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Interview mit Claudia Müller-Ebeling

HanfBlatt, November 2004

Von alten und neuen Hexen und einem neuen Naturverständnis

Interview mit der Ethnologin und Kunsthistorikerin Claudia Müller-Ebeling

Claudia Müller-Ebeling

Schnell noch in den Teeladen. Heute hat sich Frau Doktor Claudia Müller-Ebeling angesagt, die 45-jährige Kunsthistorikerin und Ethnologin, die wir duzen dürfen. Auch az scharrt schon mit den Hufen, denn selten erhalten wir die Möglichkeit mit einer Kapazität auf dem Gebiet schamanistischer Traditionen in Europa zu reden. Zudem brennt uns das Thema „Frauen und der Rausch“ unter den Nägeln. Die Erforschung schamanistischer und kunstethnologischer Traditionen auf der Welt sind Themenbereiche von Claudia. Um das Leben anderer Gesellschaften begreifen und darstellen zu können, tauchte sie immer tief in deren soziale und kulturelle Strukturen ein. Vor allem betrachtete und analysierte sie Bilder und fragte nach ihrem Kontext und ihrer Bedeutung. Feste Strukturen vermeidet sie beim Schreiben, dementsprechend verläuft unser Gespräch konzentriert, aber frei floatend.

HB: Was sind eigentlich Hexen?

Claudia: Zunächst ein gesellschaftlich-historisches Konstrukt. Im Buch „Hexenmedizin“ beantwortet jeder das auf eine andere Weise. Wolf-Dieter Storl vermittelt die mythische Bedeutung von Pflanzen und ihren Gebrauch in archaischer Zeit. Christian Rätsch beleuchtet die antiken Vorbilder. Das späte Christentum und die Renaissance haben in erster Linie die Konzepte und Erzählungen aus der Zeit der Antike und des frühen Christentums übernommen und dämonisierte die Naturmagie mehr und mehr. Von daher reicht das Bild, welches wir von Hexen haben, zeitlich tief zurück.

HB: Wir verbinden ja meist das düstere Mittelalter damit.

Claudia: Ich weiß nicht, wie sich das Vorurteil des sogenannten „düsteren Mittelalters“ so lange halten konnte. Eigentlich ist es die düstere Neuzeit, denn das Mittelalter war licht und hell. Hier war die Sexualität befreiter, die körperliche und vor allem geistige Liebe hatte einen hohen Stellenwert. Dies ist nicht zu verwechseln mit der platonischen Liebe, die ja wahrlich keine unkörperliche, sondern eine Liebe nach Knaben war. So sind viele Begriffe durch die Mühle der Renaissance gegangen, eine Art Neoplatonismus, der versuchte, die Ideen Platons an ein christliches Gedankengebäude ranzubinden. So entstand die Dichotomie zwischen dem entkörperlichten Geistigen und den irdischen Niederungen.

HB: Und damit wurde auch Platons Idee wiederbelebt, dass es klüger ist, nüchtern in die Irre zu laufen, als berauscht Weisheit zu erlangen.

Claudia: Ja, es scheint immer einfacher, den bekannten Mist zu ertragen als neue Wege zu wagen. Alles was Berauschung ist, das Dionysische betrifft, ist mit persönlichem Erleben verbunden. Man schmeißt sich ins Erlebnis hinein. Unser christlich-wissenschaftliches Weltbild hat was gegen dieses eigene Erleben. Es klammert diese Erfahrung aus, weil es davon ausgeht, dass eigene Erfahrungen nur Voreingenommenheit schüren und dich in deine eigenen Gefühle einkapseln. Dann kann man die Realität nicht mehr objektiv sehen und Objektivität ist die Hohepriesterin der Neuzeit. Man soll die Dinge von außen betrachten, analysieren, interpretieren. Diejenigen die sich am Suff, der Liebe oder der Extase berauschen, sind dann arme Irre, die eh nicht mehr wissen, was sie tun. Dieses Erbe spukt in uns allen rum, sicher auch ihn mir, auch wenn ich das schön sezieren kann.

HB: Ein Bild der bösen Hexe haben wir sicher alle in uns. Frauen wiederum nehmen das Hexenthema neu auf, gründen Hexenstammtische oder treffen sich zum Hexen.

Claudia: Davon halte ich wenig. Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, alte Hexenrituale wieder aufleben zu lassen, die zu einer neuen Wertschätzung der eigenen Natur und der um uns herum führen. Das Vermitteln von praktischen Erfahrungen ist positiv. Nur leider entwickeln diese Zirkel sich schnell zu elitären Gemeinden, die bestimmte Denklinien aufnehmen, die oft aus der Frauenbewegung stammen. Diese Linien werden dann eifrig verfolgt und nicht mehr weiter hinterfragt. De facto weiß man aber sehr wenig über historische Hexen, weil so viele Quellen verschütt gegangen sind. Die bruchstückhafte Zusammensetzung kann auf falsche Wege führen. Wendungen wie: „Ich bin eine moderne Hexe“ oder: „Ich bin ein Schamane“ sind immer problematisch, weil sie weniger auf Kenntnis historischer Zusammenhänge beruhen, als vielmehr auf Projektionen.
Die Umwertung eines ursprünglich als Diffamierung gemeinten Begriffs in etwas Positives ist ironisierend und eröffnet daher die Möglichkeit, spielerischer mit einer grausamen Vergangenheit umgehen zu können. Dann kann man besser daraus lernen und auf Defizite unserer Zeit hinweisen, beispielsweise auf die fortgesetzte Dämonisierung der Natur.

HB: Für uns ist es schon rein sprachlich problematisch, an alte Naturmythen anzuknüpfen, das zeigt das Beispiel der „modernen Hexen“ ja recht deutlich. Es müssten also neue Wege der Erfahrungsvermittlung gefunden werden.

Claudia:

Die Frauen suchen unter dem Eigen-Label „Hexe“ Selbstverwirklichung und Grenzen sich damit von der Gesellschaft ab. Es wäre produktiver, nach der Aufgabe zu fragen, die sie als „moderne Hexen“ für die Gesellschaft haben könnten.

HB: Was ist mit der „gereinigten Hexe“, die mit den bösen Kräutern nix am Hut hat?

Claudia: In den meisten der neueren Hexenratgebern sind die psychoaktiven Bestandteile fein säuberlich aussortiert worden. Da gibt es nur noch Kamillentee. Diese Trennung in „gute und böse Kräuter“ ist ein Erbe der christlichen Lehre. Die zugänglichen Quellen sind allesamt Fremdzuweisungen, es gibt kaum Aussagen von Hexen selbst. Von daher sagen die Quellen mehr über die Kirche und die Nachbarn als über die Hexen. Mit Sicherheit aber haben nicht nur Neid und Eifersucht den als Hexen diffamierten Frauen den Kopf gekostet, sondern auch die Tatsache, dass sie die Natur nicht als böse und sündig, sondern als Einheit aller Aspekte betrachtet haben; genau das heißt „ganzheitlich“.

HB: Wie haben Hexen gearbeitet?

Claudia: Die gründlich zerstörten schamanischen Traditionen Europas lassen sich ableiten von dem, was noch heute an Schamanismus auf der Welt existiert. Wenn man die Rolle der heutigen Schamanen in Asien und Südamerika berücksichtigt, dann stellt sich das Bild meiner Ansicht nach so da: Erstens gibt es da niemanden der sagt: „Ich bin ein Schamane“ und trommelnd durch die Gegend läuft. Der oder die sagt auch nicht: „Kommt zu mir, wenn ihr Probleme habt, ich habe Sprechstunde von 8.00 bis 14.00 Uhr und eine Behandlung kostet 300 Taler.“ Diese Menschen tun etwas und das hilft anderen, dann bildet sich der Ruf und andere Leute kommen. In den westlichen Ländern wird das sofort zu einem Business und einer Institution.

HB: „Das lohnt sich“, singt der Schamane…

Claudia: Sicherlich müssen wir alle von etwas leben. Die hauptberufliche Beschäftigung beinhaltet zumeist, dass wir daraus unser Geld beziehen. Einen hauptberuflichen Schamanismus gibt es fast nirgends auf der Welt. Dazu kommt, dass die Leute gerne andere Menschen auf den Sockel stellen, sie wollen dich verherrlichen, dich idealisieren. Wenn man denen sagt: „Das kann ich nicht“ oder „Das weiß ich nicht“, dann sind die stinksauer. Diese Projektion nach außen fällt dann brutal auf dich zurück. Oft gehen deshalb die meisten Schamanen und Hexen sich selbst in die Falle und denken irgendwann tatsächlich, dass sie ganz toll sind und als Hexe oder Schamane gut Geld verdienen können.

HB: Wenn wir den Faden im Mittelalter aufnehmen: Hat die Kirche mit ihrem Anspruch auf das Heil der Menschen die Kräuterfrau und ihre Heilkräuter verdrängt?

Claudia: Zunächst einmal gibt es auch männliche Hexer und Zauberer. Das Bild der Hexe war aber ein schillerndes und attraktives, das sich mit dem sinnlich-erotischen Komplex gut verbinden ließ. Das lustfeindliche christliche Weltbild ließ den Sex nur zur Fortpflanzung zu – die rein der Erotik wegen betriebene Lust ist aus dieser Sicht etwas Bitterböses. Noch heute haben Menschen, die unter diesen Moralvorstellungen aufwachsen, erhebliche Probleme bei der Entfaltung einer gesunden Sexualität. Diese Gespenster wurden ihnen angehext und nun müssen sie sehen, wie sie ihre eigene, entspannte, natürliche Erotik wiederfinden. Die Hexe war also eine Projektionsfigur, die mehr war als eine Kräuterkundige. Im 15. und 16. Jahrhundert lebten die Menschen mit spirituellen und heilerischen Kräften eher auf dem Land. Das lässt sich heute noch gut in Nepal nachvollziehen. Wenn man dort Kathmandu hinter sich lässt, dann lässt man auch Ärzte und Hospitäler hinter sich. Dann findest du Leute, die können vieles zugleich. Und manche können halt Menschen heilen und das sind die Schamanen. Die sind aber nicht nur und allein Schamanen, sondern auch Bauern oder was weiß ich…

HB: Der Bauer im Mittelalter merkte irgendwann „Ich kann helfen“?

Claudia: Ja. Lange Zeit ist es kein Problem gewesen, dass es in den Städten ausgebildete Ärzte und Apotheker gab. Das waren immer Männer, denn die Universitäten ließen keine Frauen zu. Die hatten ihr städtisches Klientel. Die armen Menschen auf dem Land gingen aber weiterhin zu ihrem Kräuterweib. Irgendwann ist dies im Zuge der Diffamierung der Frau zum Problem geworden. Witwen oder Frauen ohne Ehemann lebten außerhalb der Versorgungsstruktur und damit auch außerhalb der Gesellschaft. Die mussten sich alleine durchs Leben schlagen. Dieser Alleingang war gefährlich, denn ansonsten lebten sie unter der Haube, wie man so schön sagt, eben unter der Oberaufsicht des Mannes. Frauen, die ihr Leben alleine bewältigten und dazu noch Fähigkeiten der Heilkunst hatten, wurden wohl zunehmend als bedrohlich empfunden.
Hexe von Francisco Goya (1746-1828)

HB: „Sexy Hexy“, das klingt sogar ähnlich. Verdorbene Buhlerinnen des Teufels. Die Angst vor weiblicher Sexualität muss eine wichtige Rolle gespielt haben.

Claudia: Und ein Denken, welches allen monotheistischen Religionen, gleich ob Judentum, Christentum oder Islam, anhaftet. Diese Religionen beten einen Gott an und dieser eine Gott ist gut und alles was nicht gut ist, stellt den Teufel dar. Mit diesem dualistischen Bild ermöglichst du diese Ausgrenzung des Fremden, des anderen. All das, was du in dir selber nicht wahrnehmen willst, kannst du wunderbar nach außen projizieren. Dann kannst du davor warnen, es verfolgen und dich gleichzeitig dran ergötzen. Alles was du dir nicht traust, das kannst du den Hexen dann unterjubeln. Die Protokolle aus der Zeit zeigen ganz deutlich die überhitzten Fantasien von Leuten, die gewisse Sachen nicht ausleben durften.

HB: Und genau das erleben wir doch heute beispielsweise mit den Gebrauchern kriminalisierter Drogen.

Claudia: Genau. Es ist ja auch perfide: Gerade in der momentanen Medienwelt gehört zum Beispiel Koks zum Arbeitsalltag. Hinter den Türen wird gekokst und gleichzeitig wird ein Artikel über sogenannte „Teufelsdrogen“ verfasst. Was den modernen Medien fehlt, ist ein Nachdenken über die Mechanismen in den Medien.

HB: Da müsste mal ein Beobachter den Beobachter beobachten.

Claudia: In jedem Medium muss man doch in der Lage sein, selbstkritisch zu hinterfragen, was man tut und nicht immer nur zu hinterfragen, was andere tun. Kläre ich auf oder trage ich dazu bei, dass ein Vorgang weiterhin im Dunklen dümpelt? Ich bin schon der Meinung, dass heute viele Natursubstanzen verteufelt werden, weil keine Pharmaindustrie davon profitieren könnte. Wenn jeder sich sein Gras und seine Kräuter auf dem Balkon zieht, dann kann man ihm nichts mehr verkaufen.

HB: Als Frau, die sich mit den Hervorbringungen der Natur beschäftigt, wie siehst du da die bestimmende Rolle der Technik in der modernen Welt, die ja auch eine Männerdomäne ist? Heute geht es ja weniger darum, ob wir mit der Technik leben wollen, sondern wie wir mit ihr leben können.

Claudia: Den Gegensatz zwischen Natur und Technik gab es schon immer, nur wurde er früher anders bezeichnet. Alles, was wir Menschen schaffen, sei es Technik, Dichtung oder Bilder, ist Kultur. Die Männer waren und sind, eher als Frauen, damit beschäftigt, Dinge mit ihren Händen oder ihrem Kopf selber zu produzieren. Damit produzieren sie eine Alternativschöpfung, eine Schöpfung, welche ihnen ansonsten verwehrt ist. Der elementare Schöpfungsakt, die Schaffung neuen Lebens, ist ihnen verwehrt. Das Problem dabei ist, dass die Männer ihren Schöpfungen einen höheren Stellenwert zusprechen.

HB: Damit lässt sich eine direkte Linie zur Naturentfremdung und Naturzerstörung ziehen.

Claudia: Absolut. Das siehst du ja deutlich, wenn du dir Gesellschaften anschaust, die noch in einem Naturkontext stehen, Naturvölker eben. Die sehen unmittelbar, dass sie sich gegenüber der Natur so verhalten müssen, dass ihre eigene Kultur und die sie umgebende Natur in Balance sind. Dafür gibt es dann ganz viele Regularien: Wenn du auf die Jagd gehst, musst du mit den Herren der Tiere Kontakt aufnehmen und sie um ein Opfer bitten. Damit leben diese Menschen aber nicht in ständiger Angst vor Göttern und Dämonen. Sie haben nur ein Gefühl dafür, was ihr Handeln in der Natur für Auswirkungen hat. Jeder ist damit für seine eigenen Handlungen verantwortlich, das ist supersimpel. Dieser Zusammenhang ist uns verloren gegangen. Wir glauben, unser Handeln hat erst in 100 Jahren Auswirkungen.

HB: „Nach mir die Sintflut.“ Wie soll es weitergehen?

Claudia: Natur und Kultur müssen sich immer wieder neu arrangieren. Wir haben Welten geschaffen, die zum Teil unter völligem Ausschluss des Natürlichen existieren. In den Städten können wir ja tatsächlich auf die Idee kommen, unabhängig von den natürlichen Abläufen zu leben. Wir haben unser eigenes Licht, Heizung, Klimaregelung.

HB: Das Kernkraftwerk steht halt nicht im Wohnviertel. Die meisten Menschen in Westeuropa kennen nicht mehr die Lebenszyklen der Pflanzen und Tiere, die sie sogar essen. Die meisten Tiere haben sie nicht mal leben gesehen. Wie sollen sie dann die Wirkung oder Heilwirkung von Nahrung und Pflanzen kennen?

Claudia: Richtig. Bei allem, was wir eben beschrieben haben, klammern die Menschen die eigene Erfahrung aus. Wenn du dir bestimmte Pflanzen einverleibst, dann machst du eine Erfahrung, die dein Denken verändern kann. Ich finde es immer wieder sehr verblüffend: Egal, wohin man auch kommt auf der Welt, die Menschen, die psychoaktive Pflanzen nehmen, leben zwar alle in unterschiedlichen Kontexten, sie verbindet aber alle dasselbe: Sie haben ein ausgeprägtes Naturbewusstsein, sind ökologisch und an Mythen interessiert und stellen Religionen und andere hierarchische Systeme in Frage. Das ist keine organisierte Bewegung, das ist Folge der Veränderung, die dadurch entsteht, dass du dich auf psychedelische Art mit den Pflanzen verbindest, die du eingenommen hast. Und ich weiß, es klingt idiotisch, aber diese Pflanzen reden dann auf ihre Art mit dir. Dabei tritt man mit Wissensebenen in Kontakt, die analytisch nicht zugänglich sind. Sie entziehen sich der Logik und sind trotzdem nicht irrsinnig, sondern sehr richtig. Darin liegt auch eine Ursache für die Verteufelung dieser Pflanzen: Die Erfahrung mit ihnen erschüttert die Säulen DES logischen Weltbildes. Es existiert dann zum Beispiel plötzlich nicht nur regulierte Sexualität, sondern sinnliche Sexualität, die ausbricht.

HB: Zurück zur Natur?

Claudia: Wenn ich mir Werbung anschaue, dann wundere ich mich. Die Industrie macht sich die Tatsache zu Nutze, dass wir wesentlich durch unsere Emotionen motiviert werden. Wir tun nicht Dinge, weil wir einsehen, dass es vernünftiger und besser ist, sie zu tun, sondern wider besseren Wissens tun wir Dinge, die einfach Spaß machen. Wie uns die Werbung ständig erzählt, machen uns alle mögliche Dinge Spaß, die die Konsumkultur und den Absatz ankurbeln. Auf der anderen Seite sollen wir aber ganz vernünftig sein und der Natur zuliebe auf alles mögliche verzichten, was uns Spaß macht. Das kann so nicht klappen, das wird nie funktionieren.

HB: Also müsste man das Umweltbewusstsein mit dem Spaßfaktor kombinieren.

Claudia: Genau. Es macht ja auch tatsächlich Spaß in einem sauberen Fluss zu baden und reine Luft zu atmen. Manche Naturschutzverbände haben das mittlerweile kapiert und werben dementsprechend. Es ist deutlich: Leute aller Alterstufen werden am Strand zu buddelnden und planschenden Kindern. Sie verbinden sich mit dem Element Wasser.

HB: Als Frau kannst du uns garantiert etwas zum Thema „Frauen und Rausch“ sagen. Wie kommt es, dass Frauen meist viel vorsichtiger bei psychedelischen Rauscherfahrungen sind?

Claudia: Im Anschluss an das bisher Gesagte sind Frauen deutlich mehr in einen natürlichen Zyklus eingebunden. Ihr Körper verändert sich zyklisch, sie können Leben geben und ernähren und während dieser Zeit ist ihre Chemiefabrik und damit ihre Emotionen umgestellt. Bei den Männern ist der Wunsch nach Kreation genauso vorhanden, auch sie wollen Naturkräfte in sich erfahren. Nur müssen sie sich halt anderer Mittel bedienen. Meine Hypothese ist, dass Frauen Psychedelika nicht benötigen, weil sie den Naturkräften ohnehin mehr verbunden sind als die Männer. Andererseits spielen Ängste auch eine Rolle. Die meisten Autoren, die sich mit Psychedelika beschäftigen, sind Männer.

HB: Wahrscheinlich die männliche Eigenart der permanenten und intensiven Grenzüberschreitung.

Claudia: „Psychedelisches Bodybuilding“ ist ein durchaus vorkommendes Phänomen. Damit bezeichne ich den unseligen Trieb vieler, sich möglichst viel einzuklinken, weil man ja stärker ist als die stärkste Dosis.

HB: Der Feminismus hat ja auf seine Art versucht, den Frauen mehr Geltung zu verschaffen, aber wohl nicht der Weiblichkeit. Wie siehst du die Entwicklung?

Claudia: „Der“ Feminismus hat lange Zeit primär versucht, männliche Qualitäten in Frauen zu aktivieren, um der Männerherrschaft etwas entgegenzusetzen. Viele Frauen haben sich dem angepasst und darüber weibliche Qualitäten vergessen. Mit „weiblichen Qualitäten“ meine ich, mal ganz klischeehaft: Warmherzigkeit, die breite Ebene der Gefühlspaletten, Intuition und eine weniger hierarchische Denkweise. Frauen haben eher das große Ganze im Blick und sehen welches Rädchen jeder darin ist. Männer tendieren zum linearen Denken – „das will ich und so komme ich dahin“. Der gerade Weg ist per se aggressiver, da schlägst du dir halt eine Schneise durch das Dickicht. Frauen mäandern eher zum Ziel, kommen damit meist besser mit der Natur der Dinge klar, verlieren aber oft im linear ausgerichteten Wettbewerb.

HB: Wie siehst du dich diesbezüglich?

Claudia: Ich bin zwar eine Frau, in erster Linie aber ein Mensch. Sicherlich habe ich weibliche Qualitäten, aber ich habe auch männliche. Ich fühle mich in einer Frauengemeinschaft nicht unbedingt solidarischer und wohler als unter Männern – oft im Gegenteil.

HB: Das geht uns Mimosen natürlich runter wie Honig. Vielen Dank für das Gespräch.

 

az und adh