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Drogenpolitik

Kiffer aller Länder

Der kluge Mann baut vor

Der kluge Mann baut vor – diese Binsenweisheit gilt im brasilianischen Dschungel genauso wie auf den Phillipinen, in Paris ebenso wie in Mombasa. Urlaubsreisen in ferne Ländern erhalten für manchen Kiffer ihren wahren Reiz doch erst dann, wenn er oder sie am Urlaubsort ungehemmt einen durchziehen können. In aller Damen Länder gehört Cannabis zur Alltags- oder Feiertagsdroge, gerade unter Jugendlichen und jung gebliebenen ist das Kraut in den meisten Gebieten der Welt weit verbreitet. Vom Staat nicht gern gesehen, genießt ein Teil der Gesellschaft den gepflegten Hanfrausch – immer munter an den Gesetzen vorbei. Der von den USA initiierte „War on Drugs“ mit den unterstützenden Resolutionen der Vereinten Nationen ist in der westlichen Hemissphäre ein brüchiger Rahmen für den Konsum, ausgefüllt wird dieser Rahmen oft durch Rauschkulturen, die ihre eigenen Vorstellungen von der Nützlichkeit oder Schädlichkeit der „Droge Hanf“ entwickelt haben. Ein Vergleich wissenschaftlicher Befragungen und Erhebungen zeigt, daß der Konsum von Haschisch und Marihuana in den meisten Staaten des Globus´ über die Jahre und Jahrzehnte angestiegen ist. „Legal, illegal, scheißegal“, dieser Satz von Hans-Georg Behr hält einer empirischen Überprüfung tatsächlich statt. Denn gleich, ob in einem Staat der Genuß von Cannabisprodukten hart bestraft wird oder eher locker mit dem Kiffen umgegangen wird: Vor allem die Jugend raucht sich ab und zu in die Sphären der Entspannung und Belustigung, nimmt Abstand vom Alltag.

Um eine Übersicht über die Kultur des Kiffens zu erhalten, haben wir einige Ländern herausgegriffen und die verfügbaren Daten über den Cannabis-Konsum grafisch aufbereitet. Die Frage, die in allen Analysen gestellt wurde, ist die nach der sogenannten „Lifetime-Prevalence“, daß heißt, ob jemand in seinem Leben jemals Cannabis probiert hat. Ansonsten zeichnen sich die den Grafiken zu Grunde liegenden Forschungen durch ihre Uneinheitlichkeit aus: Es existiert leider keine Untersuchung, die den Cannabis-Konsum in allen Ländern mit einem standardisierten Instrument gemessen hat. Bei einem Vergleich der Zahlen sollte man also äußerst vorsichtig sein. Ein weiteres Problem: Für den gesamten asiatischen Raum liegen uns keine repräsentativen Zahlen vor.

Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, daß die Untersuchungsgruppe groß war und nicht nur 30 Schüler einer Kleinstadt befragt wurden. Die verschiedenen Erhebungen beziehen sich auf unterschiedlichste Altersgruppen; um den Überblick zu behalten, wählten wir immer die Bereiche aus, die eine relativ junge Altersgruppe untersuchte. Wichtig war uns auch, eine Entwicklung über einen längeren Zeitraum nachvollziehen zu können. Im Idealfall wurde ein Forschungsprojekt jährlich wiederholt.

Dies ist beispielsweise in den USA der Fall, wo das NIDA (National Institute on Drug Abuse) seit 1971 Befragungen der Bevölkerung durchführt. Auch in Australien führt man regelmäßig Interviews durch, um die Einstellung der Bürger zum Drogenkonsum zu erforschen. Der „Krieg gegen die Drogen“ zeigt hier deutlich keine Wirkung: In den USA steigt die Rate derjenigen, die schon mal geraucht haben, seit den 90er Jahren wieder kontinuierlich an.

In Frankreich, einem Land mit restriktiven Drogengesetzen, ringt man sich erst seit ein paar Jahren dazu durch, die kiffende Jugend genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Anteil der Probierer ist hier ähnlich wie in anderen Staaten Europas. In „Good Old Germany“ beäugen Wissenschaftler seit den 70er Jahren das Verhalten ihrer freilaufenden humanen Versuchsobjekte. Relativ stabil raucht sich das junge Volk um die 20 Prozent ein. Eine neuere Studie von Dieter Kleiber und seinen Kollegen zeigt zudem, daß Hanfkonsum in Deutschland mithin ein „transistorisches“ Konsum ist, soll heißen, in der Jugend wird (viel) gekifft, ab dreißig kaum noch, auf jeden Fall aber weniger. Es wäre auf jeden Fall interessant zu wissen, ob dies ein globales Phänomen ist.

Auf dem australischen Kontinent gedeiht der Hanf anscheinend unter prächtigen klimatischen wie kulturellen Bedingungen. Seit zehn Jahren gibt fast die Hälfte der 14 bis 29jährigen zu, schon mindestens einmal Cannabis genossen zu haben. In einigen Bundesstaaten ist der Konsum offiziell dekriminalisiert, hier landet kein Klein-Kiffer mehr vor Gericht. Trotz dieses Umstand ist die Rate der Probierer in diesen Bundesstaaten nicht angestiegen.

Für uns überraschend hoch ist der Anteil der KifferInnen in Norwegens Hauptstadt Oslo. Es ist wohl davon auszugehen, daß auf dem Land weniger Cannabis geraucht wird. Die jüngeren Bewohner der „Kiffer-Hauptstadt“ der Welt, Amsterdam, zeigen sich offen für den THC-Rausch. 1994 gab genau die Hälfte der Befragten zu, schon mal Haschisch oder Marihuana konsumiert zu haben.

In der Tabelle „Cannabis-Konsum in der Welt“ sind die Ergebnisse aus Staaten zusammengefaßt, die nur eine Untersuchung aufweisen konnten. Dürftig ist die Datenlage in den Ländern Afrikas; hier lagen uns nur dünne Arbeiten aus Südafrika und Namibia vor. Nicht überraschen tut der hohe Anteil der Kiffer in Jamaica, dort ist Marihuana seit Jahrhunderten integriert. Es fällt auf, daß der Rauschhanf vor allem in westlichen Ländern weit, in den produzierenden Staaten aber eher weniger verbreitet ist. Daß in Mexiko oder Nordindien, Ländern mit einem traditionellen Hanfanbau, nur 3 Prozent der jungen Menschen kiffen sollen, mutet schon seltsam an. Leider konnte wir nicht eruieren, wie unsere britischen Nachbarn Cannabis genießen. Wenn wir richtig informiert wurden, dürfte das Leben unter Premierministerin Thatcher aber fast nur bekifft auszuhalten gewesen sein…

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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