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Warnung, Tarnung, Mimikry – Indoor-Anlagen

Indoor, growing, Anlagen, Strom, Sicherheit, Indoor-Anlagen, Wasser

HanfBlatt 9-10/2000

Warnung, Tarnung, Mimikry

Gegenwart und Zukunft von kleinen und mittleren Indoor-Anlagen

Der Entschluss steht, Tomaten sollen im Haus gezüchtet werden. Einige Tipps für den Start in die Karriere als Gemüsebauer unter besonderer Berücksichtigung der Energieversorgung, der Tarnung und des Internet.

Klein anfangen ist immer besser als groß enttäuscht werden, also schnappt man sich zunächst die Abstellkammer, die zwischen 1 und 2 m/2 bietet, bevor man die Carrera-Bahn aus dem Weg räumt um auf 4 m/2 sein Glück zu versuchen. Da bietet sich entweder eine 400 oder 600 Watt Lampe an, um die Lieblinge gen Decke streben zu lassen. Die Birne einer 400er Funzel ist aber schon nach der zweiten Ernte so abgenutzt, dass sie nicht mehr die nötigen Lumen (etwa 50.000) pro m/2 abstrahlt. Also lieber gleich in eine 600er Lampe investieren. Weder der Raum noch der Betreiber der Anlage sollten unter Strom stehen, wenn die Energieversorgung geplant und gelegt wird.

Wichtig ist, dass eine Sicherung im Haus- bzw. Wohnungskasten frei ist. An diese hängt man die gesamte Growanlage und nix anderes. An eine gängige 16 Ampere Sicherung können maximal 3600 Watt angeschlossen werden. Betreibt man später 4 Lampen mit 600 Watt und dazu Pumpen, Ablüfter und Wasserpumpen wird dieser Wert annähernd erreicht. Dazu kommen die Spannungspitzen beim Anschalten der Lampen, die ohnehin zeitversetzt angeworfen werden sollten. Entgegen aller Angaben ist die normale Haussteckdose nur in der Lage maximal 10 Ampere (2200 Watt) zu liefern. Darüber schmurgeln die Stecker. Als Bahilge bieten sich blaue Campingsstecker an, die im Fachhandel zu bekommen sind.

Im Grow-Raum läuft neben Strom auch Wasser: Hier heißt es sauber arbeiten, billige Kabel und Zeitschaltuhren gehören zum Aquarium, nicht in diesen Raum! Physik, 7. Klasse: Je größer der Durchmesser einer Kupferader, desto geringer ihr Widerstand gegenüber dem Strom. Ergo: Möglichst dicke, steife Kabel und nicht die von der 40 Watt Schreibtischlampe übrig gebliebenen verwenden. 2-Wege-Digital-Zeitschaltuhren sind zwar teuer, im Elektrofachhandel aber oft im Angebot. Ein FI-Schutzschalter schützt vor tödlichen Stromschlägen, sollte aber auf der anderen Seite nicht zu empfindlich sein, damit er nicht ständig die Lichter ausfallen. Ein 25A/0.01 FI-Schutzschalter beispielsweise setzt schon mal gerne aus, wenn ein Hund an die Laterne vorm Haus pinkelt.

Klug ist das setzen eines Nachtstromzählers. Dies kostet neben einem Anruf beim Elektrizitätswerk etwa 100 Mark, die sich aber schnell amortisieren. Ein paar Tage später kommt der freundliche Mann vom E-Werk und stellt den Zähler um, der sich zumeist im Hausflur und nicht in der Wohnung befindet. Stromdiebstahl und Wasserklau sind äußerst unklug bei einer so heiklen Angelegenheit wie der Tomatenzucht. Denn dann geht es auch noch um Diebstahl.

Unter Strom

Der erhöhte Stromverbrauch fällt bei den voll automatisierten Abrechnungssystemen der E-Werke kaum noch auf. Trotzdem ist es klug, langsam den Verbrauch zu erhöhen und nicht gleich mit einer 20 Lampen Anlage ans Netz zu gehen. Falls jemand dumm fragt – immer einen lockeren Spruch auf den Lippen parat halten. Wäschetrockner, Radiatoren, Halogenfluter und Scheinwerfer für Fotostudios verbrauchen ebenfalls viel Strom. Ein weiterer Tipp: Für die monatlichen Abschlagszahlungen sollte man vorher den Stromverbrauch errechnen und sich dann gleich hoch einstufen lassen. Dann ist der Puffer größer, falls man eine zweite und dritte Lampe hinzunimmt. Spätestens jetzt gilt es mal zusammen zu rechnen, was sonst noch so an Strom im Haus verbraucht wird. Alte Waschmaschinen brauchen ebenfalls viel Strom – wenn dann noch Computerbildschirm und Staubsauer laufen bretzeln die Leitungen. Vorsicht!

Der Growraum ist im Keller meist besser aufgehoben als unter dem Dach, denn hier wird es im Sommer meist zu warm. Ab 28 Grad geht es abwärts mit den Lieblingen, sich stauende Wärme mögen sie überhaupt nicht. So oder so sollte man mit dem Ablüfter großzügig sein. Zu präferieren sind Schneckenhauslüfter – diese sind robuster und leiser als Axiallüfter. Der Durchmesser der Flatter- bzw. Ventilklappe für die Zuluft muss unbedingt größer als der Durchmesser für die Abluft sein, sonst pfeift es.

Nach einiger Zeit der sorgsamen Beäugung der Pflanzen und der erfolgreichen Ernten wächst meist der Wunsch nach Vergrößerung und Automatisierung der Anlage. Hierzu folgendes: Bei einem gut ausgestatteten Raum mit rund vier m/2 kommen schnell 4000-5000 Mark Anschaffungskosten zusammen – das will gut überlegt sein für eine einfache Tomatenzucht. Beliebt sind und bewährt haben sich die Poot HS-2000 600 Watt HPS für die vegetative Phase und die 600 Watt PHILIPS SON-T Plus HPS für die Blütephase. Dazu das Hygro/Thermostat der Firma EBERLE und man ist ganz vorne dabei. Mit dieser Steuerungseinheit können vier verschiedene Geräte kontrolliert werden: Lüfter, Heizsystem, Befeuchtungssystem und Entfeuchtungssystem. Wichtig: Für die Kontrolle einen Halogendimmer verwenden.

Auf gute Nachbarschaft

Die Planung fängt allerdings bei einem sauberen An- und Abtransport der Anlage an. Es ist unreif Nährboden (am besten Kokos-Perlit oder Seramis), Lüfter und Lampen offen über die Straße zu tragen. Die Geräte gehören in Kartons verpackt. Das selbe gilt für den Abtransport von Müll und den etwaigen Umzug der Anlage. Von Anfang an gilt es darauf zu achten nicht zum Freak in der Straße zu werden. Nachbarschaft will gepflegt werden und der „Künstlertyp, der anscheinend nur Nachts arbeitet“ erregt schnell Aufsehen. Und: Auf dem Land wird man noch schneller zum Sonderling, vor allem wenn man viel zu Hause arbeitet. Also nicht nur Nachts vorfahren, um die Schätzchen ins Bett zu bringen.

Duft-, Licht- und Geräuschaufälligkeiten müssen vollkommen vermieden werden. Gummiabdichtungen im Türrahmen sind Pflicht, das helle Licht der Anlage gilt es vollkommen abzuschirmen. Bei Räumen mit Fenstern zur Straße oder dem Hinterhof bietet sich die Konstruktion eines zweiten Fensterrahmens an, in welchen man eine Schreibtischlampe stellt, die per Zeitschaltuhr an- und ausgeschaltet wird. Wechselnde Designs (Blumen, Bilder usw.) täuschen zudem hervorragend Leben vor. Die Wasserpumpe muss gedämpft aufgestellt werden. Wer hat nicht schon einmal Nachts wach gelegen und auf die vielen Geräusche im Haus geachtete. Wenn dann die Pumpen dröhnen klappt es nicht mehr mit dem Nachbarn. Alle Vibrationen sind gut abzufedern. Benutzt man ein Holzgestell für die „Sea of Green“ sollte dieses nicht an die Wand gebohrt werden. Den Lüfter kann man beispielsweise an dünne, aber starke Segelseile hängen.

Für die Zukunft bietet sich die verstärkte Einbeziehung des Internet an: Flatrates kosten heute wenig, der PC oder Mac kann über 24 Stunden am Netz gehalten werden. Eine alter Computer reicht vollkommen aus, um dann die Daten der Grow-Anlage aufzunehmen und verschlüsselt ins Internet zu senden. Vier Messwerte reichen aus, um einen reibungslosen Lauf der Anlage zu gewährleisten: Luftfeuchtigkeit, Temperatur, EC- und PH-Wert. Wer es ganz besonders sicher machen will, lässt auch noch etwaiges Klingeln an der Haustür speichern. Schon heute gibt es die Möglichkeit, eine Webcam vor den Instrumenten aufzustellen und den PC zu festgesetzten Zeiten eine Netzverbindung etablieren zu lassen. Über eine „geheime“ Adresse im WWW lassen sich dann die Instrumente ablesen: Der Stand der Dinge ist stets überprüfbar – und das ohne den Raum persönlich besuchen zu müssen.

Wasserschäden sind der häufigste Grund für Auffliegen von Zuchträumen. Teichfolie im Raum schützt, vor allem aber ein Rückschlagventil und ein Kapilar, welches am höchsten Punkt der Anlage bei Unterdruck im Kreislaufsystem das Wasser in die Tonne zurück laufen lässt (s. Zeichnung). Hier hilft der Fachhandel gerne weiter. Und der wichtigste Tipp zum Schluss: Immer etwas Gaffa-Band in der Hosentasche haben.

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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