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Mixed Tipi Aufbau

Tipi Aufbau Anleitung

Aufbauanleitung für ein klassisches Indianer-Zelt

Die ausführliche Anleitung liegt als Datei im .pdf Format vor.

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Der folgende Text ist der aus dem PDF, nur ohne Bilder. Das PDF ist vorzuziehen.

Tipi
Aufbauanleitung

Jörg Auf dem Hövel
General Public License 2000
http://www.gnu.org/copyleft/
Oder: Wie Sie ein Indianer-Zelt aufbauen und trotzdem gute Laune bewahren

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort
1. Einleitung
1.1 Warum Wigwam?
1.2 Übersicht über Konstruktion und Aufbau
2. Voraussetzungen
2.1 Tipi-Stangen
2.2 Plane und anderes Zubehör
3. Aufbau
3.1 Der Dreifuss
3.2 Der Rahmen
3.3 Das Cover
3.4 Das Lining
4. Inneneinrichtung
4.1 Feuer
4.2 Ordnung der Dinge
5. Troubleshooting

Vorwort

Anleitungen für den Aufbau oder die Zusammensetzung von komplexen Gerä ten sind häufig schwer verständlich. Nach dem Kauf unseres Tipis waren wir aber doch entsetzt über die mit gelieferte Bedienungsanleitung. Nach einigen fehlgeschlagenen Aufbauversuchen bemerkten wir nicht nur, dass der Aufbau eines Tipis Geduld und Zeit benötigt, sondern das eine besser strukturierte Aufbauanleitung eventuell Wunder wirken könnte. Die folgenden Seiten sind diesem Versuch gewidmet. Wir sind Besitzer eines Tipis der Firma „Nomadenleben“ (www.nomadenleben.de) mit 5.50 Meter Durchmesser. Viele Daten dieser Aufbauanleitung beziehen sich auf ein Tipi dieser Größe, das Prinzip des Aufbaus bleibt aber bei größeren und kleinern Zelten das Gleiche. Vieles des hier Geschriebenen basiert auf dem Klassiker von Reginald & Gladys Laubin: The Indian Tipi. Its history, construction, and use.2. Aufl., University of Oklahoma Press, 1977. (www.ou.edu/oupress).

Viele Zeichnungen und Fotos sind aus dem Buch übernommen und ergänzt worden. Wer sich umfassend über das Wigwam (ja, ich weiß, ich Wigwam ist kein Tipi) informieren will, sei dieses Werk wärmstens empfohlen. Diese Aufbauanleitung unterliegt keinem Copyright. Im Gegenteil, die Weitergabe darf nur unentgeldlich erfolgen. Verbreitung und Verbesserungen sind erwünscht.

Der Autor ist unter joerg@aufdemhoevel.de zu erreichen, eine Online-Version dieses Dokuments steht unter www.aufdemhoevel.de.

Rock on!

Jörg Auf dem Hövel (Sommer 2000, mit Nachträgen im Sommer 2011)

1. Einleitung

1.1 Warum Wigwam? Darum. Am einfachen Aufbau kann es nicht liegen, um gleich mal etwas schlechte Stimmung zu machen, es muss also andere Gründe geben. Zum einen wäre da die Ästhetik: Ein Tipi bietet ein harmonisches Bild mit und in der Natur. Innen ist es kreisförmig. Zum anderen wäre da die opitmale Raumausnutzung. Ein weitere Punkt ist das Feuer im Zelt. Der Mythos von Karl May bis John Wayne spielt garantiert auch eine Rolle. So unähnlich ist die deutsche Landschaft der amerikanischen Prärie zudem nicht.

1.2 Grundlegendes über Konstruktion und Aufbau
Ein Tipi ist ein eiförmiger Konus, die Rückwand steht etwas steiler als die vor dere Seite, an der sich die Tür befindet. Ein Tipi mit 5.50 Durchmesser von vorne bis hinten ist demnach etwas schmaler von Seite zu Seite. Es besteht aus neun Stangen, auf denen die Tipi-Haut liegt und zwei sog. Rauchklappenstangen (s. Kapitel 3.3) von gleicher Länge und Beschaffenheit. Die ersten drei Stangen, der sog. Dreifuss, sind entscheidend für den Aufbau. Dieser Dreifuss muss korrekt stehen, ansonsten passen sich die restlichen Stangen der falschen Grundkonstruktion an (s. Kapitel 3.1). Hier der Tipi-Aufbau im Schnelldurchlauf: Um den Dreifuss korrekt zu errichten wird die spätere Tip-Haut als Schablone benutzt. Die Plane wird auf dem Boden ausgebreitet, drei Stangen darauf gelegt und oben zusammen geknotet. Dann wird der Dreifuss aufgerichtet (s. Kapitel 3.1). Sodann stellt man fünf weitere Stangen in richtiger Reihenfolge in den Dreifuss ein (s. Kapitel 3.2). Eine weitere Stange dient als Hebestange für die Tip-Haut. Um sie wird die Plane gewickelt, das Bündel wird dann in die letzte frei Stelle in die Stangenkonstruktion eingestellt. Dann wird das Cover abwickelt, vorne geschlossen und fertig ist die Laube (s. Kapitel 3.3). Nee, erst kommen noch die beiden Rauchklappenstangen in die Laschen und innen wird das sog. Lining, eine zweite Haut, gespannt. Soweit, so gut, tatsächlich braucht es ungefähr vier bis sechs Versuche bis das Tipi zum ersten Mal formvollendet steht.

2. Voraussetzungen
2.1 Tipi-Stangen
Die Fichte bietet sich an. Für ein Tipi mit einem Durchmesser von 5.50 Meter sollten die Stangen rund sieben Meter lang sein. Diese Länge bringt einige Probleme mit sich: Die Stangen sind schwer zu handeln und der Transport mit dem PKW ist kaum möglich – es sei denn man teilt die Stangen. Aber dazu später mehr. Zunächst gilt es möglichst gerade Stangen zu besorgen: Der örtliche Förster hilft hierbei gerne weiter, in der Försterei gibt es für wenig Geld eine Genehmigung zum Schlagen der elf Bäume. Klug ist es eine Stange mehr zu schlagen, um im Bedarfsfall eine Ersatzstange parat zu haben. An der Basis sollten die Stangen nicht mehr als 10 cm Zentimeter Durchmesser haben. Wir haben unsere Fichten in einem Wald bei Hamburg geschlagen und geschält. Ein professionelles Schälmesser leistete dabei gute Dienste. Ein weiterer Tipp: Die Fichten erst im Frühling schlagen, wenn die Bäume voller Saft sind – die Rinde geht dann erheblich leichter abzulösen. Wichtiger aber noch ist, die Fichten sofort oder am selben Tag zu schälen, ansons ten wird es von Tag zu Tag schwerer die Rinde abzukriegen. Die Spitzen fein auslaufend dran lassen, das sieht besser aus. Die Stangen sollten durchtrocknen, bevor sie zum ersten Mal benutzt werden. Um Tipi-Stangen mit dem Auto transportieren zu können müssen sie in zwei 3.50 Meter lange Teile zersägt werden. Die Schnittstelle haben wir mit einer Kupferrohrkonstruktion versehen, so dass die Stangen recht einfach wieder zusammen gesteckt werden können. Die Stangen müssen auf alle Fälle fest miteinander verbunden werden und dürfen sich an der Schnittstelle nicht durchbiegen. Klug ist es natürlich die Stangen zu nummerieren. Im Internet hat die Firma Tent-Store eine weitere interessante Teilungsmöglichkeit veröffentlich (http://www.tent-store.de), bei der man die Stangen auf einem halben Meter vertikal teilt und mit Schlossschrauben verbindet. Sicherlich lassen sich auch interessante Steckkonstruktionen mit Alu- oder stabilen Kunstoffrohren konstruieren. Optisch ist das vielleicht nicht so der Hit, eine solche Konstruktion dürfte aber leichter zu packen, zu tragen und aufzubauen sein.

2.2 Plane und anderes Zubehör
Das Cover kauft man, es sei denn man möchte es selber nähen. Dazu steht im Buch von Reginald & Gladys Laubin: The Indian Tipi ein Schnittplan. Hier die Liste mit dem nötigen Zubehör. Einiges davon liefern die Hersteller mit dem Cover mit, anderes muss selbst besorgt und gebastelt werden. – Cover (die Tipi-Haut: Vorher Imprägnieren, nie nass einpacken.) – Tür (lappen) – 22 Heringe (entweder aus Holz oder aus Metall. Nicht zu kurz…) – 10 Lacing-Pins (Holznadeln, mit denen das Tipi vorne zusammengahlten wird.) – 14 Meter Ankerseil (rund 1cm Durchmesser. So schön der Hanf auch ist, die Seile sind nur bedingt wetterbeständig. Besser sind Kunstoffseile in neutraler Farbe. Mit diesem Seil wird der Dreifuss zusammen gebunden.) – 20 Meter Lining-Seil (rund 0,5cm Durchmesser. Mit diesem Seil wird die innere zweite Haut angebunden.) – Wimpel nach Wunsch.

3. Aufbau
3.1 Der Dreifuss Ein sonniger Tag sollte locken, wenn das Tipi zum ersten Mal errichtet wird. Es liegt alles bereit: Die 11 Stangen (9 für den Rahemn, zwei als sogenannten Rauchklappenstangen). Zur Klarstellung: Die Aussenhaut des Tipis dient jetzt nur als Schablone für die Ausrichtung und Bindung der ersten Tipi-Stangen – sie wird danach wieder zur Seite gelegt. Das Cover mit der Innenseite nach oben auf den Boden ausbreiten, so dass die Lederetiketten auf dem Boden liegen. Es ist darauf zu achten, dass kein feuchter Dreck oder Erde an die Haut kommt – die Flecken sind nur schwer zu entfernen. Bei drecksträchtigen Boden wirkt eine untergelegte Plastikplane Wunder. Ein Mensch macht sich nun baren Fusses, damit Fussabdrücke auf dem Cover verhindert werden. Drei kräftigte und lange Stangen auf die Plane legen, so wie auf Zeichnung 1. Die unteren Stangenenden ragen nur eine halbe Schlaufenlänge über das Cover hinaus. Die spätere Türstange D zeigt Richtung Osten, wenn möglich, (denn dort geht die Sonne auf) zwischen 9 und zehn Uhr. Sie kommt auf den beiden anderen Stangen (S und N) zum Liegen. Die Türstange D und die anderen Stangen sollten sich ungefähr in Höhe 5.10 Meter überkreuzen (gemessen von der Basis von N oder S aus). Am oberen Ende des Anbindlappens des Covers werden die drei Stangen zusammengebunden und zwar nicht mit den Seilen des Anbindlappens, sondern mit einem Extra- Seil, welches rund 14 Meter lang sein sollte und etwa 1 Zentimeter stark. Der in Zeichnung 1 abgebildete Knoten eignet sich hervorragend. Keine weiteren Knoten, so ist gewährleistet, dass die Stangen später noch leicht verschoben werden können. Der Rest des Seils wird Richtung Basis von N und S geworfen.

Jetzt kann der Dreifuss aufgerichet werden. Dazu zieht ein Mensch am Seil, der andere steht unterm Knoten und hebt an. Die Konstruktion wackelt nun auf den Seilzieher zu – er zieht nur so lange, bis sie fast aufgerichet ist. Zugleich nimmt der zweite, bislang unter dem Knoten stehenden Mensch die von ihm aus rechts liegende Nord-Stange N und schwingt sie mutig aber bedächtig so herum, dass ein Dreifuss entseht (auf Punkt N in der Zeichnung 2). Dieser Mensch achtet darauf, dass sich der Knoten nicht verschiebt. Das geht am besten dann, wenn er frühzeitig Richtung N geht und so den Knoten unter Druck hält. Nun steht das Grundgerüst des Tipis! Die genaue Ausrichtung der Stangen ist bei den ersten Aufbauversuchen der Methode von trial and error unterworfen, ein kleiner Trick hilft aber manchmal weiter: In der Mitte des Dreifuss (unter dem Knoten) lässt sich ein Hering postieren. Von diesem aus misst man den Abstand zu den Stangen. Der Abstand zu den beiden hinteren Stangen (N und S) sollte etwa gleich sein, der zur vorderen Türstange D etwas länger. (R&G Laubin geben in ihrem Buch für ein allerdings grosses Tipi einen Wert von 2.54m bzw 3,27m an.) Ein Wert sollte unbedingt gemessen werden: Fällt man ein Lot von der Stangenkrone aus ist diese 4,45m vom Boden entfernt. Die beiden hineren Stagen stehen etwas steiler als die Türstange.

3.2 Der Rahmen
Die Aussenhaut kann jetzt erst einmal zur Seite gepackt werden. Etwaige Wim pel oder Fähnchen müssen jetzt an die oberern Stangenspitzen angebracht werden. Nun gilt es die anderen Stangen in der korrekten Reihenfolge in den Dreifuss einzustellen um einen Rahmen für das Cover zu bauen. Dazu werden zunächst die beiden vorderen Stangen rechts von der Türstange D eingestellt (also zwischen D und N), wobei eine auf der anderen in der selben Gabelung zum Liegen kommt (s. Foto rechts, auf welchem allerdings eine Stange mehr e i n g e s e t z t ist.) Als letztes wird eine hintere Stange zwischen N und S eingestellt. Warum nur eine Stange? Weil die letzte Stange im Verbund die sogenannten Hebestange L ist, die in ein paar Minuten gegenüber der späteren Tür eingesetzt wird.

Zeichnung 3 zeigt ein Tipi mit 15 statt wie in unserem Fall mit neun Stangen. Das Prinzip der Aufstellung ist aber das Gleiche. Man beachte die gestrichelte Linie für den auf dem Boden liegenden Dreifuss. Es wird deutlich, dass das Tipi keinesfalls rund ist, sondern ein Ei-Form hat. Zudem ist es kein reiner Konus, sondern ein leicht verschobener Konus, dessen Rückwand steiler steht. Die Zeichnung zeigt auch die spätere Ordnung der Dinge im Zelt.

Es ist bald an der Zeit die Aussenhaut des Tipis zu spannen. Aber zunächst gilt es die Stangen zu justieren. Schon jetzt lässt nämlich ungefähr testen und messen wie das Tipi geometrisch konstruiert ist. Also raus den Zollstock und nachmessen (s. Zeichnung 4): Der Durchmesser von vorne (Tür) nach hinten beträgt 5.50m. Der Durchmesser von Seite zu Seite etwa 5.0m. Die Höhe vom Boden zum Stangenkrone 4.45m. Die Höhe von der Türbasis bis zum Stangenkrone 5.50m. Die Höhe von der hinteren Hebestange L bis zum Stangenkrone 4.50m. Stimmen die Werte? Schön. Wenn nicht: Trotzdem weitermachen und ausprobieren. Oft sind die Tipis doch nicht eiförmig, sonder recht rund. Dann verschieben sich eh alle Werte.

Eine Zwischenbilanz zeigt acht Stangen in Position und drei in Reserve. Eine davon wird gleich als Hebestange L für das Cover Verwendung finden, die beiden anderen sind die sogenannten Rauchklappenstangen. Aber dazu später mehr. Das lange Dreifuss-Knoten Seil liegt auf dem Boden und will aufgenommen werden. Nun muss ein Mensch wandern – und zwar viermal rund ums Gehege. Er oder sie startet bei der Südstange S und geht in Uhrzeigerrichtung (oder mit der Sonne…). Immer wieder muss das Seil nun straff gezogen werden und viermal muss das Gehege umrundet werden. Der Mensch endet bei der Nordstange N und befestigt das Seil mit einem starken Hering nahe der Mitte des Tipis im Boden.

3.3 Das Cover

Der Rahmen steht und wartet auf die Aussenhaut. Dazu wird das Cover wieder ausgebreitet (die Leder-Etiketten nach oben). Dann wird die Hebestange L darauf gelegt und zwar einfach so wie vorhin die Nord- und Südstangen. Das Cover muss jetzt schön stramm gezogen werden. Dann wird kontrolliert, ob die Basis der Hebestange unten wiederum eine halbe Schlaufenlänge rausragt. Gut. Nun den Anbindelappen mit seinen beiden angenähten Seilen an der Stange festbinden. Die Seile sind lang genug um die Stange mehrmals zu umschlingen. Die Verbindung muss sehr fest sein, damit die Plane später nicht runter rutscht. Das Cover nun zur Mitte zusammen falten und mit den rumfliegenden Rauchklappenbändern auch im mittleren und unteren Bereich an der Stange festbinden. Die Hebestange kann nun angehoben werden -das Bündel ist recht schwer, hier sind (mindestens) vier Arme gefragt- und in die verbleibende Lücke am hineren Teil des Tipis gegenüber der späteren Tür in die Stangenkrone eingesetzt werden. Super. Das Geschenk kann jetzt wieder ausgepackt werden. Es sollte kein Problem bereiten, die Plane nun von beiden Seiten bis nach vorne zu ziehen und zwischen Türstange D und Stange Nr.1f (s. Zeichnung 3) zu landen. Nun die Plane vorne mit dem Hilfsband zusammen binden und mit den kleinen Holz-Stöcken (Lacing Pins) zusammen stecken. Erst die oberen Pins. Das Cover sollte momentan noch so locker aufliegen, das das Binden und Stekken kein Problem bereitet.

Jetzt werden die neun Stangen von innen gegen die Aussenhaut geschoben und so langsam ergibt sich die charakteristische Ei-Form. Nicht zu weit schieben, sonst lässt sich das Cover nicht auf dem Boden befestigen. Selbst jetzt noch hat das Tipi Falten und diese werden auch erst durch das Setzen der Heringe geglättet. Und zwar so: Die Heringe werden in die Schlaufe eingeführt und gedreht. Dadurch halten sie in den Schlingen. Dann rein mit den lütten Lachsen in die Erde. Fange an der Tür an und arbeite dich bis zum hinteren Teil vor. Die Haut berührt den Boden nicht! Es entsteht vielmehr eine kleine Lücke zwischen Boden und Haut, durch die der Wind dir angenehm die Nieren verkühlt. Ne, ne, innen wird ja noch das Innenzelt installiert und somit entsteht ein funktioneller Kamineffekt. Wenn alle Heringe stecken, werden wiederum die Stangen von innen gegen die Haut geschoben. Dazu muss eventuell das Ankerseil gelöst werden. Jetzt sollten keine Falten mehr in der Aussenhaut existieren… Wenn doch: Kapitel 5. Troubleshooting. Die ersten Male ist es ein schweres Unterfangen das Tipi korrekt aufzubauen. Viele Dinge spielen eine Rolle: Der Durchmesser der Stangen, das Material, die Exaktheit der Ausführung. Es hilft nur Erfahrung! Egal wie exakt man gearbeitet hat, oft ist die Türstange zu lang. Die Indianer hatten kein spirituelles Problem damit, die Stange dann einzugraben (oder sogar abzuschneiden…). Falten enstehen oft dann, wenn die Stangen zu weit gespreitzt sind. Hier hilft es manchmal die beiden hinteren Stangen ein wenig Richtung Mitte zu schieben. Zum Abschluss setzt man einen etwa zwei Meter langen Stock vor die Tür um die langen Rauchklappenbänder daran zu befestigen (s. Zeichnung 6). Jetzt steht das Tipi und die Inneneinrichtung (Sofa, Fernseher, WC usw.) kann geholt werden. Geschicklichkeit ist jetzt für die Einführung der beiden Rauchklappenstangen gefordert. Diese sollten an der Spitze nicht zu scharfkantig sein, damit sie die Taschen in denen sie stecken nicht zerstören. Die Rauchklappenstangen werden hinter dem Tipi nahe seiner Mitte so postiert, dass sie gut auf dem Boden stehen und die Rauchklappen offen stehen (s. Zeichnung 6).

3.4. Das Lining

Ja, ja, das Lining. So eine Art Innenzelt ist das. Dreiteilig in unserem Fall. Es schützt vor Wind und Getier, die beiden sonst gerne den Weg unter der Tipiaussenhaut hindurch nehmen. Zudem garantiert es den Kamin-Effekt, der den Rauch sicher abziehen lässt. Ein langes Seil wird das Lining halten. Es sollte rund 20 Meter lang sein und 0.5cm stark. Zunächst hebt man das Lining hoch und testet in welcher Höhe das Halteseil befestigt werden muss. Der grüne Kunststoffrand des Linings kommt auf dem Boden zum Liegen – so dass später der Teppich oder sonstwas darauf gelegt werden kann. Von der Hebestange L aus wird das Seil nun rechts herum um jede Stange gelegt. Wichtig: Es muss vor den Stangen längs laufen, nicht zwischen Stange und Plane. Grund: Es soll der maximale Abstand zwischen Lining und Aussenhaut gewährleistet werden. Am Ende des Rundgangs landet man wieder bei der Hebestange L. Zunächst werden die beiden kleineren Linings links beziehungsweise rechts der Tür aufgehängt, dann erst das größere hintere Lining. Mit kleinen Bändern und den Schlaufen am Lining befestigt man das Lining am Seil. Um die Form des Tipis weiter konisch zu halten und eine optimale Platznutzung zu gewährleisten, wird das Lining auch unten so nah an die Zeltwand gebracht wie möglich – dabei wird natürlich auf den gleichmässigen Abstand geachtet, wie er zwischen Zeltstange und Lining existiert. Endgültig tricky wird es beim Einsatz von zwei kleinen Stöckchen, welche zwischen Stange und Linging-Seil geschoben werden. Die neben stehende Zeichnung zeigt diesen Trick, welcher das Ablaufen des Regenwassers hinter das Lining garantiert.

4. Inneneinrichtung
4.1 Feuer

Einer der großen Vorteile des Tipis ist das Feu er, welches man im Zelt entfachen kann und im Herbst und Winter das Zelt und seine Bewohner wärmt. Ein kleines Feuer reicht vollkommen aus. Ein zu großes Feuer verbaucht nicht nur viel Holz, es ist zudem gefährlich. Die Feuerstelle befindet sich unter dem Rauchabzugsloch im vorderen Teil des Tipis (siehe Zeichnung 3). Es kann einfach auf dem Boden, aber auch in einer Metallschale brennen. Schön ist es natürlich, wenn Steine das Feuer umrahmen. Das Feuer braucht nicht unbedingt die ganze Nacht brennen um das Tipi warm zu halten. Recht nett ist es, wenn man sich abends ein paar Stöckchen neben das Bett legt – diese braucht man dann morgens nur ins Feuer werfen und es kurz anblasen. Räuchern mit frischem Tannengrün imprägniert das Cover, Weihrauch und andere Kräuter vertreiben Gemück und andere Plage-Geister. Feuerholz Das Feuerholz sollte, wenn man das Tipi betritt, links von der Tür gestapelt werden. Es sollte trocken und gut abgelagert sein. Hartholz eignet sich am besten, während immergrüne Hölzer zu Funkenflug neigen. Ahorn und Esche sind beispielsweise Klasse. Um das Feuer am Laufen zu halten eignen sich Kerzenstumpen und Fett jeder Art recht gut.

5. Troubleshooting
Erste Regel: Geduld. Es braucht Erfahrung beim Aufbau eines Tipis. Als Richtwert gilt, dass das Wigwam vier bis sechs Mal aufgebaut werden muss, bevor es gut steht. Das ist zwar für uns moderne Funktionsfanatiker ein langer Zeitraum, aber viel Zeit sollte man sich für das Tipi und das Wohnen in ihm immer einplanen. Zur Beruhigung: Grosstadtindianer und andere Freunde der Sonne schaffen den Aufbau von Dreifuss und Rahmen in fünf Minuten, die Montage der Aussenhaut braucht bei ihnen zwanzig Minuten. Lining und die Schaffung urdeutsche Gemütlichkeit brauchen etwas länger. Steht das Zelt einmal korrekt, dann sollte man beim Abbau die Lage des Dreifussknotens markieren. (Bei uns sind das kleine Einkerbungen in den Stangen 12, 4 und 6 (Türstange)). Auch die breit und den genauen Durchmesser sollte man aufnehmen. Dazu misst man von der Mitte des Tipis aus mit einem Seil und setzt Knoten an die zwei Stellen (Länge, Breite), wo das Seil an die Tipi-Stangen reicht. Das leistet bei einem erneuten Aufbaus des Tipis gute Dienste. Falten Falten sind nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern belasten auch das Material und können zu Feuchtigkeit im Zelt führen. Falten enstehen oft dann, wenn die Stangen zu weit gespreitzt sind. Hier hilft es manchmal die beiden hinteren Stangen ein wenig Richtung Mitte zu schieben. Grundsätzliche Fehler entstehen durch den falschen Aufbau des Dreifusses. Ist dieser zu hoch gebunden bekommt man die Falten evtl. noch entfernt, das Cover ist aber zu hoch und erreicht den Boden nicht. Ist der Dreifuss dagegen zu niedrig gebaut, liegt die Plane auf dem Boden. Auch nicht im Sinne des Erfinders. Ergo: Das Dreifuss muss stimmen und das bedeutet maximal fünf Zentimeter Spielraum bei der Ausrichtung der Stangenkrone.

 

 

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Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Mal wieder schafft eine Ecstasy Studie mehr Verwirrung als Aufklärung

telepolis, 18.04.2012

Ecstasy und seine Kinder

Jörg Auf dem Hövel

Mal wieder schafft eine Drogenstudie mehr Verwirrung als Aufklärung

Die Zeiten des weit verbreiteten Ecstasykonsums sind vorbei. Gleichwohl eignet sich die psychoaktive Substanz noch immer für Überschriften, um auf die Gefahren des Drogenkonsums hinzuweisen. Unlängst berichtete Der Spiegel (15/2012) unter der Headline „Ecstasy schädigt Babys“ über eine Studie, die erstmals die Auswirkungen der Droge auf den Fötus und die spätere Entwicklung des Babys untersucht hat. Man will „gehäuft motorische Entwicklungsdefizite“ durch der Studie bewiesen sehen. Eine genauere Analyse der erhobenen Daten wirft ein differenzierteres Bild.

Für die Studie (Neurotoxicology and Teratology, Volume 34, Issue 3) wurden 96 britische Frauen nach ihrem Drogenkonsum vor und während der Schwangerschaft befragt und in diejenigen unterteilt, die dabei auf Ecstasy (in der Studie als MDMA bezeichnet) verzichtet hatten und solche, die trotz Schwangerschaft weiterhin die Droge konsumiert hatten. In Großbritannien, so schätzen Experten, werden jedes Wochenende rund eine halbe Millionen Pillen geschluckt, die unter dem Label „Ecstasy“ verkauft werden.

Schon hier fällt die erste Besonderheit auf: Alle diese Frauen waren extrem drogenaffin, sie genossen meist mehrere, legale wie illegale Substanzen während des Austragens ihres Kindes. Unter den Ecstasy-Userinnen rauchten 86%, fast alle hatten mehr oder minder viel Alkohol getrunken, satte 82% gekifft und sogar 71% mindestens einmal Kokain geschnupft. Diese imposanten Werte wurden von den 68 Ecstasy-Verweigerinnen zwar unterboten, aber auch diese Damen waren wahrlich keine Abstinenzlerinnen. 62% hatten Tabak geraucht, 91% Alkohol getrunken, 54% gekifft, 16% Kokain geschnupft.

Die Erkenntnisse beziehen sich also auf eine kleine, polytoxisch agierende Untersuchungseinheit. Die kleine Gruppe der Ecstasy-Nutzerinnen (N=28) war zum Zeitpunkt der Geburt durchschnittlich 30 Jahre alt, hatte 171 Mal in ihrem Leben die Partydroge zu sich genommen, wobei sie bei einer solchen Gelegenheit meist um die drei Pillen eingeworfen hatte.

Dies Vorweg geschickt kann man sich vorstellen, dass die Autoren der Studie sich bemüht haben, die Störvariablen herauszufiltern, was allerdings bei dem Umfang des Drogenkonsums beider Gruppen schwer gewesen sein dürfte.

Die Babys der Studienteilnehmer wurden mehreren Tests unterzogen. Ein erstes, von den Medien nicht genannten Ergebnis, sei genannt: Die untersuchten Kinder der beiden Konsumentengruppen unterschieden sich nicht in Frühgeburtsrate, Geburtsgewicht, Kopfumfang und Größe. Ebenfalls ungenannt blieb das Ergebnis des NICU Network Neurobehavioral Scale (NNNS), eines Tests, der die Babys im Alter von rund 30 Tagen auf ihre motorischen Fähigkeiten, ihre Aufmerksamkeit und Reflexe untersuchte. Denn im Durchschnitt unterschieden sich die Kinder auch hier nicht. Erst bei der Analyse der Ergebnisse ergab sich eine Trend bei den Kindern der Ecstasy-Konsumentinnen zu lethargischem Verhalten. Dieser Trend war allerdings nicht signifikant, wie die Autoren selber schreiben.

Erst bei den 4 Monate alten Kindern wurden die Autoren fündig. Hier fand man zwar bei den einigen Tests weiterhin keine Unterschiede, wohl aber beim „BRS Motor Quality Scale“. Hier will man in der Gruppe der Ecstasy-Konsumentinnen signifikant schlechter agierende Babys gefunden haben.

Selbst wenn sich die Ergebnisse in neuen Studien erhärten sollten, sagt dies wenig über die Schädlichkeit von Ecstasy aus. Denn weder ist klar, ob die Konsumentinnen tatsächlich MDMA zu sich genommen haben oder nicht eine der vielen Derivate, die seit Jahren des Markt fluten. Noch sind die aufgenommen Dosierungen klar. Auf diese Umstand angesprochen, gibt die federführende Autorin der Studie, Lynn Singer, an, dass die Spätschäden durchaus auch auf andere toxische Substanzen zurück zu führen sein könnten. „It could be that the sequelae are the result of some other toxic substance.“ Ein anderer Studienautor, Andrew Parrot von der Universität von Wales Swansea, verweist gegenüber der Telepolis auf seine Tablettenanalyse aus den späten 90er Jahren, in der ein hoher Anteil von MDMA vorherrschend war. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle kommt in ihrem Jahresbericht von 2010 für Gesamteuropa allerdings zu einer anderen Aussage: „There are no clear trends in the MDMA content of ecstasy tablets.“ Mehr noch:

„Over the last few years, there has been a change in the content of illicit drug tablets in Europe, from a situation where most tablets analysed contained MDMA or another ecstasy-like substance (MDEA, MDA) as the only psychoactive substance, to one where the contents are more diverse, and MDMA-like substances less present. This shift has accelerated in 2009, to the extent that the only countries where MDMA-like substances continue to account for a large proportion of the tablets analysed are Italy (58%), the Netherlands (63%) and Malta (100%).“

In vielen anderen Ländern werden MDMA-Tabletten seit einigen Jahren verschiedene Piperazinderivate beigemischt, wobei zur Zeit mCPP besonders beliebt ist. Auch in Großbritannien fand der Forensic Science Service im Jahr 2010 Piperazine in Tabletten, die als Ecstasy verkauft wurden.

Was bleibt? Zum einen die altbekannte Tatsache, dass die mit dem Schwarzmarkt verbundene Reinheits- und Dosierungs-Unsicherheiten validen Aussagen über die Schädlichkeit von MDMA und anderen Drogen behindern. Wenn dann noch extrem drogenaffine Konsumentengruppen für die Untersuchung rekrutiert werden, dürfte der ursächliche Zusammenhang immer schwerer zu finden sein. Auf einem wieder anderem Blatt steht, dass bei unsicherer Faktenlage der umsichtige Umgang mit psychoaktiven Substanzen vor allem während der Schwangerschaft geboten ist.

 


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Elektronische Kultur Gesundheitssystem

Interview mit Stephan Schleim über das Gedankenlesen

www.gedankenlesen.info

Interview mit dem Autor Stephan Schleim über sein Buch „Gedankenlesen“

Frage: Herr Schleim, wer an Gedankenlesen denkt, denkt zunächst an den klassischen Lügendetektor. Mit welcher Zuverlässigkeit können die herkömmlichen Polygraphen jemanden beim Lügen ertappen?

Stephan Schleim: Schon beim „klassischen Lügendetektor“ gibt es große Unterschiede. Interessanter als die wissenschaftlichen Daten ist hier ein Blick in die Gerichtssäle: In den USA lässt kein Gericht – außer im Bundesstaat New Mexico – den Polygraphen als Beweismittel zu. Auch in Deutschland genießt er keinen guten Ruf. Urteile des Bundesgerichtshofs aus den 1950er und 1990er Jahren erklären ihn höchstrichterlich als unzulässig. Die Begründung hierzulande wie in den USA ist, das Verfahren sei nicht wissenschaftlich gesichert.

Bringt die moderne Technik mit ihren bildgebenden Verfahren da einen Fortschritt?

Die einfache Idee vieler ist: Lügen seien gedankliche Prozesse; und Gedanken fänden im Gehirn statt; also müsse man nur das Gehirn untersuchen, et voilà, schon könne man zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden. Wer einmal selbst Hirnforschung betrieben hat, der weiß aber: In Sachen Hirn ist nichts so einfach. Dennoch ist es manchen Forschern gelungen, unter experimentellen Bedingungen auf bis zu 90 Prozent Zuverlässigkeit zu kommen. Dabei bleiben noch viele Fragen offen – es ist aber ein beachtlicher erster Erfolg.

Also ist die Unterscheidung zwischen „Lüge oder Wahrheit“ bald gerichtsverwertbar den Maschinen überlassen?

Nein, keineswegs, das ist noch unentschieden. Wenn man einem Studenten eine Spielkarte gibt und ihm sagt, er solle jetzt immer „nein“ antworten, wenn man ihn danach fragt, und ihn zudem dafür bezahlt, was heißt das? In Wirklichkeit gibt es viele Arten von Lüge, die viel komplexer sind. Wie ich im Buch argumentiere, könnte sich ein echter Lügendetektor im Sinne einer Gedankenlese-Maschine als verfassungswidrig herausstellen. Ob die Maschinen jemals im Gerichtsaal landen, das ist noch nicht abzusehen.
Stephan Schleim
Aber die Neuro-Wissenschaft erhofft sich viel von den bildgebenden Verfahren.

Ja, das ist korrekt. Nachdem die ausgerufene „Dekade des Gehirns“ (1990 bis 2000) vorüber ist und sich nun auch das „Jahrzehnt des menschlichen Gehirns“ (2000 bis 2010) dem Ende nähert, zeichnet sich jedoch ab, dass manche Hoffnungen überzogen sind. Die bildgebenden Verfahren können Erstaunliches sichtbar machen, dennoch bleibt es wichtig, genau hinzuschauen, was einem die Daten sagen. Wir messen Bildern aufgrund unserer Alltagserfahrung oft eine erhebliche Überzeugungskraft bei – aber was bedeuten Hirnbilder wirklich? Dieser Frage wurde bisher in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Ist es nicht bis jetzt so, dass die konkreten Inhalte des Denkens nur dann ausgelesen werden können, wenn die Vorgaben durch den Versuchsaufbau sehr eng sind? Der Proband darf also an einen Kreis oder ein Quadrat denken, nicht aber an seine Mutter?

Das kommt einem bestimmten Experiment sehr nahe, bei dem ermittelt werden konnte, ob jemand gerade an ein Gesicht denkt oder an einen Ort. Das wäre nur in einem sehr reduzierten Sinne „Gedankenlesen“. Allerdings gibt es auch schon erfolgreiche Versuche, den gedanklichen Inhalten weitaus näher zu kommen. Beispielsweise wurde es mit zehn verschiedenen Objektkategorien probiert; oder auch damit, anhand der Muster von Versuchsperson A die Erlebnisse von Versuchsperson B zu bestimmen.

Der ultimative Test einer universellen Gedankenlesemaschine wäre es aber, ein Experiment frei von jeglichen Beschränkungen durchzuführen, da gebe ich Ihnen recht. Ob es jemals so weit sein wird und wenn ja, wann, darüber lässt sich heute nur spekulieren. Es lohnt sich aber, die aktuellen Fortschritte genauer anzuschauen, um eine realistische Einschätzung darüber zu gewinnen, was schon möglich ist und was noch nicht.

Und was die Gesellschaft will.

Ja, natürlich, und dafür muss man die Datenlage richtig einschätzen können. Relativ unabhängig von dem, „was die Gesellschaft will“, dürfen die Wissenschaftler erst einmal ihrer Forschung nachgehen. Aus diesen Ergebnissen können dann technische Anwendungen entstehen, die wiederum auf die Gesellschaft rückwirken. Das wird am Beispiel der Lügendetektion mit dem Hirnscanner deutlich, wo zwei Firmen in den USA seit Kurzem mit Hirnforschern kooperieren, um diese Anwendung marktreif zu machen. Eine von beiden Firmen, „No Lie MRI“, will jetzt auch in den europäischen Markt einsteigen und plant dafür gerade eine Vorführung in der Schweiz.

Gesetzt den Fall, das Auslesen von Gedanken verfeinert sich immer mehr, lässt sich schon absehen, ob dies Auswirkungen auf das Selbstbild des Menschen haben wird? Ich kann mir vorstellen, einige Philosophen sichern schon das Terrain.

[lacht] Ja, tatsächlich versuche ich selbst, da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ein schlechtes Beispiel für einen viel beschworenen Einfluss auf das Selbstbild, manchmal wurde gar von einer „Kränkung des Subjekts“ geredet, stellt meines Erachtens die Willensfreiheitsdebatte dar. Da wurden manchmal Behauptungen aufgestellt, ohne überhaupt die Bedeutung solcher Wörter wie „Wille“ oder „Freiheit“ zu reflektieren. Ich frage mich, hat irgendein Mensch in Deutschland durch diese Diskussion aufgehört daran zu glauben, dass er – zumindest manchmal – aus freien Stücken handelt?
Ich wünsche mir, dass wir eine kritische Neurophilosophie bekommen, damit sich so eine verfehlte Diskussion nicht wiederholt; und ich wünsche mir, dass sich auch mehr Laien trauen, sich mit der Hirnforschung philosophisch auseinanderzusetzen: Einerseits gibt es dort nämlich wirklich Interessantes über den Menschen zu lernen, andererseits würde es dazu beitragen, dass sich die Diskussion nicht im abstrakten Raum des akademischen Elfenbeinturms verliert.

Existieren eigentlich Untersuchungen darüber, ob Liebe und Empathie uns tatsächlich die Gedanken des anderen fühlen lassen können – oder ist das ein gänzlich anderes Feld?

Was Sie ansprechen, ist sogar ein traditionelleres Forschungsfeld als das „Gedankenlesen“ in dem Sinne, wie ich es verwende. Von Natur aus können wir nämlich bestimmte Fähigkeiten entwickeln, die Gedanken eines anderen besser nachzuempfinden oder auch zu manipulieren. Haben Sie schon einmal Poker gespielt? Dann wissen Sie, wie schwer es ist. Wären wir aber perfekte Gedankenleser, dann würden solche Spiele keinen Sinn machen und auch unser sozialer Alltag wäre wesentlich härter. Das selbsterklärte Ziel der Forscher ist es nun aber gerade, es mit Hightech besser zu machen, als wir es von Natur aus können. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie dieses Wettrennen ausgehen wird.

Das Interview führte Jörg Auf dem Hövel