BUCHBESPRECHUNG
Was ist Intelligenz?
13. Mai 2003 Es ist ein uralter Wunsch des Menschen, eine
"intelligente" Maschine zu bauen, die denkt, fühlt, redet und sich
selbst erkennt. Diese Vorstellung birgt ebensoviel Schrecken wie
Faszination. Können Maschinen überhaupt "denken" oder
Computerprogramme so etwas wie ein Bewußtsein entwickeln? Ist
Bewußtsein die Voraussetzung für Intelligenz? Wer sich auf das
"Abenteuer Künstliche Intelligenz" einläßt, wird schnell mit einer
ganzen Reihe philosophischer Fragen konfrontiert. Einfache Antworten
gibt Jörg auf dem Hövel nicht - wohl aber eine Reihe ebenso
geistreicher wie amüsanter Denkanstöße. Auf dem Hövels spannende Reise
folgt den Spuren der Künstlichen Intelligenz (KI) von ihren Anfängen
bis heute. Anschaulich und unterhaltsam eröffnet er dem Leser einen
Blick in die Forschungslabore. Noch fallen die Ergebnisse bescheiden
aus. Der Faszination des Themas tut dies jedoch keinen Abbruch. Die
frühen Pioniere der KI wie Alan Turing, Claude Shannon oder Norbert
Wiener stellten die rationale Intelligenz in den Vordergrund und
entwickelten erstaunlich "intelligente" Schachcomputer. Viele
alltägliche Dinge - wie etwa das Überqueren einer Straße - sind jedoch
eine komplizierte Abfolge koordinierter Aktivitäten. Beim Versuch,
diese Abläufe detailliert zu berechnen, scheitert der rein rationale
KI-Ansatz an den Grenzen der Rechenleistung. Erst in den achtziger und
neunziger Jahren entdeckten die Forscher den Körper als Träger einer
eigenen Intelligenz. Trotzdem weiß bis heute niemand, wie menschliche
Intelligenz funktioniert. Aber das sich mehrende Wissen schürt die
Hoffnung der KI-Anhänger, daß ihre Rekonstruktion der Intelligenz in
greifbare Nähe rückt. Mit der Konstruktion denkender Maschinen will
der Mensch vor allem sich selbst erkennen. Paradox ist allerdings, daß
er mit der Erschaffung eines Ebenbilds gleichzeitig die
Einzigartigkeit seines Menschseins zerstört: Auf dem Hövel hat ein
lehrreiches Buch mit vielen Anhaltspunkten zum Nachdenken geschrieben,
das auch für den Technik-Laien verständlich ist.
MICHAEL SPEHR
FAZ vom 13. Mai 2003