Im krisengeschüttelten Afghanistan wird wieder Cannabis angepflanzt und Haschisch produziert

hanfblatt, Nr.111, Januar 2008

Die Wiedergeburt einer alten Bekannten

Jörg Auf dem Hövel

Im krisengeschüttelten Afghanistan wird wieder Haschisch produziert

Die Bauern im nördlichen Afghanistan finden zu einer alten Tradition zurück: Sie bauen Cannabis Indica an. Für sie ist es oft der letzte Ausweg aus bitterer Armut. Im Westen darf man sich freuen, das Haschisch wird 2008 den deutschen Markt erreichen.

Das Haschisch aus den nördlichen Berg-Regionen Afghanistans galt schon immer als exzellent, Händler und internationale Connaisseure greifen jetzt wieder gerne zu: Außen schwarz-glänzend, innen dunkelbraun, gut knetbar und vor allem bretthart in der Wirkung. Die Afghanen sind stolz darauf, ein extrem stoned machendes Naturprodukt herstellen zu können.

Seit den 80er Jahren ist man an schlechte Nachrichten aus Afghanistan gewöhnt. Damals fiel die sowjetische Armee in das Land ein, ein bis heute währender Bürger- und Stellvertreterkrieg begann, in dem sich die Sowjetunion und die USA auf fremden Gebiet gegenüberstanden. Nach dem Abzug der Russen 1989 bekämpften sich zunächst Mudschaheddin-Gruppierungen, später eroberten die Taliban das Land und errichteten einen äußerst restriktiven Staat. Seit 2001 soll eine internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) über den Frieden wachen. Aber die Rivalitäten zwischen den Stämmen und Völkern sind extrem, die ausländischen Interessen gespalten. Es ist nicht absehbar, das das Land zur Ruhe kommt.

In diese Krise hinein arbeitet die Drogenpolitik der Vereinten Nationen. Ihr Motto: Vernichtung der Schlafmohn-Felder, mit denen sich die Bauern über Wasser halten, der wahre Profit mit Opium und Heroin wird an ganz andere Stelle erwirtschaftet. Aber: Afghanistan gilt als der Opium-Lieferant der Welt, über 80% des weltweit konsumierten Heroins soll aus Opiumlieferungen aus Afghanistan stammen.

Noch vor zwei Jahren blühten in der nördlichen Provinz Balkh, die an Usbekistan grenzt, die Schlafmohnfelder. Auf internationalen Druck ließ der Gouverneur die Felder vernichten. Farhad Munir, Sprecher des Gouverneurs erläuterte stolz: „Wir haben es geschafft, den Opiumanbau in Balkh auf Null herunterzufahren.“ Die Bauern versuchten es auf Anordnung für eine Saison mit Weizen, dieser gedieh zwar, brachte aber kaum Einnahmen. Man versprach den Bauern finanzielle Unterstützung, die nie ankam. Unter diesen Rahmenbedingungen haben sich die Bauern in der Provinz notgedrungen auf eine Tradition besonnen, sie pflanzen eine alte Kulturpflanze: Hanf.

Vor Ort wiegen sich nun die grünen Dolden im Wind. Die Cannabis-Kultivierungsflächen seien in 2007 um 40% gestiegen, jammert denn auch die UN in einem Report. Man spricht von über 50.000 Hektar Anbaufläche. Die Bauern dagegen sind begeistert. Die Hanfpflanze ist nicht so kompliziert in der Aufzucht wie der Mohn. Gesät wird nach alter Tradition im April und Mai, geerntet im November und Dezember.

Ein Reporter der New York Times berichtet von erstaunlichen 2,70 Meter hohen Pflanzen, der interviewte Hanfbauer sagt: „Das ist noch gar nichts, die müssen sie mal sehen, wenn die den richtigen Dünger kriegen.“ Mit dem Anbau verdiene er doppelt so viel wie mit der Kultivierung von Baumwolle, die zudem arbeitsintensiver sei. Wie viele andere in der Region steht er in einer Tradition: Schon sein Vater und sein Großvater hätten hier Cannabis angebaut, berichtet er.

Verkauft wird das Haschisch an lokale, vertrauenswürdige Zwischenhändler. Fotos zeigen ölig-schwarze, etwa handflächengroße Platten. An den Straßen rund um die größte Stadt im nördlichen Afghanistan, Mazar-i-Sharif, wird das wohlduftende Harz relativ offen in kleinen Straßenbuden verkauft. Der Preis: Rund ein Dollar. Nein, nicht pro Gramm, sondern Einheit. Sogar auf einigen Wochenmärkten soll es einfach zu erhalten sein. Die afghanische Bevölkerung sieht im Haschisch ohnehin nicht ein Teufelszeug, seit Jahrhunderten wachsen die Indica-Pflanzen im Land wild. Nach der Schreckensherrschaft der Taliban gehört Hasch rauchen heute wieder zum Alltag, lokalen Schätzungen zu Folge kifft die Hälfte der Bürger in der Provinz Balkh mehr oder minder regelmäßig. Die UN spricht allerdings von nur „rund 520.000“ Cannabis-Konsumenten im gesamten, 30 Millionen Bürger starken Land.

Bis Ende der 70er Jahre war Afghanistan für leckeres Haschisch bekannt, mit dem Beginn des Krieges in den 80er Jahren hörten die Bauern auf Cannabis anzupflanzen. Lange war kaum noch Haschisch auf dem internationalen Markt erhältlich, vieles, was als „Afghane“ angepriesen wurde war (schlechtes) Hasch aus Pakistan. Das sieht heute wieder anders aus. Ein Bauer aus dem Charbolak-Distrikt im Norden Afghanistans berichtet dem „Institute for War and Peace Reporting“ von zwei Sortierungen von Haschisch, dem hochqualitativen „Shirak“ und dem nicht so guten „Khaka“. Pro Pound (453 Gramm) Shirak könne er 20 Dollar verlangen, pro Pound Khaka 10 Dollar. Die Zwischenhändler liefern das Haschisch dann zunächst nach Pakistan, Iran und Tadschikistan geschmuggelt, von dort aus erreicht es dann die Welt.

Der Anbau ist und bleibt illegal, das Katz und Maus Spiel wird weiter gehen. Die Regierung in Kabul hat angekündigt keine in 2008 keine Ernte zuzulassen. Die Ernte 2007 habe man deshalb nicht zerstört, so die Offiziellen, um den Bauern nicht die Lebensgrundlage zu nehmen. Diese haben auf die Ankündigung schon reagiert – sie wollen wieder Cannabis aussähen. Nebenbei: Im Rahmen ihres ISAF-Einsatzes ist die deutsche Bundeswehr auch in der Region Balkh stationiert. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis den Damen und Herren das neue Entspannungsangebot dort auffällt.

 

Jörg Auf dem Hövel

Veröffentlicht von

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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