Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Buddhismus

HanfBlatt, Nr. 101, 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 4

Der Buddhismus

Der Legende nach soll sich der junge Buddha während seiner sechsjährigen Askese täglich von nur einem Hanfsamen ernährt haben. Weniger die Inhaltsstoffe der berühmten Samen als vielmehr die Meditation hätten ihn dabei zur Erleuchtung gebracht. Seither steht der Buddhismus Rausch und Ekstase zwiespältig gegenüber.

Im Gegensatz zu anderen Religionen soll der Mensch im Buddhismus weniger an übergeordnete Instanzen und starre Dogmen glauben, sondern die angebotene Lehre anhand eigener Erfahrungen überprüfen. Um dies zu tun, sollte er vor allem eines tun: Kräftig meditieren. Dann würde er erkennen, was Buddha erkannt hatte, nämlich die „vier edlen Wahrheiten“. Nummer 1: Solange der Geist seine Natur nicht erkannt hat, gehört zum Leben zwar Freude, aber auch Leid. 2. Es gibt bestimmte Ursachen, warum der Geist seine wahre Natur nicht sieht. 3. Buddha sei Dank kann aber jeder die Funktion seines Geistes erkennen, also erleuchtet werden. Und schließlich 4.: Es gibt praktische Mittel, um dies zu erreichen. Mit der Zeit entwickelten sich verschiedene Strömungen im Buddhismus, die unterschiedliche Schwerpunkte legten.

Soweit, so gut. Warum aber ist der Buddhismus eine im Westen so erfolgreiche religiöse Praxis und warum zieht er auch Freaks in seinen Bann? Mindestens vier Ebenen sind verantwortlich, sie klären zugleich das Verhältnis des Buddhismus zum Rausch.

Da ist zum einen die persönliche Erfahrung des Stillstehens der Zeit, dem Aufgehen in einem ozeanischen Gefühl. Diese Zustände sind jedem Genießer von Haschisch oder Marihuana bekannt – viele rauchen genau deshalb. Auch die ästhetischen Bilderwelten, die während der Zustände erfahren werden, weisen Gemeinsamkeiten auf. Mandalas auf Techno-Parties sind eben kein Zufall urbaner Kultur, sondern bewusster Anknüpfungspunkt an eine Tradition meditativer Objekte.

Bewusst positiv erlebten Paradoxien sind ebenfalls aus beiden Sphären bekannt. Der Betrippte nimmt Widersprüchlichkeiten lachend wahr, im Zen-Buddhismus nennt sich das Koan: „Du kennst das Geräusch, dass zwei klatschende Hände erzeugen. Wie ist das Geräusch einer Hand?“ Das Ziel ist in beiden Sphären dasselbe: Die Ansicht, dass die Dinge unterschieden sind und dass das Ich eine eigene, vom Rest der Welt abgegrenzte Existenz hat, löst sich als Illusion auf.

Dies alles lässt sich auch auf der Ebene der chemischen Vorgänge im Gehirn nachweisen. Wer nicht an die Berichte Millionen von Menschen hören will findet in den Hirn-Scans seine objektiven Beweise: Bei manchen Rauschzuständen und Meditationen sind die gleichen Hirnareale aktiv.

Buddha Statue

Wer auf der Suche nach einer Erklärung für seine psychedelische Erfahrung die Literatur durchblättert, landet früher oder später bei den Lehren Buddhas. Nicht anders erging es Timothy Leary und Konsorten in den 60er Jahren, die im „tibetanischen Totenbuch“ Deutungen ihrer LSD-Versuche fanden. Die heute 300-450 Millionen Mitglieder des Buddhismus bilden keine Gemeinde, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Schulen. Der Zen-Buddhismus Japans ist beispielsweise kaum mit dem tantrischen Buddhismus vergleichbar, der in der Vergangenheit schon eher einmal den Griff zu Rauschmitteln erlaubte, um der endgültigen Erhellung nahe zu kommen.

In westlicher Ausprägung verbindet man mit Buddhisten entweder den Dalai Lama oder meditierende Art-Direktoren auf Sinnsuche. Auf der Ebene des sozialen Gesellschaftssytems erfüllt der Buddhismus eine der Funktionen von Religion, nämlich des Glaubens an ein Leben nach dem Tod. An einen autoritären Gott muss man dabei nicht Glauben – dies passt hervorragend in eine (post-) moderne Gesellschaft, in der man auch in der spirituellen Gemeinschaft nur locker gekoppelt sein und trotz Aufgehen im Ganzen einer Masse immer auch Individualität und Autonomie erhalten will. Zudem haftet dem Buddhismus kein missionarischer Eifer und eine gewisse Gewaltlosigkeit an.

Und während der Christ mit Glück im Paradies landet, wandert der Buddhist von Körper zu Körper, aber eben nur solange, bis er klug genug nach den Lehren Buddhas gelebt hat, diesen Kreislauf durchbricht und glücklich im Nirvana endet. Selbst wer dies nicht schafft hat immerhin noch die Freude in stabilen sozialen Strukturen unter Seinesgleichen gelebt zu haben. Mitgefühl und Nächstenliebe sind weitere Vorteile der religiösen Beschäftigung. Im Gegensatz zu anderen Religionen projiziert der Buddhismus das totale Glück und die absolute Wunscherfüllung nicht nur auf die ferne Zukunft oder die Zeit nach dem Tod, obwohl es auch hier im Leben keinen Zustand restloser Erfüllung geben kann. Ein Teil des Glücks ist schon im normalen Leben zu erreichen, das große Los wird allerdings erst im Nirvana eingelöst.

Buddha (Sanskrit für „Der Erwachte“) wurde als Siddhartha Gautama in Lumbini, einer kleinen Stadt, die heute zu Nepal gehört, geboren. In seiner rund 80 Jahre währenden Lebenszeit (536-483 v. Chr.) legte er den Grundstein für den späteren Buddhismus. Er hinterließ keine Schriften und sah sich auch nicht als Überbringer einer Lehre Gottes. Er rief nur dazu auf, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und durch meditative Innensicht die Funktion dieses zu erkennen. Kurz nach seinem Tod traten seine Schüler zum ersten Konzil zusammen, um die Lehre und die Mönchsregeln zu besprechen und gemäß den Unterweisungen des Buddha schriftlich festzuhalten. In den folgenden Jahrhunderten verbreitete sich die Lehre in Süd- und Ostasien, später in der ganzen Welt.

So recht will es seit damals kein buddhistischer Lehrmeister zugeben, aber drogeninduzierter Rausch und meditative Ekstase besitzen diverse Überschneidungspunkte. Es ist schade, dass sich die buddhistischen Schulen oft so vehement von umsichtigen Gebrauch von Entheogenen, also der Substanzen, die den Buddha-Geist im Menschen erwecken können, abgrenzen. Allerhöchstens wird Psychedelika zugeschrieben eine Art Erweckungserlebnis generieren zu können, auf Dauer sollen sie aber den Blick auf die Wahrheit verstellen. Hier wird aus eher politischen Erwägungen eine Grenze gezogen, die so nicht konstruiert werden muss, spricht doch vieles dafür, in verschiedene Lebenslagen die meditative Arbeit mit gesunden Substanzen zu unterstützen. Im stillen Kämmerlein dürften deshalb einige der eifrig praktizierenden Buddhisten nicht nur Kräutertee trinken, sondern auch das eine oder andere Pfeifchen durchziehen.

Neben Gier und Hass gilt die Unwissenheit als eines der drei Grundgifte allen menschlichen Lebens. Gerade gegenüber Entheogenen sind Teile des Buddhismus aber von ähnlicher Ahnungslosigkeit beseelt wie die christliche oder muslimische Lehre. Wie sie stellen sie alle psychoaktiven Substanzen in den Kontext von Flucht aus der Realität und Sucht.

Dabei fallen weitere Gemeinsamkeiten zwischen buddhistischer und psychedelischer Praxis deutlich ins Auge. Der zentrale Stellenwert der Achtsamkeit lässt sich im Rausch durchaus kultivieren. Sich seiner Gefühle, Beobachtungen und Handlungen in jedem Moment voll bewusst zu sein ist nicht nur eine Übung von Mönchen und Seminar-Teilnehmer im Schwarzwald, sondern auch praktiziertes Unterfangen vieler Otto-Normal-Kiffer. Immer wieder kommt es vor, dass aus der profanen Entspannungs-Zigarette am Abend eine unabgelenkte, reine Wahrnehmung ohne Beurteilung der Situation wird. Die Grenzen zwischen Dösbaddeln und höherem Dösen sind fließender, als dies manch’ strenger Meister asketischer Versenkungskunst wahrhaben will.

Nimmt man für einen Moment die Position ein, dass jedwede Substanz in unserem Geist nur etwas hervorruft, das ohnehin schon da ist, dann wird klar, weshalb die Weisen des Orient den Drogen ablehnend gegenüberstehen. Aus dieser Perspektive sind geistbewegende Substanzen nur eine weitere materielle Verhaftung, die der Entwicklung hin zum reinen Geist im Wege steht. Das ist der asketische, klassisch-transzendente Weg. Ihm gegenüber stand schon immer eine Sicht der Dinge, die im Gewusel der Natur und dem Sinnesfreuden ein Heil der Menschen sah. Die Produkte der „Mutter Erde“ sind aus dieser Perspektive begrüßenswerte Kameraden und Freunde in einem Leben, das mit der naturgegebenen Welt positiv umgehen möchte. Das ist der klassisch-immanente Weg. Bisher hat der Buddhismus – wie andere Religionen auch – wenig Versuche unternommen, diesen zweiten Weg des Geistes zu akzeptieren. Dabei mahnte Buddha selbst zeitlebens eine Skepsis gegenüber feststehenden Lehren ein.

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