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Chinas Gegner – Robert Enke und der Hundefellhandel

dogs 6/2007

In China hergestellter Hundepelz landet auch an deutschen Anoraks. Die Tierschutzorganisation PETA und der Bundesligatorhüter Robert Enke kämpfen dagegen.

Jörg Auf dem Hövel
Es gibt durchaus Leute, die verstehen die Aufregung nicht. „Wir fragen uns schon, warum Zeit und Ressourcen für einen Gesetzgebungsprozess zur Einführung eines Handelsverbotes verschwendet werden, wenn es diesen Handel gar nicht gibt.“ Die Dame, die so spricht, ist Susanne Kolb-Wachtel, Vorsitzende vom „Deutschen Pelz Institut“ in Bonn. Ihr Stein des Anstoßes: Das nun schon Jahre währende Bemühen des EU-Parlaments, die Einfuhr von Hunde- und Katzenfell in die Europäische Union zu verbieten. Denn in Asien, vor allem aber in China, existieren nachweislich offene Märkte, auf denen das Fell frisch getöteter Hunde und Katzen angeboten wird. Wie viele davon in die EU und nach Deutschland gelangen ist unklar, fest steht, dass in den letzten Jahren in Einzelfällen schon Pelzbesatz aus Hundefell auch in deutschen Kaufhäusern entdeckt wurde.

Kolb-Wachtel sieht gleichwohl kein Grund für ein Importverbot. Die internationale Pelzbranche hat ein System zur Kennzeichnung aller Pelzwaren ins Leben gerufen, die Etiketten weisen die handelsübliche Bezeichnung des verwendeten Pelzes sowie die wissenschaftliche Bezeichnung in lateinischer Sprache auf. Nur leider ist der globale Handel von den Maßnahmen der deutschen Kürschner beeindruckt, Hundefell wird weiterhin aus China in die Welt und über Umwege auch nach Deutschland exportiert. So gelangt es unbemerkt als Taschen-Innenfutter, Handschuh oder sogar Möbelbezug in deutschen Haushalten.

Einer, der die Aufregung daher durchaus versteht, sitzt in seinem Bauerngarten in der Nähe von Hannover und streichelt die langen Stehohren seines Podencos „Pincho“. Robert Enke, Torhüter von Hannover 96 und einer der besten Torhüter der Fußball-Bundesliga, hat die TV-Bilder und Berichte aus China noch in schlechter Erinnerung. Die Tierschutzorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) und der Filmemacher Manfred Karremann hatten erstmals 2005 einen Tiermarkt in Guangzhou im Süden Chinas aufgesucht und Aufnahmen mit nach Hause gebracht, deren drastische Brutalität bei ihm bleibenden Eindruck hinterließ.

Die Tiere wurden in winzigen Drahtkäfigen zum Markt transportiert. Schon beim Abladen der Käfige nahm man Knochenbrüche in Kauf. Nach der tierschutzwidrigen Haltung wurden die Tiere meist qualvoll getötet, eine vorherige Betäubung fand nicht statt. Es gab Aufnahmen, die zeigten, wie Hunde wie Katzen bei lebendigem Leibe enthäutet wurden. „Mir tut das körperlich weh, solche Bilder zu sehen“, sagt Enke.

Schnell fiel der Entschluss bei Enke und seiner Frau Teresa sich für ein Ende dieser Quälerei einzusetzen. Enke stellt sich seither immer wieder für Kampagnen von PETA zur Verfügung. Das dies keine Lippenbekenntnis eines Promis mit Geltungsdrang ist, zeigt das Leben des Ehepaars mehr als deutlich. Man hält acht Hunde, zwei Katzen und ein Pferd auf dem kleinen Hof im Dörfchen Empede. „Wie alle diese Hunde zu uns kamen, das ist eine Geschichte für sich“, schmunzelt Enke. Eine Geschichte die zeigt, wie eng das Schicksal der Enkes an ihre Vierbeiner geknüpft ist.Zeitsprung in das Jahr 1996. Robert Enke, damals gerade 19 Jahre alt, hat einen Angebot vom Bundesliga-Erstligisten Borussia Mönchengladbach erhalten. Eine enorme Chance. Für ihn und seine seine Freundin Teresa bedeutet das den Umzug aus der vertrauten Umgebung in Jena nach Gladbach. „Als Kind war in unserer Familie an einen Hund nicht zu denken“, erinnert sich Enke, „das war zum einen im Plattenbau schwer zu realisieren, zum anderen in der DDR ohnehin eher unüblich.“ Teresa dagegen ist mit Tieren aufgewachsen, bringt als Kind oft Tiere mit nach Hause, rettet Vögel und einmal sogar ein krankes Rehkitz.

Trotz der kleinen Wohnung in Gladbacher Neuwerk-Viertel keimt der Hundewunsch in beiden auf. Das städtische Tierheim zeigt sich kompliziert, ein Züchter kann mit einem Mischling helfen, sein Name: Bo.
Die Saat war gelegt. Ein zweiter Kanide sollte dem ersten Gesellschaft leisten, zugleich wollte man dieses Mal einem herrenlosen Hund eine neue Heimat geben. Es wurde Kontakt zu einem lokalen Tierheim aufgenommen, so kam Alamo ins Haus. Ein Hund, der trotz eines Auftrittes bei „Tiere suchen ein Zuhause“ unvermittelbar erschien. „Ein behinderter Jagdhund mit dreieinhalb Beinen“, wie Enke bitter bemerkt. „Wahrscheinlich ein Verkehrsunfall.“ Die Erziehung des Hundes war ungewohnt, die Enkes waren unerfahren. „Da haben wir Fehler gemacht“, gibt er zu. In der Mietwohnung wurde es gemütlich, man könnte auch sagen eng.

Lissabon

Drei Jahre später. Enke ist mit 22 Jahren noch immer der jüngste Torwart der Liga, die Fachwelt ist von der Mischung aus schnellen Reflexen und der für sein Alter außergewöhnlichen Souveränität begeistert. Aber Gladbach steigt ab, Enke möchte nicht mit in die zweite Liga und wechselt gemeinsam mit Trainer Jupp Heynckes nach Lissabon. Ein Traumjob, Benfica ist einer der europäischen Spitzenclubs, Robert Enke muss zugreifen. Er sorgt für neuen Rückhalt in der Mannschaft, wird Kapitän, ist Publikumsliebling.

Aber das Leben in Lissabon zeigt den Enkes, welchen niedrigen Stellenwert Hunde in einer Gesellschaft haben können. Die Haushälterin hält sich einen Hund, der verdreckt und ausgemergelt an einer zwei Meter langen Kette die Umgebung rund um seine Hütte erkunden darf. „Kein schöne Anblick“, erinnert sich Enke. Man holt die Mischlingsdame „Leao“ (span: Leão) regelmäßig ins Haus, um sie von Zecken zu befreien und zu säubern. „Aber nach einer Woche sah der Hund wieder genauso aus.“ Die Entscheidung fiel nach ein paar Monaten, man kauft die Hündin. „Die ist bis heute die Chefin hier.“

So kommen nach und nach immer mehr Hunde in den Haushalt. Zunächst „Hexe“, ein Straßenhund, später Oscar und Branca. In einer städtischen Hunde-Auffangstation entdeckt man einen Mischling, der sich kaum auf den Beinen halten kann. Wieder schlägt die Hundeliebe zu, man tauft ihn „Balu“. Ursprünglich ist eine Vermittlung nach Deutschland geplant. Ein unmögliches Unterfangen, der Hund hat die Staupe. Das Fieber steigt bis auf 41 Grad Celsius an, Balu hat keinen Appetit und bleibt apathisch. Den Enkes steht ein Problemfall ins Haus, es ist klar, das das erkrankte Tiere nur mit strikter Hygiene zu retten ist. Zudem muss die Ansteckung der anderen Hunde vermieden werden. Die virale Infektion wird aufwendig mit Serumantikörpern behandelt, gegen die Begleiterkrankungen werden Infusionen und Antibiotika eingesetzt. Balu erholt sich.

Damit ist die Hundefamilie der Enkes aber noch nicht komplett. Die Sprachlehrerin der Familie stößt eines Tages auf einen gerade angefahrenen Welpen. So kommt „Vincent“ zu den Enkes. Mindestens zehn Knochenbrüche in dem kleinen Körper, der Tierarzt rät dazu nicht einzugreifen. Tatsächlich verheilten die Brüche von alleine und Vincent entwickelt sich zum quirligen Mittelpunkt des Rudels.

Familiäre Idylle und sportliche Leistung beeinflussen sich positiv, Enke gilt im Jahr 2001 als einer der besten Torhüter Europas. Nur in Deutschland erhält die Leistung des Torwarts wenig Aufmerksamkeit. Fußball-Deutschland horcht erst auf, als Enke ein Angebot des FC Barcelona erhielt. Nach 77 Spielen für Benfica wechselte Enke 2002 zum spanischen Verein. Er ist damit der ersten deutschen Spieler seit Bernd Schuster, dem dieses Privileg zuteil wird.

Umzug mit sieben Hunden, die private Aktivität wird für Teresa Enke zur Berufung und sogar zum Beruf: Sie beginnt im Tierheim „Manresa“ zu arbeiten. Dort fällt ihr „Pincho“ auf, der Potenco, der krank ist und ständiger Betreuung bedarf. Das ist im Tierheim nicht zu schaffen, Teresa nimmt ihn mit nach Hause. Bis heute ist der Hund sehr ängstlich, die Enkes vermuten, dass er stark misshandelt wurde.
Sportlich läuft es nicht gut. Enke ist nur die Nummer drei und spielt in zwei Jahren nur in einer Partie. Er wird nach Istanbul und Teneriffa ausgeliehen, die Zukunft ist unsicher. Ein Angebot von Hannover 96 passt in die Familienplanung. 2004 ziehen Familie und Hunde zurück nach Deutschland.

Vor der Fußball-WM 2002 in Japan und Korea fällt bei Robert Enke der Entschluss, sich im Rahmen einer Kampagne von PETA einzusetzen. Unter dem Motto „Kick the ball, not the dog!“ protestiert er auf einem Foto gegen die erschreckenden Haltungs- und Tötungsmethoden für Hunde in Korea. Dort gilt Hundefleisch als Delikatesse. Es sind für Enke aber weniger die Essgewohnheiten, als der grausamen Weg in den Tod, der ihn aktiv werden lässt.

Für eine neue PETA-Kampagne im letzten Jahr stellten sich Enke und seine sieben Hunde ins Tor auf dem Sportplatz in Empede. Der Slogan: „Wir haben nur einen Angstgegner: Pelzträger!“ Seine Worte sind deutlich: „Wer einmal das Leid gesehen hat, wird sich sofort meinem Boykott anschließen. Ich lehne jeden Pelz grundsätzlich ab, und hoffe, dass mir viele Menschen folgen.“

Es dauerte Jahre, aber nun scheinen die Proteste zu fruchten. Beim Verbraucherschutzkommissar der EU, Markos Kyprianou, sind 200.000 Briefe und über 10.000 E-Mails eingegangen, die auf die Zustände in China hinwiesen. Aller Voraussicht nach wird das Verbot für ein europaweites Handelsverbot für Hunde- und Katzenfell am 1. Januar 2008 in Kraft treten.


So können Sie helfen

Die Tierschutzorganisation PETA setzt sich für einen artgerechten Umgang mit Hunden ein. Auf ihrer Webseite kann man auch Aktionen gegen den Hundefellhandel in China unterstützen. Informationen unter www.peta.de oder unter Telefon: 07156 – 178 28 – 0. PETA ist auf Spenden angewiesen, um dem Elend der Tiere ein Ende zu bereiten.

Während der Torwart-Zeit von Robert Enke in Barcelona hat Teresa Enke im Tierheim „Manresa“ gearbeitet. Dieses organisiert den Transport von Hunden von Spanien nach Deutschland. Auf der Webseite werden verschiedene Hunde ausführlich vorgestellt. Informationen unter www.tierheim-manresa.de

Hundefellhandel in China

Hunde aller Arten haben in China einen schweren Stand, ihr Wesen gilt als minderwertig, ihr Fleisch dagegen in einigen Regionen als sehr gesund. Allerdings hat Chinas wirtschaftlicher Aufschwung dazu geführt, dass sich immer mehr Städter Hunde als Haustiere halten. 2006 war nach dem chinesischen Horoskop das „Jahr des Hundes“, es löste eine Hundehalterboom aus. Viele der Hunde wurden später wieder ausgesetzt, in einigen Städten gelten Hunde mittlerweile als Plage. Hundefell gelangt in China auf drei Weisen auf den Markt: Entweder über große Zuchtfarmen oder über das Einsammeln von Straßenhunden. Ein Tierschutzgesetz existiert nicht, die Hunde werden unter erbärmlichen Bedingungen gehalten und meist qualvoll getötet, zum Teil werden sie lebendig gehäutet, bevor das Fell verwertet wird. Nach einer Schätzung der EU lassen alleine in China jährlich nahezu zwei Millionen Hunde und Katzen so ihr Leben.

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Rezensionen

Rezension Max Goldt: Quite Quality

HanfBlatt Nr. 108

Max Goldt: Quite Quality

Als Journalist über ein Buch von Max Goldt eine Rezension zu schreiben, das ist so, als wenn ein Christ über das bisherige Schaffen Gottes urteilen sollte: Vermessen. Oder sehe nur ich das so? Nein, das ist gold(t)ene Wahrheit und vielleicht sollte man tatsächlich ein staatlichen Verbot der Rezension seiner Bücher verordnen, zugleich aber seine Texte zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen machen.
Was soll man also überhaupt noch sagen über Max Goldt? Vielleicht: Schande über uns, das Hanfblatt, dem Mann erst in der 108 Ausgabe zu huldigen. Er ist der Herrscher über die deutsche Sprache, viel eindrücklicher, bestimmter und zugleich intelligenter, als es meinetwegen die Sprachpolizisten Wolf Schneider oder Bastian Sick sind. Er ist der Gott der Titanic, ein Meister der Lesung, der Grand Signeur der Groteske. Kein Lob ist zu viel für ihn. Zitate sind nicht erlaubt. Er ist der unfreiwillige Apostel des Kifferhumors. Onkel Max ist der Bewahrer des In-die-Küche-laufens-und-seiner-Freundin-zurufend-“hör-mal-was-er-hier-schreibt“. Alle Bücher lohnen sich, es fing an mit „Ungeduscht, geduzt und ausgebuht“, großartig auch „Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau“.
Nun also „Quite Quality“, das ist laut Max Goldt alles das, was nicht schreit und spritzt, die ruhige Art des Genießens der stillen Güte, vielleicht. Sein neuestes Buch versammelt wieder einmal Texte aus der Frankfurter Monatszeitschrift „Titanic“. Es besteht kein vernünftiger Grund, den Inhalt seiner Beobachtungen hier auszubreiten, lieber seien einige Lesetipps gegeben: 1. Nie mehr als zwei Texte hintereinander lesen. 2. Einen ruhigen Ort wählen, Musik oder TV ausnahmsweise ausschalten. 3. Langsam, aber Sätze nicht zweimal lesen: Flow.
Fazit: Goldt ist der hosentragende Beweis, dass absurder Kifferhumor völlig nüchtern rüberkommen kann. Er schafft die stete Verdoppelung, das Gemotze über das Gemotze, krass ausgefeilt, rein sprachlich gesehen. Und am Ende kommt raus: Das Aufheben des allgemeinen Realitätszorn und dessen Überführung in die bessere Welt sauberer Speisewagen. Es gibt kaum ein wirksameres legales Mittel gegen schlechte Laune. Ach ja, schön ist auch das Lesezeichenbändchen im Buch. Das nenne ich Quite Quality!
Am Ende doch ein Zitat – aus einem seiner seltenen Interviews: „Meine Absicht ist aber überhaupt nicht, die Menschen zum Lachen zu bringen, sondern schöne und elegante Texte anzufertigen, in dem sich die gesamte emotionale Bandbreite menschlichen Lebens darstellt.“ O.k., noch ein Zitat, dieses Mal aber vom Vermesser der Welt, Daniel Kehlmann, der Unrecht hat, wenn er sagt, „Max Goldt gehört gelesen, gerühmt und ausgezeichnet“. Nein, wir wollen ihn nicht der Masse der brüllenden Fanmeilenbesucher ausgesetzt sehen. Er ist doch glücklich, wir auch, was sollte also der Rummel? Und wer ihn bis jetzt nicht bemerkt hat, ist ohnehin doof, dem ist mit einem Fingerzeig wenig geholfen, ein blinder Nachmacher ist der, jawohl. Von daher darf auch diese Rezension ignoriert werden.

Jörg Auf dem Hövel

Max Goldt: QQ
Rowohlt, Berlin, 2007
Gebundene Ausgabe: 155 Seiten
ISBN-10: 3871345814
EUR: 17,90

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Rezensionen

Rezension Arno Adelaars, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling: „Ayahuasca.Rituale, Zaubertränke und visionäre Kunst aus Amazonien.“

HanfBlatt Nr. 103

Ayahuasca

„Mutter Erde ist krank…Jeder Einzelne von uns wird sich der Pflicht stellen müssen, zu versuchen, das Gleichgewicht der Kräfte wiederherzustellen und Mutter Erde zu respektieren.“
Shuar-Schamane Hilario Chirip (S.228)

Seit sehr langer Zeit bereiten die Schamanen vieler indigener Kulturen und mittlerweile auch sogenannte Mestizo-Schamanen insbesondere im oberen Amazonasgebiet in den heutigen Ländern Kolumbien, Ecuador, Peru und Brasilien ein psychedelisches Gebräu zu. Dieses, bekannt unter dem Namen Ayahuasca, findet seit Ende der Achtziger Jahre zunehmendes Interesse unter westlichen Sinn- und Heilssuchern mit einer Affinität zu Grenzerfahrungen mit stark wirksamen psychoaktiven Substanzen. Iquitos in Peru ist Zentrum eines regelrechten Ayahuasca-Tourismus. Mit Ayahuasca praktizierende Schamanen werden auch in westliche Länder eingeladen, um dort Rituale abzuhalten. In Brasilien existieren mehrere synkretistische Religionen, in denen christliche, afrobrasilianische und indianische Elemente über die Visionen und den messianischen Anspruch ihrer Gründer zusammenfließen. In deren verbindenden Ritualen spielt Ayahuasca eine entscheidende Rolle. Die Bereitschaft zumindest von Teilen dieser Kirchen, sich neugierigen und erfahrungshungrigen Westlern zu öffnen, stieß besonders in Kreisen bekanntermaßen psychedelika-freundlicher Osho-Anhänger auf Begeisterung. Diese soll allerdings ob der hierarchischen Strukturen und des Dogmatismus, die nun einmal jeder organisierten Religion inhärent sind, schon wieder abbröckeln. Ayahuasca genießt derzeit aber immer noch den Ruf einer Art Wunderdroge. Es ist deshalb sehr zu begrüssen, dass drei kompetente Leute vom Fach mit dem vorliegenden Werk einen ausgezeichneten dreiteiligen Einstieg in die Welt des Ayahuascas bieten.

Christian Rätsch erläutert aus ethnobotanischer Sicht die im Ayahuasca, sowie die im schamanischen Ayahuasca-Ritual bedeutenden Pflanzen. Ayahuasca ist in der Praxis ein stark von der Intention des Zubereitenden abhängiges Gebräu, das so ungefähr das Gegenteil einer standarddosierten Pille aus dem Chemielabor darstellt, auch wenn sich die wichtigsten Ingredienzien chemisch als Harm(al)in und DMT subsumieren lassen. Die Ayahuasca-Erfahrung wird vom Schamanen durch den Einsatz einer ganzen Reihe von psychoaktiven Pflanzen, Räucher-, Duftstoffen etc. manipuliert und variiert. Was Rätsch hier gekonnt und wie ein Rap lesbar erläutert und dabei auch noch nachschlagetauglich ist, ist Grundlagenwissen. Lediglich zwei besserwisserische Anmerkungen seien mir gestattet: Die Opuntien enthalten nach Trout den bisherigen Analysen zufolge allenfalls Spuren von Meskalin (S.59), sind also für den ambitionierten Psychonauten nach derzeitigem Wissensstand wenig fruchtbar. Bei dem Hauptwirkstoff von Yopo (Anadenanthera peregrina-Samen) scheint es sich nach der Mehrzahl der von Trout und Ott gesammelten Analysen wie bei Cebil (Anadenanthera colubrina-Samen) um Bufotenin (nicht DMT) zu handeln (u.a. S.53ff). Dafür sprechen auch Selbstversuche. Bufotenin ist stark psychoaktiv, der Rausch aber anscheinend oft vom Körpergefühl her recht anstrengend.

Claudia-Müller Ebeling nähert sich der kaum in Worte zu fassenden Ayahuasca-Erfahrung über deren künstlerischen Ausdruck, den sie in den Objekten der sie nutzenden Kulturen ebenso wie in den Werken zeitgenössischer Künstler findet. Genial filmisch umgesetzt wurde sie übrigens von Jan Kounen in „Blueberry“. Hier nur eine Anmerkung: Albert Hofmann nahm einst nicht heroische 100 g, sondern ledigllich 2,4 g getrockneter Psilocybe mexicana im Selbstversuch ein (S.95), nicht dass das Einer nachmacht… Christian Rätsch streicht in einem eigenen Abschnitt aus seinem enormen Kenntnisfundus die Bedeutung der Musik im Ayahuasca-Ritual heraus und plaudert Einiges über den Einfluss auf populäre Musik aus.
Einen einzigartigen Einblick und einen hervorragenden Überblick über die real existierende Ayahuasca-Scene bietet der lange Beitrag von Arno Adelaars. Er war bei vielen Ritualen dabei und hat über Jahre ausführlichst recherchiert. Ob mit Ayahuasca praktizierende Schamanen in den oben erwähnten Ländern, die brasilianischen Ayahuasca-Kirchen oder Do it yourself-Rituale im Westen, seine sachlichen Berichte und persönlichen Interviews öffnen den Horizont. Wichtig auch Claudia Müller-Ebelings kritische Bemerkungen zum Schamanismus-Kulturtransfer. Schamanen beherrschen uralte Techniken des Heilens. Ayahuasca kann hierbei ein hochwirksames Hilfsmittel sein. Schamanen sind und bleiben Menschen und taugen nicht als exotische Ersatz-Erlöser. Man sollte sich hüten, sie mit all seinen westlichen Projektionen zu überfrachten und aufs Podest zu stossen, nur um sie bei Zeiten dann womöglich gar berechtigter Weise wieder hinunterstürzen zu können.
Ein Glossar, eine sehr gute Bibliographie und eine kleine Discographie schließen dieses sehr empfehlenswerte Werk ab.

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Arno Adelaars/ Christian Rätsch/ Claudia Müller-Ebeling
Ayahuasca.
Rituale, Zaubertränke und visionäre Kunst aus Amazonien.
AT Verlag, Baden und München 2006
Geb., 312 S., 8 Tafeln mit 35 Farbabb., zahlreiche SW-Abb.
ISBN 3-03800-270-4
23,90 Euro