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Yohimbe und seine aphrodisische Wirkung

HanfBlatt, 2001

Aphrodisischer Rindenwahn

Nun, da wir Ihr Interesse geweckt haben, können wir anfangen uns mit einer aus Westafrika zu uns kommenden Baumrinde zu beschäftigen, der psychoaktive, wenn nicht sogar leicht psychedelische Qualitäten und wichtiger noch eine aphrodisische Wirkung, in erster Linie auf das männliche Geschlecht, nachgesagt werden. Lange Zeit galt in der Medizin Yohimbin, der Hauptwirkstoff der Yohimberinde, als das einzige „echte“ oral wirksame Aphrodisiakum beim Manne. Nach dem großen Bildzeitungshype für die umstrittene und möglicherweise gesundheitlich bedenkliche Pharmadroge „Viagra“, lohnt es sich, einmal die althergebrachten pflanzlichen Aphrodisiaka zu betrachten. „Yohimbe“ ist wohl das Berüchtigste in diesem Kreise.

Von welcher Pflanze stammt die Yohimberinde?

Es handelt sich in erster Linie um die dunkelbraune Rinde (Cortex yohimbe) des im tropischen Westafrika heimischen Pausinystalia yohimbe-Baumes. Als Ersatz oder Verfälschung für die „echte“ Yohimberinde findet auch die Rinde anderer Pausinystalia-Arten und die kleinerer Bäume, den botanisch nahe verwandten Corynanthe-Arten Verwendung. Sie enthalten dieselben oder nahestehende Wirkstoffe. Am bekanntesten ist die Rinde von Corynanthe pachyceras, die im Apothekenhandel als Pseudocinchonae africanae cortex bezeichnet wird.

Was für Inhaltsstoffe machen Yohimberinde so interessant?

Eine ganze Reihe sogenannter Indolalkaloide, von denen das Yohimbin die meiste Aufmerksamkeit erfahren hat. Der durchschnittliche Yohimbingehalt der Handelsware soll bis 3,4 % reichen können, liegt aber wohl meist deutlich darunter. Die anderen ähnlich wirksamen Alkaloide stellen einen weiteren Bestandteil der Rinde dar, der den Anteil des Yohimbins noch bei weitem übertreffen kann. Wirkstoffe vom Typ der Yohimbealkaloide wurden auch in anderen psychoaktiv wirksamen Pflanzen nachgewiesen, so in der Rinde des weißen Quebrachobaumes (Aspidosperma quebracho-blanco), der Rinde verschiedener Alstonia-Baum-Arten, untergeordnet in der Schlangenwurzel (Rauvolfia) und anderen.

Yohimbin
Yohimbin

Wie wird Yohimberinde dosiert und eingenommen?

Der schwankende Wirkstoffgehalt erschwert die Dosierung ganz erheblich! Es wird deshalb am Anfang möglichst niedrig dosiert. Zunächst kommt nur maximal ein halber (etwa 0,75 Gramm) bis ein schwach gehäufter Teelöffel (etwa 1,5 Gramm) der zerkleinerten Wurzelrinde zum Einsatz. (Die medizinisch-therapeutische Einzeldosis beträgt übrigens nur 0,5 Gramm!) Die Wirkstoffe sind nur schwer in Wasser löslich. Deshalb wird die Rinde unter Zusatz einer milden Säure, zum Beispiel Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Zitronensaft, etwa zehn Minuten lang ausgekocht. Der entstandene Sud wird als Tee getrunken. Alternativ können die Wirkstoffe durch Übergiessen der Rinde mit erwärmtem hochprozentigen Alkohol (z.B. Wodka) und längeres Stehenlassen (mindestens 8 Stunden) extrahiert und die entstandene Tinktur eingenommen werden. Die Rinde kann zu feinem Pulver gemahlen runtergespült oder in Kapseln abgefüllt geschluckt werden. Sie läßt sich auch rauchen.

Wie wird das reine Yohimbin genommen?

Yohimbekenner bevorzugen das viel besser dosierbare reine Yohimbin in seiner wasserlöslichen Hydrochloridsalzform. Dieses wird in der Regel oral eingenommen, manchmal auch geschnupft. Als medizinisch-therapeutische Einzeldosen werden 5-10 mg Yohimbin, 1 bis 3 mal täglich, meist über einen längeren Zeitraum ( kurmäßig 3 bis maximal 10 Wochen) angegeben. Hedonisten, die nur gelegentlich Yohimbin nehmen, zum Beispiel für ein psychoaktiviertes Liebesritual, orientieren sich an höheren Einzeldosen von 15 bis 25, maximal 30 mg, beginnen vorsichtshalber aber auch zunächst mit niedrigen Dosierungen.

Woher bekommt man Yohimberinde?

Natürlich aus den westafrikanischen Heimatländern, zum Beispiel aus Nigeria, Kamerun und dem Kongo, aber auch aus dem Kräuterhandel zahlreicher anderer Länder weltweit, denn vielerorts wird der Umgang mit Naturprodukten längst nicht so reglementiert wie bei uns. Dort besteht aber auch das größte Verwechslungsrisiko mit Verfälschungen. Ähnlich wie Ephedrakraut soll die Yohimberinde in deutschen Apotheken nur auf Rezept erhältlich sein. Dies wird aber nicht überall gleichermaßen streng gehandhabt. Als meist etwas teurere Alternative empfiehlt sich der ethnobotanische Fachhandel, der die Rinde bisweilen als botanisches Anschauungsmaterial im Angebot hat.

Woher bekommt man Yohimbin?

Das reine Yohimbinhydrochloridsalz ist schwerer erhältlich. Es ist in den verschreibungspflichtigen pharmazeutischen Präparaten Yohimbin-Spiegel Tabletten und Yocon-Glenwood Tabletten (berechnet zu jeweils 5 mg Yohimbin) enthalten. Manchmal findet das reine Salz den Weg aus dem Pharmahandel zu den Interessenten. Zahlreiche Kombinationspräparate mit aphrodisischem Touch enthalten, meist recht niedrig dosiert, Yohimberindenextrakte oder Yohimbin.

Welche medizinischen Indikationen hat Yohimbin?

Yohimbin wird vom Arzt bei bestimmten Fällen von Impotenz auf Grund erektiler Funktionsstörungen, den „Wechseljahren des Mannes“ und Harninkontinenz verschrieben.

Wie wirkt Yohimbin?

Es gilt als alpha-Adrenozeptorenblocker und Sympatholytikum. Dadurch wirkt es gefäßerweiternd und in niedriger Dosis blutdrucksenkend, in höherer blutdrucksteigernd, außerdem schwach harnzurückhaltend und pupillenerweiternd. Es kann auch als Aphrodisiakum, insbesondere beim Manne, wirken und zwar durch Erweiterung der Blutgefäße der Geschlechtsorgane, sowie eine Erregbarkeitssteigerung der für das sexuelle Funktionieren zuständigen Rückenmarkszentren ohne dabei notwendigerweise das sexuelle Verlangen zu stärken, wie es so schön in der medizinischen Literatur heißt. Diese Wirkung soll aber erst bei regelmässiger Einnahme oder höheren Dosierungen und auch nur bei einem Teil der Gebraucher eintreten. Einnehmer höherer Dosierungen wissen von leichten Bewußtseinsveränderungen, besonders der Sinneswahrnehmungen, in Richtung „psychedelisch“ zu berichten. Manche empfinden auch eine Art Benommenheit.

Es kann besonders bei höheren Dosierungen auch zu unangenehmen Effekten kommen. Das Reaktionsvermögen kann deutlich beeinträchtigt sein, was zu entsprechender Zurückhaltung bei dieses erfordernden Tätigkeiten gemahnt. Muskelzittern und nervöse Erregungszustände gelten als nervige Nebenwirkungen. Eine verstärkte Ängstlichkeit und leicht aggressive Gereiztheit scheinen nicht ungewöhnlich zu sein. Eine leichte Übelkeit, Kopfschmerzen, erhöhtes Schwitzen und Hautrötung können vorkommen.

Bei zu hohen Dosierungen kann es zu Harnverhaltung, Durchfall, Erbrechen, zentraler Erregung, Koordinationsstörungen, starker Zittrigkeit, einem „aufgelösten“ Zustand, eventuell mit Angst oder gar „Halluzinationen“, epileptischen Krämpfen, Abnahme des Sauerstoffgehaltes im Blut mit Blaufärbung der Haut, stark gestiegener Herzschlagfrequenz, Blutdrucksteigerung (!) und Bewußtlosigkeit kommen. Auch von schmerzhaften Dauererektionen wurde berichtet. Extrem hohe Yohimbindosierungen sollen zum Tode führen können. Es empfiehlt sich bei einer starken Überdosis unbedingt ärztliche Hilfe hinzuzuziehen. Aber soweit muß es ja gar nicht erst kommen.

Yohimbe Rinde
Yohimbe Rinde

 

Wer sollte auf keinen Fall Yohimberinde oder Yohimbin nehmen?

Bei psychischen Erkrankungen, entzündlichen Krankheiten, Magen-Darm-Schwierigkeiten, niedrigem oder hohem Blutdruck, Herz-, Leber- oder Nierenproblemen sollte auf die Einnahme vollständig verzichtet werden. In der Medizin ist eine Verschreibung für Frauen nicht vorgesehen. Auf jeden Fall sollte während Schwangerschaft und Stillzeit keine Yohimberinde oder Yohimbin genommen werden. Es scheint auch eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Yohimberinde und Yohimbin zu geben. Man sollte also auf die Signale seines eigenen Körpers achten und die persönlichen Verträglichkeitsgrenzen respektieren.

Was hat es mit der angeblich MAO-hemmenden Wirkung auf sich?

In älteren Szenepublikationen findet sich immer wieder der Hinweis, Yohimbin wirke MAO-hemmend. Monoaminoxidase (MAO) ist kurz gesagt eine körpereigene Substanz, die verhindert, daß bestimmte mit der Nahrung aufgenommene Substanzen im Körper unerwünschte Wirkungen entfalten. Wird die MAO gehemmt, kann die Einnahme bestimmter Nahrungsmittel und Drogen gefährlich werden. Es kann zum Beispiel zu Beschwerden wie Kopfschmerzen und Nackensteife bis hin zu mitunter lebensbedrohlichen Herz- Kreislaufkrisen kommen. Für eine MAO-hemmende Wirkung von Yohimbin scheint es aber keine aktuellen wissenschaftlichen Belege zu geben! Auch in der neuen medizinisch-pharmakologischen Literatur fand sich kein Hinweis darauf. (Bitte Kopie ans Hanfblatt, wenn es Studien oder Fallbeispiele dazu gibt!) Das heißt aber nicht, daß man leichtsinnig werden sollte. Man kann sich vorsichtshalber an die für MAO-Hemmer empfohlenen Diätvorschriften halten, sprich vor und nach Yohimberinden- oder Yohimbineinnahme keine Lebensmittel mit Tryptophan und Tyramin (besonders Bohnen, Bananen, Ananas, Bier, Wein, Sauerkraut, eingelegter Hering, gereifter Käse, Schokolade, Geflügelleber, Hefeextrakt) zu sich zunehmen. Auch sollte man Medikamente und Drogen aller Art (auch Alkohol und Coffein) meiden. Dann geht man in dieser Hinsicht auf Nummer sicher.

Kombinationen mit anderen psychoaktiven Substanzen

Yohimberinde taucht seit den Sechziger Jahren im Bereich der amerikanischen „Legal Highs“ auf, besonders in übertrieben angepriesenen Mischungen, in denen es einen Garanten für zumindest einen „Effekt“ darstellt und sich aufgrund seiner exotischen afrikanischen Herkunft und der angeblich aphrodisierenden Qualitäten gut bewerben läßt. Der Wirkstoffgehalt dieser Mischungen dürfte schwer abschätzbar sein, von praktisch unbedeutend bis zu in manchen Kombinationen möglicherweise bedenklich. Kenner mischen sich ihre Kräuter meist entsprechend ihrer individuellen Verträglichkeiten selbst.

Yohimbin wurde und wird auch in pharmazeutischen Präparaten mit aphrodisischer Indikation ganz im Widerspruch zu der angeblich MAO-hemmenden Wirkung häufig mit anderen potenten Substanzen kombiniert. Berüchtigt war zum Beispiel eines, das neben Yohimbin auch noch Strychnin und Pemolin (ein Amphetaminderivat) enthielt und als vielversprechendes Aphrodisiakum galt. (Die Pharmaindustrie war der sogenannten „Drogenszene“ eigentlich schon immer einen Schritt voraus!) Damiana, Ephedrin, männliche Sexualhormone, selbst der Tollkirschenwirkstoff Atropin wurden mit Yohimbin in einem Präparat vereint. Die Wirksamkeit und das gesundheitliche Risiko dieser Mischungen waren und sind natürlich umstritten.

Praktisch wirkungslos sind die Sexshop-Präparate. Sie enthalten nur minimale Mengen der mit Geilheit assoziierten „Potenzmittel“.
Traditionell wurde Yohimberinde in Westafrika als Aphrodisiakum mit Ibogawurzel, Kolanüssen, Ditasamen (Alstonia scholaris) und anderen kombiniert. Manche mögen es, dazu ein wenig Rauschhanf zu rauchen. Yohimbinhydrochloridsalz wurde auch zum Strecken von Schwarzmarktkokain eingesetzt.

Die Erfahrungen eines männlichen Yohimberinden-Experimentierers:

„Ich habe einige Male Yohimberinde aus verschiedenen Quellen probiert. Und zwar als Abkochung von einem viertel bis zwei Teelöffeln der zerhäkselten Rinde. Teilweise habe ich die Rinde dazu noch geraucht, was eine ganz ähnliche, aber nur kurze Wirkung hatte. Was habe ich empfunden? Als erstes ein Kribbeln, das den Rücken bis über den Arsch runterläuft und die Eier zusammenzieht, eine energetische Anspannung, ein leicht stonedes Gefühl im Kopf, ein bißchen wie Cannabis, körperlich eher ein mechanisch angespeedetes Feeling, etwas entfremdet. Kann sein, daß es tendenziell die Durchblutung der Geschlechtsorgane fördert, bei erreichter Erektion deren Dauer verlängert. Der Zustand war aber nicht gerade relaxt. Die Wirkung setzte relativ schnell ein, vielleicht innerhalb einer halben Stunde und hielt etwa 2 Stunden deutlich an, maximal bis zu 4 Stunden spürbar. Irgendwie konnte ich mich nicht so recht mit der Rinde anfreunden. Dann schlug ich später nochmal richtig zu, mit etwa 4 leicht gehäuften Teelöffeln, als Abkochung unter Ascorbinsäurezusatz. Das war zuviel des Guten. Eine Substanz, die nervös macht, Ängstlichkeit und Aggressivität liegen dicht beieinander, erwartend, aber nicht erwartungsfroh, fordernd, überfordert, zittrige Energie, die fokussiert, in Konvergenz gebracht werden muß. Schwer zu fassen, wenn man nur wüßte, in welche Richtung man sich schaffen sollte. Eigentlich klar, Berührung müßte her, Spüren, aber habe ich da wirklich Bock drauf? Allen sagen, wie lieb ich sie habe, ich liebe euch, kommt mir überhauptnicht in den Sinn. Innere Unruhe, Rastlosigkeit, ohne Ziel. Gefangen als Sklave der Rinde, oder bin ich weich wie eine Feder, zäh wie Leder, möchte festgehalten werden. Überkandidelt, Konkurrenzdroge, sexuelle Konkurrenz im Kampf um Orgasmen, weiß nicht. Schließlich nicht gut geschlafen. War noch den ganzen nächsten Tag flatterig und ätzend drauf, völlig durch den Wind. Erstmal genug davon, aber vielleicht werde ich nochmal einen softeren Anlauf nehmen. Klingt nach Rindenwahn, oder?!“

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