus.“

Tage später. Angekündigt ist George Tromaras. Vom Hafen her dudelt Musik, von einer krächzenden Stimme unterbrochen. Auf der Mole bietet sich ein merkwürdiges Bild: Ein altes Campingmobil steht quer, davor auf blankem Zement ein paar Bänke. Auf dem Wagen ist das Konterfei von Tromaras gemalt, darunter sein Name mit dem Zusatz „Champion Greece and Europe“. Worin?, könnte man fragen. Der Mann ist gottkräftiger Eisenbieger. Auf der Motorhaube eines alten Ford-Transit ist mit einem Tau ein Megaphon befestigt, daraus tönt die Stimme des Herrn. Im Hafenbecken daneben liegt ein Frachter, ein wahrer Seelenverkäufer, dessen Heck bis zur Reling im Wasser versinkt, dessen Bug aber unbelastet aller Sorgen in den Himmel ragt. Drei Seemänner in weißen Unterhemden wollen sich das kommende Schauspiel nicht entgehen lassen und lungern an der Rehling rum. Die Fischerboote im nahen nachtschwarzen Wasser sind weiß getüncht. So wie tagsüber der Himmel ins Wasser fließt, so fließt Nachts das Wasser horizontlos in den Himmel über. Die Boote schweben.

Wie aus anderen Welt steht der Utensilienkoffer des Bären vor seiner rollenden Höhle, groß wie ein ledriger Sarg mit Griff. Aus dem Koffer lugen Eisenfedern, eine Stange steht daneben. Kinder wollen den Körperkünstler sehen, dazu ein paar Opas und halbstarke Griechen in Muskelshirts. Er wird biegen und brechen. Schüchtern betrachtet ein Mädchen den Koffer als plötzlich der Herkules, der neue Herkules , mit zwei polternden Sätzen aus dem Mobil auf den Platz springt. Das Mädchen nur halb erschrocken, der Auftritt leicht vermasselt. Da steht er nun mit schwarzem Ringeranzug, die kurzen Beine stecken in dunkelbraunen Ringerschuhen, die ihm fast bis zu den Knien reichen. Bandagen schützen die Gelenke. Schwer atmend steht er da, der legitime Erbe vom Herakles und beginnt seine Rede. Was sagt er? Er spricht von seinen Heldentaten, berichtet von mehrköpfigen Schlangen, die er besiegte, von Riesen, die er bezwang.

Mit kurzer Geste bringt er die am Eingang stehenden Unentschlossenen zum Schweigen – Gehen oder bleiben, aber nicht dumm Rumsabbeln, ihr Ignoranten. Ja, vielleicht ist er nur ein Jahrmarktclown, aber er weiß von seiner Kraft, seinem Stolz und er muss niemanden fürchten hier. Ja, vielleicht steht er kurz vor der Abhalfterung, aber über diese entscheidet er selbst. Sein kleiner Helfer schlägt ihm zum warm werden die Eisenstange drei, sogar vier Mal auf die gewölbte Brust. Herakles schreibt bei jedem Schlag, so laut, dass sich die Stange verbiegt. Zwei Männer hebt er hoch, nur mit dem Nacken, einen Nagel treibt er mit purer Muskelkraft durchs dicke Holz. Gar 18 Männer, 9 auf jeder Seite, zerren an ihm, versuchen ihn zu zerreisen, er brüllt, er schwitz, die Reihe wankt, die Kinder kreischen, die Oma zittert gar vor Furcht, aber er trotzt allen Kräften.

Ganz außer Atem schöpf er Luft aus warmen Himmel, kündigt von der nächsten oder alten Tat. Wir wissen es nicht, zu fremd ist seine Sprache. Einen Knoten nimmt er in den Mund, daran ein Band, zehn Meter lang an dem blauen Transit gut befestigt. Es wackelt nun das Megaphon, der riesenhafte Zwerg zieht nicht nur den einen, nein, auch die dahinter stehende über die Mole; fast bis ins schwarze Hafenbecken. Stühle rücken, verwunderte Gesichter: Wohin will er? Wozu das Alles? Die Menge johlt, die Menge klatscht. Ja, Herakles ist stark, ein Heros, ein Mann aus alter, voralter Zeit sogar, als die Menschen und Götter noch wild zusammen lebten, sich schlugen und bumsten.

Jetzt kommt ein Auto auf die Bühne, Vati sitzt am Steuer, die Kinder auf den Bänken. Der alte Japaner hat bessere Tage erlebt, der Kofferraum ist zugebunden, die Kotflügel verrostet. Einige Worte im harrschen Ton des Kraftmeiers, dann gibt der Vater Gas, doch Herakles hält gegen, hebt den Wagen ganz vorne an, Entlastung wird den Reifen zuteil und aus lauter Dankbarkeit hüllen sie den Platz in Gummiqualm. Nun ist kein halten mehr, die Kinder stehen auf den Bänken, rechts hinten brennt eine rote Fackel, die Show ist aus. Der Gesandte, späte Sohn des Zeus packt seinen Koffer, Schweiß perlt in seine dunkeln Augen, die gütig blinzeln. Pure Kraft ist göttlich wohl.

Jörg Auf dem Hövel

P.S. Deutschland ist so grün aus der Luft. Hamburg ist es auch auf der Erde. Bäume, herrliche Bäume, Sträucher, Gras. Ich möchte reinbeißen. Sonne über der Stadt, die Elbe erinnert mich an das Meer. Der Mann im Elbcafe neben mir setzt sich einen Schuss – Willkommen in der Hochzivilisation. Hier frisst man Scheiße und hängt vor der Glotze ab, Bayer hilft mit Insulin.

Kategorien
Drogenpolitik Rezensionen

Die CIA und der globale Drogenhandel

telepolis, 15.02.2004

Geheimdienst-Politik unter Drogeneinfluss

Ein umfassendes Werk beschreibt, wie sich CIA und prohibitive Drogenpolitik ergänzen

Alfred McCoy, Professor für Geschichte an der Universität Wisconsin, stellt in seinem Buch „Die CIA und das Heroin“ die unheilvolle Rolle der CIA bei der Verbreitung von Heroin und Kokain auf dem Globus dar. Aus der historischen Aufarbeitung ist eine scharfe Abrechnung mit der prohibitiven Drogenpolitik geworden.

Seit nunmehr 30 Jahren erforscht McCoy die Bemühungen der CIA, in den strategisch wichtigen Regionen der Welt mithilfe unterschiedlicher Machthaber den Einfluss der USA aufrecht zu erhalten. 1971 reiste er erstmals nach Südostasien, um den Bündnissen zwischen Drogenbaronen und Geheimdiensten auf die Spur zu kommen. Heraus kam „The Politics of Heroin in Southeast Asia”, ein Buch, in dem er den Heroinhandel „eher enthüllte als erklärte“, wie McCoy heute sagt. In seinem neuen Buch geht er den Schritt weiter und stellt auf über 800 Seiten ausführlich die Gründe für die historischen und aktuellen Verstrickungen des Geheimdienstes CIA in den internationalen Heroin- und Kokainhandel dar.
Mohn

Sein Credo: Das Vorgehen der CIA war in Burma, Laos, Afghanistan gleich und ist heute in Südamerika ähnlich: Die lokalen Stammesgesellschaften oder Clans wurden von der CIA im Kampf gegen den Kommunismus mobilisiert. Um Kräfte für geheime Operationen und Kriege freimachen zu können, mussten die Menschen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abziehen. Um die fehlenden Lebensmittel nun kaufen zu können, setzten sie auf den weniger arbeitsintensiven, aber lukrativen Mohnanbau. Aus Sicht der CIA ersparten die guten Erlöse aus dem Mohnanbau ihnen die Kosten, die geheimen Verbündeten versorgen zu müssen. Soweit, so gut, nur waren die längerfristigen Auswirkungen dieser Politik fatal.

Denn egal ob in Burma, Laos oder Afghanistan: Aus Warlords wurden mithilfe der CIA unabhängige Drogenproduzenten, die ihr Gewerbe nach dem Ende des Geheimkriegs nicht aufgaben. In den 50er Jahren, als die CIA die irregulär in Burma einmarschierten nationalchinesischen Truppen unterstützte und so maßgeblich zur Entstehung des „Goldenen Dreiecks“ beitrug, in den 60er Jahren, als im Dschungel von Laos mit Wissen der CIA die ersten Labore für Heroin entstanden; die genau das hochwertige Heroin herstellten, welches zunächst von den GIs in Südvietnam konsumiert wurde und später den US-Markt fluten sollte, und in den 80er Jahren, als die afghanischen Freischärler die von der CIA erhaltenen Privilegien für den Aufbau eines riesigen Mohnanbaugebiets im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan nutzen: Die kurzsichtige Politik des amerikanischen Geheimdienstes vor Ort führte nicht nur zu einer global stetig wachsenden Heroinproduktion, sondern hinterlässt destabilisierte Regionen. „So klein und entlegen sie sind, erweisen sich diese Hochlandgesellschaften in der Folge der CIA-Geheimkriege doch als Horte gravierender internationaler Instabilität – als schwarze Löcher der neuen Weltordnung.“ In jedem Drogenkrieg der USA – ob in der Türkei in den 70er Jahren oder in den Anden in den 90er Jahren – hat die Verbotspolitik nach Meinung von McCoy zu unbeabsichtigten Resultaten geführt, weil die lokale Bekämpfung globale Auswirkungen zeigte. Der Logik McCoys ist gut zu folgen: Wie bei den Märkten mit legalen landwirtschaftlichen Erzeugnissen führt eine Verknappung des Angebots ohne gesunkene Nachfrage a) zu höheren Preisen und b) zu einer Verlagerung der Produktion in andere Weltteile. So stieg der weltweite Opiumpreis, nachdem die USA die Türkei 1972-73 zur Bekämpfung des Mohnanbaus im Land gedrängt hatten, deutlich an; und um die weiterhin konstante Nachfrage zu befriedigen bauten nun einige asiatische Länder vermehrt den nötigen Mohn an.

Aber nicht für Asien, auch für Südamerika zeigt McCoy aktuelle Beweise auf. Der „Plan Columbia“ beispielsweise, der vom us-amerikanischen Kongress im letzten Amtsjahr von Bill Clinton verabschiedet wurde, bewilligte ein Antidrogen-Programm in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Mit diesen Mitteln wurden Militärs vor Ort ausgebildet, Hubschrauber frei gestellt und vor allem die Kokafelder in Kolumbien entlaubt. In kurzer Zeit zerstörten das Militär Ende 2000 30.000 Hektar Kokaplantagen in der Provinz Putumayo, nach Ansicht McCoys „mit dem vorhersagbaren Effekt, dass sich der Anbau in die benachbarte Narino-Provinz verlagerte“. Ein Spiel, das sich noch mehrmals wiederholen sollte. Nach zwei Jahren „Kolumbienplan“ gab das Außenministerium zu, dass sich die Plantagenflächen zwischen 1999 und 2001 trotz aller Bemühungen von 122.000 Hektar auf 170.000 Hektar vergrößert hatten.

Ein Krieg zielt immer auch auf das personifizierte Böse beim Gegner. In Panama stellte dieses Böse General Manuel Noriega dar, in Kolumbien Pablo Escobar, in Burma ein Mann mit Namen Khun Sa. Der Sturz dieser Drogenbarone führte aber nie zu dem gewünschten Effekt der Verringerung, sondern immer nur zur Verlagerung des Angebots.

Vorsichtigen Schätzungen zufolge ist der weltweite Drogenmarkt heute ein voll etablierter Wirtschaftszweig, der nach UN-Angaben rund 400 Milliarden Dollar jährlich umsetzt. Dies sind rund acht Prozent des Welthandels – mehr als mit dem weltweiten Verkauf von Automobilen umgesetzt wird.

Die Schuld der CIA, so McCoy, bestehe nicht in der aktiven Mittäterschaft bei Drogengeschäften, dies käme äußerst selten vor, sondern in der stillen Duldung des Handels und der Komplizenschaft mit ihren geheimdienstlichen Handlangern – der ungewollten Aufzucht der „Drogenbarone“.

Die Drogenprohibition ist aus Sicht von McCoy aus zweierlei Gründen nicht durchsetzbar. Zum einen scheitert sie an der wirtschaftlichen Dynamik einer begehrten Ware. Weil die Zwangsmaßnahmen nicht global durchsetzbar wären, seien die Konsequenzen kontraproduktiv. „Nach 30 Jahren gescheiterter Ausrottungsversuche zeigt eine Fülle von Belegen, dass der illegale Drogenmarkt ein komplexes globales System ist, das gleichermaßen empfindlich und widerstandsfähig reagiert und Repression rasch in einen Stimulus verwandelt.“ Im Rückblick auf dieses über 100 Jahre währende Experiment müsse man einräumen, so McCoy, dass die Prohibition aber nicht nur im Hinblick auf die internationale, sondern auch die individuelle Kontrolle gescheitert ist. Mehr noch, der Preis des Scheiterns ist hoch: in den Quellenländern militärische Konflikte und erzwungene Migration, in den Konsumländern Masseninhaftierungen, steigende HIV-Infektionen und soziale Polarisierung.

Das immer offensichtlichere Scheitern eines „Krieges gegen Drogen“ hält den Direktor des Office of National Drug Control Policy, John Walters, nicht davon ab, an der orthodoxen Prohibitionspolitik festzuhalten. Sein Bekenntnis zur Amtseinführung: „Nur wenn wir zurück schlagen, wird das Drogenproblem kleiner.“