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Rezension Bernhard van Treeck: Drogen- und Sucht-Lexikon

Rezension, Bernhard van Treeck, Drogen- und Sucht-Lexikon /

HanfBlatt Nr. 94

Vorsicht, Falle!

Bei genauerer Sicht ist der Titel des Buches von Bernhard van Treeck falsch gewählt. Es sollte „Drogen=Sucht-Lexikon“ heißen, denn so einfach ist letztlich die Gleichung, die der Facharzt für Psychiatrie aufmacht. Drogenkonsum, dass ist der kriminelle Rand der Gesellschaft, eine Welt voller Süchtiger, ehemaliger Süchtiger und Noch-Nicht-Süchtiger, die alle geheilt werden müssen. Sicher, da fließt seine Berufserfahrung ein, aber es wundert schon, dass es van Treeck auf über 700 Seiten nicht schafft, dem Zauber, der von den pflanzlichen und chemischen Substanzen ausgeht, näher zu kommen. So bleibt das Gefühl, dass sich hier mal wieder ein Therapeut seiner Klientel (auch durch die Aufnahme von Szeneslang) anbiedern will, um sie dann fest in die Arme zu schließen. Man merkt: Weder liebt er die Menschen noch die Pflanzen, die er so wortreich beschreibt. Allem haftet etwas pathologisches an. Dazu kommen noch diverse Ungenauigkeiten und krasse Fehler im Text. Im Einzelnen:

(1) Auf Seite 80 („Ausstiegsmotiv“) versteift sich van Treeck tatsächlich zu der Annahme, dass die „vollzogenen Strafen bei Drogenkonsum möglicherweise nicht hoch genug sind, um abschreckend zu wirken.“ (2) Der Artikel zum Stichwort „Freundschaft“ beginnt mit dem bemerkenswerten Satz: „In der Drogenszene gibt es in der Regel nur Zweckegmeinschaften, kaum Freundschaften.“ (3) Unter dem Stichwort „Ayahuasca“ fehlt die Nennung von DMT als ein Hauptwirkstoff des Gebräus. (4) Die Seiten über „Cannabis“ vermengen wissenschaftliche umstrittene Ergebnisse mit Mythen aus dem literarischen Bereich. (5) Der für ein Lexikon dieser Art zentrale Begriff der „Entkriminalisierung“ fehlt völlig, nicht aber der Hinweis (6) auf den „Flashback“ nach Hanfkonsum, einer Theorie aus der Steinzeit der Cannabisforschung. (7) Der Begriff Neurose wurde bereits 1776 eingeführt, nicht 1977, wie van Treeck annimmt. Unter „Marihuana“ versteht das Lexikon „zerkleinerte Blätter der Cannabispflanze“, ein grober Faux pas. (8) Selbst bei so einem simplen Getränke wie dem „Radler“ (o.a. „Alsterwasser“) schreibt van Treeck ins Leere. Er würde Bier mit Orangen(!)-Limonade mischen, na, dann mal Prost, Bernhard.

In fast voyeuristischer Weise beschreibt van Treeck die Schicksale von Musikern und anderen Künstlern, denen aus seiner Sicht allein die Droge (und eben nicht die Droge und der soziale Zusammenhang) zum Verhängnis wurde. Nie scheint der Arzt zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht trotz, sondern aufgrund ihres Drogengenusses kreativ sind. Unter dem Stichwort „Aggressivität“ bleibt denn auch nur das Schwarz-Weiß-Potential jedweder Droge übrig, die Agressivität entweder zu erhöhen oder zu vermindern.
Darüber könnte man lachen, wäre nicht zu vermuten, dass das Machwerk, vom Verlag als „überarbeitete und erweiterte Neuauflage“ gepriesen, in den Buchläden der Republik in den Händen besorgter Eltern landen wird, die glauben damit den Phänomenen „Pubertät“ (fehlt ebenfalls im Lexikon), „Entspannung“ (fehlt) „Glück“ (fehlt) oder gar „Liebe“ (fehlt) oder „Spiritualität“ (fehlt) näher zu kommen.

Treeck , Bernhard van: Drogen- und Sucht-Lexikon
Berlin, Neuaufl. 2004
345 S. m. Abb.
SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF
Kartoniert/Broschiert
ISBN 3896025422
EUR 14,90

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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